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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 20 von 121

 

liegen, zum Beispiel durch die Erweiterung der Europäischen Union, möglichst sachlich beurteilen und auch gemeinsam diskutieren. Und ich hoffe, dass nach den Aufregungen im letzten Gemeinderat jetzt wenigstens die Zeit genützt wird zum Beispiel für den hervorragenden Strategieplan, wo versucht wird, viele Antworten für die Zukunft der Entwicklung dieser Stadt zu formulieren und dass dieser Diskussionsprozess tatsächlich auch aufgenommen wird und tatsächlich auch Ideen eingebracht werden. Ich glaube, hier sind für die Zukunft viele Herausforderungen auch gemeinsam zu bewältigen und eine dieser Herausforderungen ist zweifelsohne auch die Sicherung der künftigen Finanzmittel für Wien.

 

Wir haben bei den öffentlichen Ausgaben ein Rekordniveau, das nachfragewirksam auf die Wiener Wirtschaft wirkt. Aber wir werden dieses Niveau nicht halten können, wenn der Finanzminister seine Vorhaben durchsetzt und die Einnahmen der Länder, der Städte und der Gemeinden weiterhin radikal zusammen streicht. Und es geht da nicht nur um Wien, sondern es geht um das Leben der Menschen in allen Gemeinden und letztendlich auch um das Leben der Menschen in allen Bundesländern.

 

Sie wissen, dass vor wenigen Tagen die Verhandlungen um den Finanzausgleich begonnen haben. Den Ländern, wenn man den Ankündigungen hier Glauben schenken mag, drohen hier weitere erhebliche Einnahmenausfälle und sie sind ja auch vorhersehbar, letztendlich auch durch die Steuerreform. Und weil der Kollege Tschirf hier gesagt hat, Wien soll sich hier ein Vorbild an der Steuerreform nehmen und auch der Kollege Kabas hier Ähnliches gesagt hat: Also wenn das ein Vorbild ist, irgendwo etwas zu finanzieren und andere dafür zur Kasse zu bitten, dann ist das für uns als Wiener Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sicherlich kein Vorbild! Wenn er droht, den Ländern und Gemeinden beim Finanzausgleich weitere Mittel zu streichen, gerade auch vor wenigen Tagen, wie ich in einem Radiointerview vor wenigen Tagen entnehmen konnte, wieder im Bereich der Wohnbauförderung, dann sind das keine sehr positiven Vorzeichen, die wir in dieser Debatte hier verspüren können.

 

Die konkreten Einnahmensverluste, wenn ich jetzt alle Ankündigungen zusammenrechne, sind noch kaum abzuschätzen. Aber wenn der Finanzminister seine Vorstellungen durchsetzt, dann hat Wien tatsächlich für die Zukunft 300, 400, möglicherweise sogar 500 oder mehr Millionen Euro pro Jahr weniger zur Verfügung.

 

Ich fordere vor allem Sie, meine Damen und Herren der ÖVP und der FPÖ, auf, hier gemeinsam mit uns diesen Einnahmenreduktionen die Stirn zu bieten und hier gemeinsam mit uns dagegen aufzutreten. Es ist im Interesse der Wienerinnen und Wiener, es ist im Interesse einer sozialen Stadt und es kann nicht in Ihrem Interesse sein hier, und sei es nur durch Nichtstun, einen Beitrag dazu zu leisten, dass Wien für die Zukunft weniger finanzielle Mittel zur Verfügung hat. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Ausgaben in dieser Höhe einzusparen und diese zahlreichen Leistungen der Stadt für seine Bevölkerung tatsächlich so radikal zu kürzen, das können wir nicht wollen und das, meine Damen und Herren, können letztendlich auch Sie nicht wollen. Ich bin ja ein optimistischer Mensch und das ist etwas, was wir, glaube ich, auch im Interesse der Wienerinnen und Wiener gemeinsam abwehren müssen.

 

Ich sage hier ganz klar, unsere Politik in und für Wien wird nicht darauf abzielen, die Wünsche des Finanzministers zu erfüllen. Unsere Politik in Wien wird darauf abzielen, die Wünsche der Wienerinnen und Wiener, die Wünsche der Wiener Bevölkerung zu erfüllen. Das ist für uns das Primat unserer politischen Gestaltungsmöglichkeiten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Wenn wir es tatsächlich mit Föderalismus, mit Gemeindeautonomie, ernst meinen, dann müssen die Länder und Gemeinden einfach auch die Finanzmittel zur Verfügung gestellt bekommen, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können. Hier haben wir eingeschränkte Handlungsspielräume, hier sind wir auf einen fairen Finanzausgleich angewiesen und ich hoffe, dass dies auch zustande kommt. Die Voraussetzungen dafür sind letztendlich auch durch Repräsentanten dieses Hauses nicht gerade sehr gut, vor allem wenn ich mir auch die Bemerkungen vor Augen führe, die der noch Halb - oder ich weiß nicht wie immer man so etwas bezeichnen soll - ÖVP-Obmann Finz vor wenigen Tagen wieder kundgetan hat, wo er im Bundesrat den abgestuften Bevölkerungsschlüssel in Frage gestellt hat, diesen abgestuften Bevölkerungsschlüssel, der letztendlich ja darauf Rücksicht nimmt, dass gerade auch die Städte sehr viele Aufgaben für ihre Umlandgemeinden erfüllen. Weniger Geld für Wien heißt weniger Geld für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Wenn die ÖVP-Wien das will, dann ist das ihre Sache. Wir, die SPÖ, meine sehr geehrten Damen und Herren, wollen das jedenfalls nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Wie wichtig dieser finanzielle Handlungsspielraum ist, den wir uns in den vergangenen Jahren erarbeitet haben, zeigte sich in den vergangenen Monaten ja sehr deutlich im Bereich der Sozialpolitik. Durch die gestiegene Arbeitslosigkeit in ganz Österreich - und es ist wichtig, darauf hinzuweisen, in ganz Österreich ist die Arbeitslosigkeit gestiegen - haben die Länder und Gemeinden, und das betrifft auch nicht nur Wien, aber Wien natürlich in einem besonderen Ausmaß, als die Träger der Sozialhilfe weit höhere Ausgaben als in den früheren Jahren.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Sie erinnern, unter welchen Voraussetzungen die Budgeterstellung für 2003 erfolgt ist. Das WIFO und auch das IAS haben im Sommer 2002 für 2003 ein reales Wirtschaftswachstum von 2,5 bis 2,8 Prozent und einen Rückgang der Arbeitslosigkeit prognostiziert. Tatsächlich lag das Wirtschaftswachstum nicht zuletzt aufgrund einer desaströsen Wirtschaftspolitik im Vorjahr unter einem Prozent. Die Arbeitslosigkeit in Österreich ist deutlich gestiegen und die Hoffnungen, die hier die beiden großen Institute auf eine Besserung der Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage in Österreich hatten, haben sich nicht

 

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