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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 99 von 121

 

Damen und Herren, die im Krankenanstaltenverbund fehlt, bitter fehlt, sei es im Pflegebereich oder sei es in anderen Bereichen, wo die Versorgungsengpässe auf dem Rücken der Patienten und Patientinnen ausgehen.

 

Vielleicht glauben Sie, dass ich jetzt in erster Linie auf den Pflegebereich eingehen werde. Ich tue es nicht, denn dazu werden wir am kommenden Donnerstag noch ausreichend Gelegenheit haben. Aber führen wir uns diese Million Euro vor Augen, die so nebenbei verschwendet wird, und schauen wir uns an, wo sie fehlt.

 

Einer der Skandale des vergangenen Jahres war die miserable Versorgung im Bereich der Dialyse. Europaweit leistet sich Wien als einzige westliche Hauptstadt eine vierte Schicht für die Dialyse und zwingt die Menschen zu nachtschlafender Zeit in die Spitäler, weil nicht genügend Ressourcen, nicht genügend Dialyseplätze, nicht genügend Personal zur Verfügung steht. Frau StRin Pittermann, man weiß, dass hier Defizite sind, man weiß es seit Jahren, man weiß es seit dem Jahr 2002, denn da hat die Gesellschaft für Nephrologie ihre tiefe Sorge um die Behandlungsqualität in Bezug auf die pflegerischen und ärztlichen Mitarbeiter und für die chronisch kranken Patienten ausgedrückt, deren Lebensrhythmus und deren adäquater Behandlungsstandard durch diese nächtliche Dialyse in jeder Hinsicht in Frage gestellt wurde. Man hat dringend um Abhilfe ersucht, und Herr Dr Kaspar, Teilunternehmungsdirektor, hat diese Sorge absolut geteilt – muss er wohl auch als Arzt – und hat geantwortet: Auch ich mache mir große Sorgen um die Versorgung chronisch nierenkranker Patienten in Wien und Umgebung. Wir sind jedoch gezwungen, auf Grund knapper Budgets wirtschaftliche Lösungen zu suchen. – Denken Sie an die Million Euro, die trotzdem hergeschenkt wird, auch wenn anderswo Patienten und Patientinnen zu unmenschlichen Bedingungen behandelt werden.

 

Im Februar 2002 sollte im Wilhelminenspital ebenfalls eine vierte Schicht eingeführt werden, und das Personal hat sich mit Händen und Füßen gewehrt. Das Personal hat auf ausdrückliche Anordnung bestanden, denn es hat gesagt, dass es sowohl für das Personal als auch für die Patienten unzumutbar ist, hier weiter in der Nacht Schichten zu fahren. Wir wissen, dass am 22. Jänner eine Patientin um 23 Uhr in der Nacht in der Dialyse gestorben ist. Das, Frau Stadträtin, sind Konsequenzen und Folgen einer jahrzehntelangen Politik des Verschlafens und Wegschauens, die jetzt auf dem Rücken der Patienten ausgetragen wird.

 

Ich habe die Gesellschaft für Nephrologie um Stellungnahme zu diesen skandalösen Zuständen ersucht, und die haben mir schriftlich unmissverständlich geantwortet, dass sie seit Jahren auf die drohenden Engpässe aufmerksam machen, dass sie wiederholt kritisiert haben, dass terminal niereninsuffiziente Patienten nicht in einer vierten Schicht versorgt werden sollen, aber dass es trotzdem an zwei von sieben Dialysezentren der Fall ist, dass man das nächtens behandelt. Die Nephrologen haben deutlich gemacht, dass das international nicht üblich ist, dass das eine Beeinträchtigung des Biorhythmus, des sozialen Umfeldes und der Lebensqualität der Patienten und Patientinnen ist.

 

Passiert ist seither nichts. Man redet von Containern, die beim Wilhelminenspital aufgebaut werden. Eine schlechte Lösung, aber nicht einmal die ist in Angriff genommen.

 

Frau StRin Pittermann! Der Krankenanstaltenverbund tut entweder, was er will, oder Sie hatten ihn in der Vergangenheit nicht im Griff, denn das ist ein schreiendes Unrecht an den Patienten und Patientinnen, und Sie haben es zu verantworten.

 

Ich bringe jetzt einen Antrag ein, weil ich meine, dass man dem Krankenanstaltenverbund tatsächlich mehr Druck machen müsste. Da sind Sie ja oft sehr deutlich gewesen in Ihren Wortmeldungen, dass offensichtlich im Krankenanstaltenverbund nicht ausreichend das umgesetzt wird, was Sie vielleicht auch selbst politisch gefordert haben. Aber manches, Frau Stadträtin, haben Sie sich selbst bieten lassen, was meiner Meinung nach nicht notwendig gewesen wäre. So war der Krankenanstaltenverbund nie gezwungen, ordentliche Quartalsberichte beizubringen. Man hat den Gesundheitsausschuss und auch Sie, Frau Stadträtin, mit allgemeinen Zahlen, mit undurchdringlichen Globalaufstellungen abgespeist. Man hat die Informationen nicht heruntergebrochen auf einzelne Häuser, geschweige denn Zielvereinbarungen auf den Tisch gelegt, damit man sieht, wo man steht, wo man hinwill und wie man es erreichen möchte.

 

Ich bringe daher einen Beschlussantrag ein, wonach das Unternehmen Krankenanstaltenverbund angewiesen wird, künftig detaillierte Quartalsberichte zu machen, Zielvereinbarungen vorzulegen, Entwicklungspläne zu verdeutlichen und insbesondere darzustellen, mit welchen Maßnahmen eine Deckung von Ausgaben und Einnahmen in einer absehbaren Zeit erreicht wird.

 

In formeller Hinsicht beantrage ich die Zuweisung des Antrages an den Gemeinderatsausschuss für Gesundheit und Soziales.

 

Frau StRin Pittermann! Ich habe gesagt, ich gehe heute einmal nicht auf die Pflegeheimmisere ein, denn wir haben hier schon viel geredet und wir werden weiter reden, eines möchte ich nun doch tun. Ich bringe einen Beschlussantrag ein, der sich auf die vor der Gründung befindliche Teilunternehmung der Pflegeheime bezieht. Wir sind froh, dass der grüne Vorschlag, der exakt vor einem Jahr hier eingebracht und damals von allen Fraktionen abgelehnt wurde, nämlich eine Teilunternehmung für die Pflegeheime einzurichten, nun unter dem Druck der Verhältnisse tatsächlich zur Politik der Stadt geworden ist.

 

Frau Stadträtin! Vielleicht gefällt es Ihnen nicht, aber wir wollen diesem Voranschlag noch eine Konkretisierung durch unseren Beschlussantrag beifügen. Wir wollen, dass diese Teilunternehmung Pflegeheime nicht mit einer medizinischen Führungsposition besetzt wird. Wir wollen nämlich, dass man wegkommt von der übermedikamentalisierten Pflege in den Pflegeheimen, und wenn ein Arzt oder eine Ärztin die Teilunternehmung leitet, dann wird diese Philosophie der spitalsähnlichen

 

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