Gemeinderat,
44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 78 von 121
Mühe gemacht, die vielen langen Subventionslisten, die uns durch den Kulturbericht und durch die Tagesordnungen des Kulturausschusses immer vorliegen, einmal genauer anzuschauen, nämlich auf die Frage hin zu prüfen, was sich eigentlich tatsächlich zwischen der Ära Marboe und der Ära Mailath-Pokorny geändert hat. Das ist nicht uninteressant und eine nicht uninteressante Trennlinie, nicht zuletzt deshalb, weil es, wenn man so will, interessant wäre, einen ideologischen Unterschied feststellen zu können. Man müsste davon ausgehen, dass ein ÖVP-Kulturstadtrat eine andere Politik als ein sozialdemokratischer macht. Davon würde ich einmal ausgehen.
Wenn wir allerdings die Subventionen vergleichen und
uns den schnöden Zahlen hingeben, dann muss man feststellen, dass sich
eigentlich sehr wenig geändert hat. Das finde ich bedauerlich, weil Sie wissen,
mir ist das gesellschaftspolitische Modell der Sozialdemokratie sicherlich
näher als jenes der ÖVP. Daher ist es doch sehr bedauerlich feststellen zu
müssen, dass die Schwerpunktsetzungen fast ident geblieben sind. Wenn ich mich
daran erinnere, dass der Herr Mailath-Pokorny mit wunderschönen Worten vom
Gegenmodell, von den Gegenöffentlichkeiten, von einer Politik der offenen Tür
angetreten ist, was alles wunderbar klang und tatsächlich Erwartungen und
Hoffnungen geweckt hat, dann muss ich jetzt feststellen, wenn man die schnöden
Zahlen vergleicht, gibt es leider nur sehr wenige Unterschiede zur
konservativen Politik seines Vorgängers.
Das ist doch, denke ich, ein Punkt, der uns zu denken
geben sollte, weil wir als GRÜNE keine konservative Kulturpolitik in dieser
Stadt wollen, weil wir nicht wollen, dass die Kulturpolitik von einem
bewahrenden, einem schützenden Element getragen wird, sondern weil wir wollen,
dass fortschrittlich in die Zukunft gedacht wird und dass Zukunftsinvestitionen
im Kulturbereich getätigt werden, und zwar solche, die tatsächlich jene neuen
und interessanten spannenden Kunstformen unterstützen, die tatsächliche
Defizite in dieser Stadt aufzuweisen haben. Da gäbe es genug Bereiche, über die
wir diskutieren müssten, über die wir häufiger diskutieren sollten und die uns
zu denken geben sollten.
Wenn Sie mich jetzt nur ein paar jener Beispiele
nennen lassen, die stellvertretend dafür stehen, dass eine Politik fortgesetzt
worden ist, die schon meine Vorgängerin kritisiert hat, und eine Politik
fortgesetzt worden ist, die ich persönlich für sehr problematisch halte, dann
sollte uns das zu denken geben. Feststeht, wo es Erhöhungen gegeben hat, waren
diese Erhöhungen oftmals in Bereichen, in denen diese Erhöhungen, sagen wir
einmal, parteipolitisch motiviert waren, zum Beispiel dort, wo das
Donauinselfest mehr Geld bekommen hat, wo das Stadtfest mehr Geld bekommen hat,
dort, wo Jubelpostillen mehr Geld bekommen haben, wie die Zeitschrift
"K2", deren Sinn und Zweck mir persönlich immer noch nicht
nachvollziehbar ist, außer dass sie immer wieder schöne bunte Bilder von
Landeshauptleuten und Stadträten druckt, statt dieses Geld, das jährlich
immerhin 182 000 EUR sind, die wir da vergeben, in einen Bereich zu
investieren, in dem wir Defizite haben, nämlich in jenen Bereich der
Auseinandersetzung, der Theorie und des Diskurses.
Es gibt in dieser Stadt eine Institution, die seit
vielen Jahren sehr beständige Arbeit leistet. Das ist das Depot. Auch das Depot
hat eine Erhöhung bekommen, lange nicht ausreichend, aber eine kleine Erhöhung
war drinnen. Aber es kann doch nicht sein, dass der Diskurs, die Theorie und
die Auseinandersetzung in dieser Stadt einzig und allein an einer Institution
festgemacht werden sollen.
Wenn ich Auseinandersetzung meine und davon spreche,
dann denke ich auch an Zeitungen, Zeitschriften, an Publikationen, seien sie
Printmedien oder online. Da hat sich sehr wenig bewegt. Gerade der Bereich der
neuen Medien ist mehr oder weniger ident geblieben, und das zu einem Zeitpunkt,
wo diese Szene in hohem Maße floriert hat. Diese Zeit hat sich auch verändert.
Das Internet ist sicher eine andere Selbstverständlichkeit geworden. Auch im
künstlerischen Kontext hat es einen anderen Stellenwert bekommen, einen
selbstverständlicheren, aber das heißt, dass wir genau dort noch mehr
investieren müssen und nicht genau so viel wie schon 1996.
Es gibt also eine ganze Reihe von Bereichen, in denen
wir Defizite orten. Ein anderer ist sicherlich der Bereich der
Kunstvermittlung. Es ist doch interessant, dass eine der von uns GRÜNEN am
meisten kritisierten kulturpolitischen Entscheidungen, nämlich die so genannte
Neuordnung der Vereinigten Bühnen Wiens immer auch damit argumentiert wird,
dass es sich vor allem beim Bereich Musical um verbreitete Publikumsschichten
handeln würde, dass so viele Menschen in dieser Stadt diesen Bereich so wichtig
und interessant finden würden, das so gerne konsumieren und wir es deshalb noch
mehr fördern müssen.
Wenn das so ist, sehr geehrte Damen und Herren - gehen
wir einmal von der These, die ich persönlich nicht unterstütze, aus -, dass
Musical tatsächlich für eine Einstiegsmöglichkeit für Leute in den
Kulturbereich ist, dann geht man, wenn man einmal im Musical war, das zweite
Mal in eine freie Gruppe oder das dritte Mal schaut man sich Jacques Tati im
Gartenbaukino an. Das halte ich persönlich für eine gewagte These, aber es gibt
Einzelne in der Kulturpolitik, die offensichtlich dieser Theorie anhängen und
damit auch die Musicalerhöhungen legitimieren.
Wenn wir neue Publikumsschichten
erreichen wollen, dann müssen wir, so denke ich, an anderer Stelle ansetzen,
nämlich beim Bereich der Kunstvermittlung, dort, wo man Leuten auch das Spröde,
das Komplizierte, das nicht sehr einfach zu Verstehende nachvollziehbar machen
kann. Es gibt in unserer Stadt eine ganze Reihe von ausgezeichneten
Kunstvermittlungsinitiativen. Nicht zuletzt eine städtische Institution hat
hier Wichtiges geleistet, nämlich die Kunsthalle Wien, die gezeigt hat, wie man
mit Kunstvermittlung auch neue Publikumsschichten erreichen kann. Warum ist es
in einer Stadt, in der es ein Lippenbekenntnis zu breitem Kulturkonsum gibt,
nicht
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