Gemeinderat,
48. Sitzung vom 08.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 45
Situation,
die sich hier vor uns aufbaut!
Wenn man
nun die 20 Prozent, die die Schule verlassen und kaum lesen können,
zusammenliest mit den Kürzungen in der Schule und noch einmal zusammenliest mit
den Kürzungen im Bereich des Jugendamtes, dann verschärft sich diese
katastrophale Situation noch einmal. Wir werden in der Budgetsitzung über die
Kürzungen im Jugendamt sprechen, deswegen führe ich sie jetzt nur global an.
Aber auch hier ist anzumerken, dass sich die Situation für die
einkommensschwächsten Familien und für die ärmsten Kinder dramatisch verschärft
und weiter verschärfen wird.
Was ich
Ihnen nicht ersparen möchte, ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass es in
Wien ein Projekt gab, das Interkulturelle Lernprojekt, an dem sehr, sehr viele
MigrantInnenkinder teilgenommen haben, das unter der Schirmherrschaft von StRin
Laska bereits im Schuljahr 1996 abgedreht wurde und für das nie ein Ersatz
gefunden wurde. Man hat damals die Kinder der Migrantinnen und Migranten im
Stich gelassen, man hat keinen Ersatz dafür geschaffen, dass das
Interkulturelle Lernprojekt mit genau diesen Kindern die Hausübungen gemacht
hat, sie, schulisch betrachtet, dort abgeholt hat, wo sie gestanden sind, und
ihnen geholfen hat, mit vielen verschiedenen Fördermaßnahmen mehrsprachig
geholfen hat, einen Anschluss zu finden. Sie sind damals von in- und
ausländischen Experten gewarnt worden, dass es schlecht ist, dieses Projekt
abzudrehen, und dass es falsch ist - Sie haben es trotzdem gemacht.
Meine
Damen und Herren von der Wiener SPÖ! Sie können noch so oft sagen, dass der Bund
schuld ist, es wird dadurch nicht richtiger. Sie sind zum einen mit schuld,
über den Finanzausgleich und die Reduktionen, und zum anderen selbst und ganz
alleine schuld, indem Sie Projekte wie das Interkulturelle Lernprojekt einfach
abdrehen, indem Sie bei den Ressourcen und Mitteln des Jugendamtes kürzen und
indem Sie auf die Einkommensschwächsten keine Rücksicht nehmen.
Es kann
also keine Rede davon sein, dass Wien ein Gegenmodell zum Bund ist. Es kann
keine Rede davon sein, dass nur der Bund soziale Kälte verströmt und Wien die
herzliche rote Wärme darstellt. Wien ist kein Gegenmodell, sondern Wien ist im
Grunde genommen nichts anderes als ein einfacher Abklatsch, eine Kopie des
Bundes in der ganzen Welt der Kürzungen im Bereich des Sozialen und im Bereich
der Bildung.
Es hat
sich mein Vorredner, Herr Wagner, bei den GRÜNEN, bei der ÖVP und bei der FPÖ
manchmal gefragt: Ja reden die überhaupt miteinander, die GRÜNEN im Bund und
die GRÜNEN in Wien, die ÖVP im Bund und in Wien und so weiter? - Ich frage mich
das auch bei der SPÖ. Das Debakel um den Finanzausgleich war ein gutes Beispiel
für diese Fragestellung: Na, reden die überhaupt miteinander?
Aber das
Bildungsprogramm der SPÖ schlägt dem Fass den Boden aus, denn im
Bildungsprogramm der SPÖ finden sich alle Forderungen der GRÜNEN, die wir in
den letzten Jahren hier erhoben haben, wieder. Wenn Herr Klubobmann Oxonitsch
meint, meine Forderung "1 000 Lehrer mehr für die
Integration!" oder meine Forderung "Alle 1 400 Lehrer
wieder her, die weggekürzt wurden!", das wäre so eine Geschichte wie die
"Muppet Show", dann kann ich Ihnen nur sagen, dass sich die
Abgeordneten Vassilakou, Margulies und Jerusalem in dieser "Muppet
Show" in der allerbesten sozialdemokratischen Gesellschaft befinden. Dort
sitzt nämlich schon Herr Nekula, dort sitzen aber auch der SPÖ-Wissenschaftssprecher
Josef Broukal und der SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser! Da sind wir ja
in der besten Gesellschaft, wenn wir mehr für die Bildung fordern.
Ich möchte
Ihnen gerne, da ja einige von Ihnen am 29. und 30. November 2004 beim
SPÖ-Bundesparteitag die große Freude haben werden, dieses SPÖ-Bildungsprogramm
zu verabschieden, schon heute einige Passagen daraus anbieten. Dort werden Sie
nämlich dann sehr wohl die Hand heben, während Sie beim GRÜNEN-Antrag im
Gemeinderat vor sich hinschweigen und die Hand nicht heben.
Sie werden
daher die Hand heben, um Folgendes zu unterstützen: „Jedem Kind muss unabhängig
von seiner subjektiv eingeschätzten Begabung und seinem sozialen Hintergrund die
bestmögliche individuelle Lern- und Entwicklungsförderung zugestanden
werden." - Ja, genau so ist es! Sie werden aufzeigen und trotzdem in Wien
alles dazu tun, dass genau diese individuelle Lern- und Entwicklungsförderung nicht
möglich ist. Dort, wo Sie in der Opposition sitzen, werden Sie die Hand heben,
und hier, wo Sie die Möglichkeit hätten, Budgetmittel zur Verfügung zu stellen,
um das individuelle Lernen möglich zu machen, hier schweigen Sie und rücken die
Geldmittel nicht heraus.
„Allen Kindern sollen die gleichen Chancen und
Möglichkeiten geboten werden." - In Wien gibt es diese Chancengleichheit
nicht, in Wien ist von einer Chancengerechtigkeit nicht die Spur!
Sie sprechen davon, dass die Arbeitsbedingungen der
LehrerInnen verbessert werden müssen. In Wien werden ganz im Gegensatz dazu die
Arbeitsbedingungen der Lehrerinnen und Lehrer systematisch verschlechtert, die
Menschen in diesem Beruf werden systematisch demotiviert. Auch da, kann man nur
sagen, sieht es wirklich sehr, sehr schlecht aus!
Hier wird angemerkt, und das ist ganz richtig, denn
auch das ist ja der PISA-Studie entnommen: „Soziale Herkunftsunterschiede
schlagen sich in kaum einem anderen Land so deutlich in den Bildungsabschlüssen
nieder wie in Österreich." - Stimmt! Und die Wiener Sozialdemokraten tun
alles dazu, dass diese sozialen Herkunftsunterschiede sich auch in Hinkunft bei
den Bildungsabschlüssen total niederschlagen werden. Sie sind kein Gegenmodell
- leider! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Was mir bei Ihrem
SP-Bildungsprogramm auch ins Auge gesprungen ist: Da steht, die
Klassenschülerzahlen sollen gesenkt werden. Das ist genau das, was ich seit
Jahren sage: Die Klassenschülerzahlen müssen gesenkt werden. - Was tun Sie in
Wien? Die Klassenschülerzahlen steigen, steigen, steigen, hier ist sogar von
einer Höchstzahl von 25 SchülerInnen ganz konkret die Rede.
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