Gemeinderat,
44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 100 von 121
Versorgung, der primär medizinischen Versorgung auch handlungsleitend sein. Wir meinen, ein Paradigmenwechsel in dieser Politik sollte sich auch dadurch verdeutlichen, dass andere Berufsgruppen, die für Lebensqualität, für mehr Wohnqualität, für mehr Betreuungsqualität im Sinn der Pflege und der sozialen Betreuung der Bewohner und Bewohnerinnen stehen, zum Einsatz kommen. Also stellen wir den Beschlussantrag:
"Die Leitung der TU°4 möge nicht in die Hände
einer Ärztin/eines Arztes gelegt werden, sondern die Ausschreibung ist so zu
gestalten, dass sich Personen bewerben, deren Quellenberuf und Zusatz- und
Ausbildung die Verwirklichung der neuen Zielsetzung der Wiener Pflegeheime
ermöglicht."
Auch dieser Antrag soll an den Gesundheitsausschuss
zugewiesen werden.
Frau StRin Pittermann! Ich habe von der Million
gesprochen, die einzusparen wäre. Ich habe noch eine Idee, was man mit der
Million tun könnte, die man hier einfach so hinaushaut, weil man sich nicht
dagegen wehrt, dass Leute etwas verdienen an Präparaten, obwohl es billigere
geben könnte und das wissenschaftlich erwiesen ist, weil der
Krankenanstaltenverbund offensichtlich nicht gezwungen ist, das zu tun. Ich
nehme jetzt ein Beispiel, das zugegebenermaßen außerhalb des
Krankenanstaltenverbundes ist, aber auch dort sollen wir hinschauen, nämlich in
den extramuralen Bereich, in die Prävention.
Frau StRin Pittermann! Quasi als Abschiedsgeschenk
wird jetzt am 1. Juli die letzte Familienplanungsstelle der Stadt Wien im
Karl-Marx-Hof zugesperrt. Sie wird zugesperrt, und es wird wahrscheinlich keine
Pressekonferenz geben, wie das normalerweise bei Eröffnungen der Fall ist, sie
wird dichtgemacht.
Frau StRin Pittermann! Eine Million Euro würde diese
Familienplanungsstelle weit bringen. Davon könnte sie noch lange leben. Ich sage
Ihnen, für die, die sich nicht so auskennen, was in so einer
Familienplanungsstelle, in dieser allerletzten, so passiert: Dort werden
kostenlos Schwangerschaftstests durchgeführt. Dort wird kostenlos
Verhütungsberatung angeboten und vermittelt. Dort werden kostenlos
Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gemacht. Dort wird das gesetzlich
vorgeschriebene Beratungsgespräch für Frauen, die einen Abbruch in einem der
städtischen Spitäler vornehmen lassen wollen, durchgeführt, und es wird die
notwendige Bestätigung ausgestellt. Es werden Frauen beraten, die keine
Versicherung, keine Papiere und keinen Meldenachweis haben. Für finanziell
schlechtgestellte Frauen werden kostengünstige Abbrüche vermittelt. Die Frauen,
die schwanger und minderjährig sind, werden weiterverwiesen an die
Institutionen, die ihnen helfen, First Love zum Beispiel. Und es gibt eine
Kostenübernahme durch die MA 15A für alle die, die sich Abtreibungen
überhaupt nicht leisten können.
Wir machen diese Institution dicht, weil wir sie uns
nicht leisten wollen. ExpertInnen, die in diesem Bereich arbeiten, sagen mir
voraus, dass sich jetzt – Frau Stadträtin, jetzt komme ich auf ein Thema, über
das wir hier schon trefflich gestritten haben – die Zahlen der anonymen
Geburten erhöhen werden. Denn wo sollen die Frauen hingehen, denen nicht
präventiv geholfen wurde, denen nicht Verhütung ermöglicht wurde, denen nicht
geholfen wurde, wenn sie nicht wussten, wie und wo sie einen Abbruch machen
lassen können, wenn Frauen ohne Meldezettel kommen und sich nicht in die
Spitäler trauen, weil sie dort einen brauchen?
Die ExpertInnen, die mit diesem Thema arbeiten, sehen
jetzt einen Anstieg an anonymen Geburten auf uns zukommen. Sie, Frau
Stadträtin, haben immer gesagt, die anonyme Geburt ist die Ultima Ratio, wenn
alle anderen Hilfsangebote nicht mehr greifen, aber sozusagen zum Schluss Ihrer
Amtszeit drehen Sie diesen Frauen die notwendigen Beratungsmöglichkeiten in
diesen präventiven, vorkehrenden Institutionen ab. Sie drehen sie ab, weil Sie
sich nicht mehr leisten wollen, diese Institution weiterzuführen.
Das, Frau Stadträtin, ist der Skandal an der
Ermöglichung der anonymen Geburt: Zuerst schaffen wir verzweifelte Frauen, die
nicht mehr wissen, wohin sie sich wenden sollen, um dann zu sagen, wir retten
sie durch anonyme Geburten. Das ist zynische Politik, die menschenunwürdig ist.
Wesentlich wichtiger wäre, diese Institutionen zu fördern, die Frauen in
höchster Not – und nur von denen wollen wir alle immer reden – wirklich helfen.
Sie tun es nicht. Sie sparen am falschen Ende. Hier wäre Ihre Million, die Sie
durch Röntgenkontrastmittel so lächerlich verschwenden, wohl gut eingesetzt.
Frau StRin Pittermann! Ein letztes Wort zur anonymen
Geburt. Sie erinnern sich vielleicht an meine sehr massiven Einwände, was es
heißt, wenn man den Erlass des Justizministeriums nicht ernst nimmt und Frauen
nicht darauf hinweist, dass die anonyme Geburt kein Recht, sondern nur ein
Ausweg in höchster Not ist. Und darüber haben wir gerade geredet, dass man den
offensichtlich ganz unbedarft herstellen kann.
Aber Ihre eigenen BeamtInnen, Frau StRin Pittermann,
warnen mittlerweile. Mir liegt ein Schreiben der MA 11 vor, und weil es so
wichtig ist, muss ich Ihnen einfach die wichtigsten Passagen daraus vorlesen.
Es gibt nämlich – ich sage das für die, die sich mit dem Thema nicht so
beschäftigt haben – eine Dienstanweisung des Krankenanstaltenverbundes, die im
Gegensatz zum Justizministerium sagt: Anonyme Geburt liegt auf alle Fälle
berechtigt dann vor, wenn eine Frau den Wunsch danach äußert. Dann muss nicht
zwingend beraten werden, sondern allein die Äußerung des Wunsches legitimiert
die anonyme Geburt. – So die Dienstanweisung des Krankenanstaltenverbundes.
Jetzt, Frau StRin Pittermann, warnen Ihre eigenen
BeamtInnen eindringlich vor dieser Vorgangsweise und schreiben an den
Generaldirektor Hauke – und vielleicht sollten Sie sich den Brief vorlegen
lassen –:
"Auch für viele betroffene
Mitarbeiter des Krankenanstaltenverbundes ist die Dienstanweisung des KAV vom
1.10.2001, wonach es für die Einstufung als Notsituation ausreiche, dass die
Frau in der Krankenanstalt ihren Wunsch nach einer anonymen Geburt äußere, aus
Sicht
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