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Gemeinderat, 49. Sitzung vom 23.11.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 88

 

ändern. Es stimmt, wir haben uns einmal zusammengesetzt, eine Enquete gehabt und darüber diskutiert, aber es wurde nie geändert und Gelder sind damals weitergeflossen. Deswegen finde ich es eigentlich nicht in Ordnung, dass Sie sich jetzt hinstellen und es zum Schwerpunkt Ihrer politischen Aufgaben machen. Wir haben auch damals immer wieder sehr enttäuscht zu Marboe gesagt, endlich wäre es Zeit, eine Wende herbeizuführen, aber in seiner Ära wurde dies nicht gemacht. Also nicht einmal die, wie soll ich sagen, vollkommen notwendigen Dinge der Kontrolle und Transparenz sind gewahrt.

 

Herr StR Mailath-Pokorny, man sagt immer wieder, dass Sie mutig sind, dass Sie Schritte unternehmen. In einigen Dingen tun Sie das auch. Wir sagen das auch immer wieder, wie zum Beispiel beim Theater an der Wien. Aber Sie haben hier einen wichtigen Schritt versäumt. Sie hätten damals auch überlegen müssen, was Sie jetzt eigentlich mit den Musicals machen. Das heißt, jahrelang wurden Gelder hineingesteckt und noch dazu hat man das Theater an der Wien nur für Musicals verwendet. Man hat das damals sozusagen gar nicht als ein klassisches Musiktheater genützt und das war eigentlich eine verfehlte Kulturpolitik.

 

Jetzt kommt noch die Problematik dazu, das haben meine Vorredner schon gesagt, dass just zu diesem Zeitpunkt, wo wirklich sehr viele Gelder verschwendet werden, auch noch das Ronacher umgebaut werden soll. Wir alle wissen, man hat sogar 47 Millionen EUR Schulden aufnehmen müssen. Das heißt, man hat einen Kredit aufnehmen müssen, es hat sich die Stadt Wien auf 15 Jahre hinaus verschuldet und dann wusste man zu diesem Zeitpunkt, als man das gemacht hat, nicht einmal, ob die Zukunft der Musicals eine sehr erfolgreiche sein wird.

 

Es gibt keine Bedarfserhebung. Das heißt, man hat es nicht einmal der Mühe wert gefunden herauszufinden, wie sich die Situation in Wien entwickeln wird.

 

Es gibt nicht einmal ein Musicalkonzept. Es wurde zwar eine Intendantin eingesetzt. Sie steht auf der Gehaltsliste der Vereinigten Bühnen, genauso wie übrigens Marboe, der als Intendant der Mozartfestwochen auch auf der Gehaltsliste der Vereinigten Bühnen ist. Sie war beauftragt, ein Konzept zu entwickeln, aber wir kennen das Konzept nicht. Sie hat zwar einige Pressekonferenzen gegeben, in denen sie erzählt hat, wie sie sich das vorstellt, was unglaubliches Erstaunen und auch Empörung in der Kulturwelt ausgelöst hat, Holender nannte es sogar "eine kulturpolitische Ungeheuerlichkeit", aber in Wirklichkeit weiß keiner von uns, was in den nächsten Jahren geschehen soll. Obwohl das hier niemand weiß, sollen noch zusätzlich Gelder in den Umbau des Ronacher hineingestopft werden.

 

Herr StR Mailath-Pokorny, ich habe sogar den Eindruck, als ob auch Sie nicht mehr genau wüssten, ob das jetzt die zweite große Musicalbühne wird. Manchmal sagen Sie das in Ihren Aussagen, aber manchmal sagen Sie auch, und das haben Sie erst jüngst in der "Presse" in einem Interview, das ich am Dienstag, dem 16. November las, gesagt, es soll eine Experimentierbühne werden und man kann dort urbanes Unterhaltungstheater ausprobieren. Wenn jetzt das Ronacher Ihrer Meinung nach ein urbanes Unterhaltungstheater werden soll, wo man Dinge ausprobieren kann, in Ordnung. Aber warum muss ich das dann um so viel Geld umwandeln? Warum muss ich dann eine riesengroße Probebühne machen? Warum muss ich die ganze Dachlandschaft heben? Warum muss ich wirklich so viel Geld in ein Theater hineinstopfen, wo man nicht einmal weiß, wozu es dienen wird? Unserer Meinung nach ist es ein schwerer Fehler, zu diesem Zeitpunkt so viel Steuergelder in das Musical zu pumpen! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Das heißt, wir lehnen Geldverschwendung anstatt sinnvoller Förderung ab! Wir finden es falsch, Schulden zu einem Zeitpunkt, wo man noch gar nicht weiß, was man mit diesem Theater vorhat, zu machen.

 

Ich greife jetzt ein bisschen vor. Ich komme später noch zum Schwerpunkt der Bildung. Ich hätte es zum Beispiel gar nicht so schlecht gefunden, wenn man auch einmal einen Kredit aufgenommen hätte, um die Jugend zu fördern. Das wäre wirklich etwas Zukünftiges gewesen. Marie Ringler, Sie sprechen immer von der Zukunft. Ich nehme an, dass Sie, so wie wir, die Bildung der Jugend als etwas Zukunftsorientiertes sehen. Das wäre unserer Meinung nach gut investiertes Geld, wenn ich Geld in die Ausbildung der Jugend stecke. Da hätte ich es auch nicht so tragisch gefunden, dass ich vielleicht auch einmal Geld aufnehme, wenn - ich komme später noch auf die Musikerziehung zurück - es zu wenig Musikschulplätze gibt. Es ist hier ein ganz großes Defizit. Da hätte man sich trauen können, Gelder eventuell auch aufzunehmen und die notwendigen Musikschulplätze zu installieren.

 

Ein zweiter Schwerpunkt: Wir haben Ihnen Quantität statt Qualität vorgeworfen, Beispiel Festwochen. Jährlich werden Gelder in die Festwochen gepumpt. Irgendwann einmal im Frühjahr gibt es mehr vom Gleichen, das sind dann die Festwochen. Die heben sich aber von den übrigen Darbietungen im Theaterbereich nicht ab. Nichts an ihnen ist festlich, nicht einmal mehr die Eröffnung. Sogar die Grünen haben das letztes Mal so definiert. Es ist ein weiterer Event am Rathausplatz. Wir haben ein Mischmasch willkürlicher Ansammlungen von bereits mittelmäßigen Darbietungen.

 

Es ist immer dasselbe, immer wieder, wenn es Klassiker gibt, sind es dieselben Klassiker, wo verschiedene Regisseure zeigen, dass einer besser als der andere die Klassiker zertrümmern, zerstückeln, umschreiben, verfälschen kann. Ein Zitat: „Die Klassiker sind überhaupt so etwas wie Rohstoff geworden, mit denen man nach Belieben verfahren kann." Das sagte Barbara Petsch einmal. Das ist so, wie wenn ich in eine Mozartoper gehe und der Dirigent oder der Regisseur dirigiert sie ein bisschen anders oder schreibt sie um. Das ist eine Unart geworden. Ich meine, einen Klassiker kann ich doch ganz einfach so aufführen, wie ihn der Dichter geschrieben hat. Ich finde, in dieser Hinsicht hat sich das Theater in Wien, aber nicht nur in Wien, es ist auch in Deutschland so, auf einen Weg hinentwickelt, den ein Teil des

 

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