Gemeinderat,
48. Sitzung vom 08.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 45
Meine Damen und Herren! Es zeigt sich das wahre Gewissen einer Stadt, so meine ich, auch im Umgang mit den eigenen Bediensteten. Das wahre soziale Gewissen einer Stadt zeigt sich darin, wie mit den sozialen Rechten dieser Bediensteten konkret umgegangen wird. Ich frage mich daher auch bei dieser Debatte über die Belastungspolitik in Wien, in dieser Stadt: Wie weit muss es mit diesem sozialen Gewissen eigentlich bereits sein, wenn man den Bediensteten unserer WIENER LINIEN genau diese sozialen Rechte von einem Tag auf den anderen wegnimmt?
Und ich frage mich: Was ist das für ein
Bürgermeister, der nach 10°Jahren Amtszeit zur Kenntnis nimmt, dass bei seinen
eigenen Bediensteten Sozialabbau betrieben wird?
Und, Herr Vizebürgermeister, ich frage auch Sie: Was
ist das für eine Politik, die in Wien zulässt, dass heute bei unseren eigenen
Bediensteten stärker Sozialabbau betrieben wird, konkret bei den WIENER LINIEN,
als dies selbst etwa bei multinationalen Konzernen der Fall ist?
Und was ist das für eine Gewerkschaft in dieser Stadt
– der Kollege Hundstorfer ist ja leider nicht da –, was ist das für eine
Gewerkschaft, die all dies zulässt, nur weil der Bürgermeister das gleiche
Parteibuch hat wie sie selbst, nämlich die Gewerkschaft, ein rotes, nämlich ein
sozialistisches Parteibuch?
Und, meine Damen und Herren, Herr Vizebürgermeister,
diese neue Dienstvorschrift der WIENER LINIEN bringt die Bediensteten um die
sozialen Rechte, die sie sich in Jahrzehnten mühsam erkämpft haben. Und diese
neue Dienstvorschrift – und mir ist klar, dass Sie das nicht gerne hören –,
aber diese neue Dienstvorschrift bringt Gehaltseinbußen von 70 EUR pro
Monat, das sind in guten alten Schilling gerechnet 1 000 ATS pro
Monat.
Herr Kollege Hundstorfer, um Sie noch einmal
anzusprechen: Beim fahrenden Personal bei den WIENER LINIEN, bei den
Buschauffeuren, bei den U-Bahn-Fahrern gibt es Gehaltseinbußen von 70 EUR
im Monat durch diese neue Dienstvorschrift.
Und ich frage mich: Was ist das für ein
Bürgermeister, der zur Feier seines Amtsjubiläums diesen Sozialabbau zulässt?
Und, Herr Kollege Hundstorfer, es ist ja nicht so,
dass die Bediensteten weniger arbeiten müssten durch diese Gehaltseinbußen. Es
ist im Gegenteil sogar so, dass die Bediensteten der WIENER LINIEN mehr
arbeiten müssen durch diese Gehaltseinbußen. Es beträgt die Dienstzeit nach
diesen Vorschriften, nach den neuen Vorschriften vier Stunden, vier Stunden, in
denen das fahrende Personal nicht einmal mehr seine notdürftigsten Geschäfte
verrichten kann. (GR Rudolf Hundstorfer: Geh, geh!)
Und, Herr Kollege Hundstorfer, ich frage daher auch
Sie: Was ist das eigentlich für eine Gewerkschaft, die zulässt, dass diese
Dienstreform auf Kosten der Gesundheit der Bediensteten geht? Und im
Krankheitsfall ist es noch viel schlimmer. Im Krankheitsfall drohen
Gehaltseinbußen bis zu einem Drittel, Gehaltseinbußen von 500 EUR auf
Grund dieses neuen Zulagenschemas. Und wenn ein Bediensteter krank wird und
einen Kredit laufen hat, dann kann er in diesem Monat seiner Krankheit nicht
einmal mehr seine Monatsrate bei der Bank zurückzahlen. Und ein Bediensteter,
der eine Familie zu erhalten hat, Herr Kollege Hundstorfer, kann daher nicht
einmal mehr krank werden.
Und ich frage mich daher hier: Was ist das für ein
Bürgermeister, und vor allem auch, was ist das für eine Gewerkschaft, die ihren
eigenen Bediensteten nicht einmal mehr erlaubt, krank zu werden, wenn dies der
Fall ist?
Und, Herr Kollege Hundstorfer, es gehen nicht einmal
multinationale Konzerne auf diese Art und Weise mit ihren Bediensteten um.
Heute werden selbst bei Konzernen andere Wege, menschlichere Wege der Sanierung
beschritten. Und es wären die Bediensteten der WIENER LINIEN, es wäre das
fahrende Personal froh, wenn etwa jene Vereinbarungen, die die Gewerkschaft bei
Volkswagen in Deutschland ausgehandelt hat, auch für unsere WIENER LINIEN
gelten würden. Man hat dort menschlichere Wege durchgesetzt, und ich frage
mich: Was ist das für eine Gewerkschaft, die bei uns in Wien diesen Sozialabbau
zulässt?
Und, meine Damen und Herren, man hat bei Volkswagen
etwa in Deutschland auch bei den Managern begonnen. Es hat dort die
Gewerkschaft durchgesetzt, dass man oben bei den Managergehältern zu sparen
begonnen hat. Und ich frage mich: Was ist das für eine Gewerkschaft, und was
ist das auch für ein Bürgermeister, der in Wien diesen Sozialabbau zulässt und
wo nicht einmal im Traum daran gedacht wird, oben zu sparen, bei den Managern
zu sparen, bevor bei den Bediensteten mit dem Sparen begonnen wird?
Und, Herr Kollege Hundstorfer, mir ist schon klar,
dass Ihnen diese Debatte nicht angenehm ist. Und ich habe bewusst heute diese
Debatte zur Belastungspolitik, zur Belastungspolitik auch der Stadt Wien, zum
Anlass genommen, nämlich die nächstmögliche Sitzung zum Anlass genommen, um
diese ungeheuerlichen Vorgangsweisen bei den WIENER LINIEN hier in diesem Haus
aufzuzeigen. Und ich kann mir schon die Reaktion der Sozialdemokratie in diesem
Haus vorstellen. Die Reaktion wird lauten: Die Bundesregierung ist schuld!
Aber, Herr Hundstorfer und meine Damen und Herren,
Herr Vizebürgermeister: Unterschätzen Sie die Menschen in dieser Stadt nicht.
Die Menschen können sehr wohl unterscheiden. (GR Christian Oxonitsch: Das
wird euer Problem werden!) Und ich fordere Sie daher auf: Bekennen Sie sich
auch in diesem Fall zu Ihrer eigenen politischen Verantwortung! Bekennen Sie
sich auch in diesem Fall zu Ihrer eigenen politischen Verantwortung und nehmen
Sie diesen Sozialabbau bei den WIENER LINIEN zurück! (Beifall bei der FPÖ. –
GR Harry Kopietz: Wenn Sie das ernst meinen, fordern Sie Neuwahlen, Herr
Kollege!)
Vorsitzende GRin Mag Heidemarie Unterreiner:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr GR
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