Gemeinderat,
44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 121
Und war es nicht, lieber Godwin Schuster, die SPÖ, die 2001 angetreten ist, um als Alleinregierung das Gegenmodell zum Bund ins Leben zu rufen? Und wie viel davon ist jetzt, drei Jahre später, wirklich davon übrig geblieben? Was ist das für eine Leistungsbilanz, allein im Jahr 2003? Und worauf dürfen wir uns jetzt noch gefasst machen für die nächsten zwei Jahre? Kann es das sein, was die Sozialdemokratie jetzt zu präsentieren hat?
Also es tut mir Leid, aber ich muss sagen: Die Bilanz
fällt sehr, sehr nüchtern aus! Die Sozialdemokratie präsentiert sich genau so,
wie es immer schon der Fall war: Behäbig, selbstzufrieden, alles andere als
demütig und de facto auch dem Bund gegenüber nach wie vor mehr oder weniger
larmoyant, muss man sagen, wenn man die Schallplatte von den
Bundeseinsparungsmaßnahmen hört. – Ja, der Bund hat schlechte Politik gemacht
in den letzten Jahren. (GR Godwin
Schuster: "Hat gemacht", oder "macht" sie? - Macht er sie
oder nicht?)
Er hat unsoziale Politik gemacht, er hat schlechte
Politik für die Städte gemacht. Er hat nicht zuletzt im Finanzausgleich auch
den Städten ein großes Ei gelegt. Das wissen wir alle, das haben wir
tausendfach diskutiert. Aber das kann es nicht sein, dass wir uns hier jetzt
zurücklehnen und einfach alles nur auf den Bund abschieben und in den
Bereichen, wo wir selbst was erreichen können, nichts tun, sondern Überschüsse
erwirtschaften, massive Überschüsse (Beifall
bei den GRÜNEN) in der Höhe von übrigens 317 Millionen EUR in
diesem schönen Jahr 2003.
Also meines Erachtens ist jedenfalls Sudern keine
politische Alternative, da gehören schon Daten her, und da gehören auch die
richtigen Prioritäten her. Und ich meine sehr wohl, dass Wien anders kann. Wien
kann den Lehrerbestand, den Lehrerinnenbestand, den wir jetzt haben in Wiens
Schulen, sichern, und Wien kann dafür sorgen, dass wieder mehr Lehrerinnen und
Lehrer endlich da sind, damit eine Reihe von Projekten, die man sich
vorgenommen hat, zum Beispiel Mehrsprachigkeit in Wiens Schulen zu verankern
schon ab der Volksschule, tatsächlich auch Wirklichkeit werden kann.
Wien kann Qualifizierungsoffensiven starten, ganz
simple. Ich bringe nur ein Beispiel. Wir haben zum Beispiel jahrein, jahraus in
Wien Tausende von Menschen, die einwandern, die auch eingewandert sind seit den
sechziger Jahren, die qualifizierte Arbeitskräfte sind, die aber mangels
Anerkennung ihrer Qualifikationen als Hilfsarbeiter und Hilfsarbeiterinnen
arbeiten müssen. Und hier gilt es sehr wohl zum Beispiel Modelle zu entwickeln,
wie man diese Qualifikationen anerkennen kann, um letztlich diese Fachkraft,
die da ist in der Stadt, auch besser nutzen zu können. Wien könnte in diese
Richtung gehen.
Wien könnte in Kulturbereichen mehr in
zeitgenössische Kultur investieren und weniger investieren in megalomane
veraltete Opernhäuser. Ich spreche hier jetzt zum Beispiel vom Ronacher oder
vom Theater an der Wien, wo es wirklich eine Diskussion wert ist, ob das der
richtige Weg ist in der Kulturpolitik oder ob nicht andere Prioritäten gesetzt
werden müssten.
Wien könnte, müsste finanziell das Sozialressort
derart absichern, dass Menschen nicht wochenlang warten müssten auf einen
Termin und dann auch noch bitte Sozialhilfe in einem Ausmaß beziehen, das
existenzsichernd ist. Denn selbst diejenigen, die Sozialhilfe beziehen, können,
wenn sie sie dann beziehen, nicht wirklich in den meisten Fällen davon leben,
und auch das ist eine Diskussion wert.
Wien könnte im Bereich Pflege zu Hause investieren
und einen nachvollziehbaren Plan vorlegen, den wir auch einklagen können, den
wir auch überprüfen können, damit wir wissen, wann und wie die Stadt es
erreichen möchte, dass ältere Menschen zu Hause gepflegt werden können.
Wien könnte im Übrigen – das will ich nicht unerwähnt
lassen – soziale Tarife bei den Wiener Linien einführen und sich überhaupt
überlegen, wie die Tarifgestaltung dort aussehen könnte.
Wien könnte zu einer Stadt der Frauen werden, mit
flächendeckender Kinderbetreuung, auch unter drei Jahren, und mit einem
stufenweisen Ausbau von Hortplätzen, von denen es nach wie vor zu wenig gibt,
mit längerfristiger Förderung von Frauenunternehmen, damit sie nicht im dritten
Jahr pleite gehen, und mit einer Reihe von Maßnahmen, die genau Frauen in der
Stadt ermöglichen, aus der Armutssituation herauszukommen. Denn eines dürfen
wir auch nicht unerwähnt lassen – der Herr Stadtrat hat davon gesprochen, auch
ich habe davon gesprochen –: Die Arbeitslosigkeit steigt in der Stadt, und sie
betrifft sehr häufig Frauen. Und von Working Poor in der Stadt sind zum
überwiegenden Teil Frauen betroffen, aber wir waren nicht einmal bereit bis
jetzt, einen Frauenarmutsbericht zu erstellen. Auch das ist von Ihrer Fraktion
abgelehnt worden und mehrfach von uns gefordert worden bis jetzt.
Also, meine Damen und Herren, ich kann nur eines
sagen: Setzen Sie endlich die richtigen Prioritäten. Die Armut in der Stadt
nimmt zu, die Pflegebedürftigkeit, der Pflegebedarf nimmt zu. Da kann ich auch nur
dem Herrn Stadtrat beipflichten. Die Kinderbetreuung muss auch für Kinder unter
drei Jahren flexibel und flächendeckend gewährleistet sein, das heißt, sie ist
auszubauen. Das Wirtschaftsförderwesen ist weiterzuentwickeln, es ist veraltet
und wir brauchen hier neue Konzepte, damit kleine Geschäfte und kleine
Unternehmen eine sichere Existenz haben.
Bitte lassen Sie die Lobau übrigens in Ruhe, das wäre
vielleicht auch eine ganz, ganz gute Idee, anstatt hier falsche Prioritäten zu
setzen und uns ein Ausflugsgebiet, das beliebteste Ausflugsgebiet der
Wienerinnen und Wiener zu nehmen. Dort, wo heute Familien picknicken, sollen
morgen, übermorgen schon Tausende von Autos und Lastkraftwagen anrollen. Also
die Lobau in Ruhe zu lassen, wäre auch eine gute Idee.
Und Lehrer und Lehrerinnen in Wiens Schulen zu
sichern beziehungsweise sie dort wieder aufzunehmen, wo sie fehlen, denn wie
gesagt: 1 400 sind seit dem Jahre 2000 abgebaut worden und Wiens Schulen
sind wieder auf dem Stand der fünfziger Jahre.
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