Gemeinderat,
48. Sitzung vom 08.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 45
Und insofern, glaube ich, lohnt es, sich auch die Kritik im Detail anzuschauen, die gerade in den letzten Tagen und Wochen auch in den Medien zu finden war. Also, was hat es da alles geheißen? Ich zitiere:
Dort sprach man von einem “ablehnungswürdigen
Abwälzen der Versäumnisse auf den Rücken der Kranken und sozial Schwachen.“
Weiters: „Man soll nicht auf Kosten der Kranken und Alten Budgetlöcher
stopfen.“ Außerdem: „Wir werden einer weiteren Belastung der kranken Menschen
nicht zustimmen.“ Und: „Die Vorschläge widersprechen sozialdemokratischen
Grundsätzen.“
Danach Rieder: „Diese Maßnahmen treffen die Seele der
Sozialdemokraten mitten ins Herz, unsozialer Kurs, soziale Schieflage“, dann
„unsoziales neues Belastungspaket, eine höhere Rezeptgebühr und eine Anhebung
des Spitalskostenbeitrages belasten in erster Linie Pensionisten, Kranke und
sozial Schwächere.“ Ja, übrigens kann ich dem auch sehr stark beipflichten.
Schließlich: „Mit der Gesundheit der Menschen soll man keine politischen
Spielchen machen.“ Letzteres Zitat stammt sogar von unserem Herrn Bürgermeister
selbst, alle vorangegangenen Zitate stammen von hohen Vertreterinnen und
Vertretern der SPÖ auf Bundesebene.
Und ich hätte hier übrigens auch ältere Zitate von
Ihnen selbst aus früheren Jahren. Zum Beispiel von Klubobmann Oxonitsch, der
zwar zunächst einmal gefunden hat: „Da gibt es nichts schlechtzureden an diesem
Paket“, als es unmittelbar der Öffentlichkeit präsentiert wurde, der aber zum
Beispiel im Jahre 2000 im Zusammenhang mit der Erhöhung der Rezeptgebühr
von einer Geißelung kranker Menschen gesprochen hat, und so weiter.
Da gibt es Wortmeldungen von Ihnen mit noch und nöcher,
was Sie nicht alles selbst auszusetzen hatten in vergangenen Jahren, wann immer
es darum ging, dass die Rezeptgebühr erhöht wird, dass Spitalskostenbeiträge
erhöht werden, dass Belastungen allgemein eingeführt werden, die eben die
gesamte Bevölkerung gleichermaßen treffen und zwar unabhängig davon, ob sich
die Menschen das leisten können oder nicht.
Auf einmal, wie gesagt, ist es dann doch offenbar
möglich, das alles zu vergessen und, ja, einem Patienten die Zustimmung zu
etwas zu geben, das genau das alles bewirkt. Und so stellt sich nun die Frage,
was haben Sie sich dabei gedacht. Ja, was haben Sie sich dabei gedacht,
herzugehen nach all diesen großen Wortmeldungen und kehr um die Hand, wirklich
kehr um die Hand, genau das alles mit zu beschließen?
Aber das ist ja noch nicht das einzige, was es hier
sozusagen zu diskutieren und zu bekritteln gibt. Es gibt ja auch noch eine
zweite Komponente. Ja, wir wissen alle, dass das Gesundheitssystem größere
Finanzierungslücken aufweist. Und ja, wir wissen alle, dass man hier durchaus
überlegen muss in den nächsten Jahren, was denn zu tun ist - nun, eigentlich
nicht in den nächsten Jahren, sondern lieber gestern als heute -, um diese
Finanzierungslücken auch nachhaltig zu schließen. Und ist es nicht so, dass
wenn man einen Blick wirft in Ihr eigenes Programm, ganz ganz andere Lösungen
darin enthalten sind? Schauen wir doch ins Programm der SPÖ, oder wenn man sich
besinnt, blicken wir auf den letzten Wahlkampf, den es auf Bundesebene gegeben
hat: Hat es da nicht geheißen, dass es einerseits Strukturreformen bedarf und
dass es andererseits, wenn man schon etwas erhöhen muss Hand in Hand mit den
Strukturreformen, dann die Höchstbeitragsgrundlage und nicht allgemein die
Beitragssätze, was ja durchaus die gesamte Bevölkerung belastet, was ja gerade
die Schwächsten am stärksten belastet und was bekanntlich am allerwenigsten
nachhaltig ist. Nun, und wieso haben Sie das vergessen, gerade in dem Moment,
wo es darum ging, die Zustimmung zu geben zu einen solchen Paket oder nicht?
Und wo bleibt die Debatte über die Strukturreformen,
die es schon in Wien geben kann? Und hat es oder hat es nicht in den letzten
Jahren eine Vielzahl von Debatten gegeben über die Einsparungspotentiale, die
es in Wien sehr wohl gibt, im eigenen Wirkungsbereich, im Bereich des KAV?
Wie kann es sein, dass Sie verabsäumen, absolut eine
Reihe von dringend notwendigen und uns allen seit Jahren bekannten Reformen
anzugehen. Und wenn es darum geht, das Geld zu beschaffen, was ja fehlt, greift
man dann auf das, was halt am gemütlichsten ist, man greift auf das zurück, was
irgendwie am leichtesten geht, man einigt sich halt zu Lasten Dritter, man
belastet halt noch einmal erneut die Bevölkerung. Und das nennt man dann den
anderen Weg Wiens, das ja angeblich so anders ist als die schwarz-blaue
Belastungsregierung.
Also fassen wir jetzt zusammen: Sie haben
neuen Belastungen zugestimmt, Sie haben noch dazu einer allgemeinen
Anhebung der Versicherungsbeiträge zugestimmt und Sie haben es verabsäumt,
parallel dazu dringend notwendige und schon seit längerem bekannte
Strukturreformen im eigenen Wirkungsbereich, im Gesundheitssektor der Stadt
Wien, irgendwie anzugehen.
Aber, es ist noch nicht allein diese Komponente, die
das Ergebnis des Finanzausgleichs der Agenturen macht, es bleibt auch noch zu
diskutieren darüber, was dieses Ergebnis, das Sie jetzt erzielt haben, auch im
engeren Sinne für die Stadt Wien bedeutet. Haben Sie gut verhandelt, haben Sie
für die Stadt etwas Gutes erreicht?
Und hier gibt es eine Vielzahl von
Beispielen, die belegen, dass Sie auch noch obendrein schlecht gehandelt haben.
Mein Kollege GR Martin Margulies kommt ja auch noch zu Wort und wird auch eher
darauf eingehen. Ich möchte hier nur einen einzigen Bereich herausgreifen, nicht
nur weil er mir besonders am Herzen liegt, sondern weil wir darüber so viel und
wirklich detailliert diskutiert haben in den letzten Jahren: Also, die
fehlenden Lehrerinnen in Wiens Pflichtschulen. Wir wissen, dass seit dem
Jahr 2000, also infolge des vergangenen Finanzausgleichs, mehr als
1000 Lehrerinnen und Lehrer inzwischen fehlen und wir haben ausführlich
darüber diskutiert, was es eigentlich für Wiens Schulen bedeutet, dass
Integrationsmaßnahmen gefährdet sind, wie gerade
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