Gemeinderat,
49. Sitzung vom 23.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 56 von 88
ist. Weil Leute, die nicht der Günther Barnet sind
und der – unter Anführungszeichen – "rechtsliberalen" FPÖ zugeordnet
werden, in Österreich das sagen, sondern weil das ... (GR Dr
Kurt Stürzenbecher: Hast du "liberal" gesagt?) Ja, ich fühle mich
als Rechtsliberaler. Kurti, Ich fühle mich als traditioneller Rechtsliberaler
im Sinne des österreichischen Liberalismus von 1848. Und dafür stehe ich auch
ein und das werde ich auch sagen, selbst wenn es dich zu Spott hinreißt. Es
macht mir nichts. Ich halte das aus, wie liberale Menschen das immer aushalten,
weil sie tolerant sind. (Neuerlicher
Zwischenruf des GR Dr Kurt Stürzenbecher.)
Aber zurückkommend auf die Frage, warum das nicht nur
ich sage, sondern andere auch. Man braucht sich nur ein bisschen die
Berichterstattung der letzten Wochen anzuschauen. Zum Beispiel Otto Schily,
deutscher Innenminister, kein Rechtsextremist, das kann man wirklich nicht
sagen. Ich mache das sonst nicht mit der Zitiererei von anderen Leuten, denn
das gehört sich nicht, man sollte als Politiker selber eine Meinung haben. Aber
in dem Fall tue ich jetzt einmal, um zu zeigen, das bin nicht nur ich, da stehe
nicht nur ich. Was sagt der Otto Schily auf die Frage: "Können Sie noch
etwas mit dem Begriff 'multikulturell' anfangen?" Was sagt der deutsche
Innenminister dazu? Er sagt: "Ich war bei dieser Idee immer reserviert.
Als Karneval der Kulturen und Straßenfest in Berlin ist das gut und schön, aber
wenn sich eine Kultur aus dem gesellschaftlichen Gefüge des Gastgeberlandes
herauslöst, dann wird es gefährlich. Ich warne vor Multi-Kulti-Seligkeit."
Und er sagt das natürlich in einem Kontext. Er sagt das im Kontext der Morde in
Mitteleuropa, der brennenden Moscheen als Antwort – auch unangemessen – der
gesellschaftlichen Auseinandersetzung zwischen eigentlich unterschiedlichen
Gesellschaften, die noch nicht eine geworden sind, weil sie keine gemeinsame
Wertebasis teilen. Schily wendet sich daher "gegen das Entstehen neuer und
gegen die Verfestigung bestehender Parallelgesellschaften".
Frau Stadträtin! Das ist es eigentlich. Die Konzepte
der letzten Jahre haben zu Parallelgesellschaften geführt. Sie haben nicht dazu
geführt, dass sich die Menschen bei uns integriert haben, sie haben nicht dazu
geführt, dass wir sie alle integriert haben, sie haben dazu geführt, dass wir
vorerst scheinbar friedlich nebeneinander leben – in Parallelgesellschaften.
Ich habe das das letzte Mal gesagt bezüglich der chinesischen Zuwanderung und
bin von deiner Vorgängerin extrem kritisiert worden. Ich tue das heute trotzdem
wieder, weil die typisch dafür sind. Ganz typisch dafür ist aber auch der
Islam. Er ist deswegen typisch, weil er für uns schwer integrierbar ist und weil
er sich selbst auch schwer integrieren lässt. Schade, dass der Kollege Al-Rawi
jetzt nicht da ist, aber wir werden das ohnehin noch ausdiskutieren.
Sie stellen der Frage der Integration des Islams
immer die Antithese entgegen, dass die österreichische Politik anders sei als
die anderer Länder, daher wäre es ein erfolgreiches Modell. Ich werde
versuchen, drei Gründe darzulegen, warum das nicht so ist.
Erstens: Diese österreichische Politik hat sich schon
in der Vergangenheit im Kampf gegen den Terror nicht bewährt, sonst hätte es
drei Dinge nicht gegeben: Nittel-Mord, Anschlag auf die Synagoge in der
Seitenstettengasse, Anschlag auf den Flughafen Wien-Schwechat. Historische
Fakten, Terrorismus radikaler Art, islamischer Art, zwar ein anderer
Terrorismus als der, mit dem wir uns heute auseinander zu setzen haben, aber
die Antithese ist einfach historisch falsch.
Zweitens: Zu welchem Preis haben wir diese
Scheinintegration, diese nebeneinander lebenden Parallelgesellschaften
aufgebaut? Wir haben unsere eigenen Wertvorstellungen der Aufklärung, der
Gleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz und auch sonst, der Trennung von
Kirche und Staat und ich weiß nicht was alles aufgegeben, weil wir zugelassen
haben, dass andere unseren Werten nicht folgen, sondern parallel dazu in ihren
Gesellschaftsordnungen leben und nicht bereit sind, diese Werte mit uns zu
teilen. – Da nützt dein Kopfschütteln – ich sehe es aus den Augenwinkeln –
nichts, und ich werde das noch an anderen Beispielen darlegen.
Drittens ist die Antithese falsch, weil sich der
Terrorismus – jeder, der sich damit beschäftigt, weiß es – verändert hat. Der
Terrorismus ist nicht mehr jener der siebziger, achtziger und sonstiger Jahre,
sondern er ist ein globales Phänomen der Auseinandersetzung zwischen einer sehr
reichen Nordhalbkugel, die unter anderem davon lebt, dass sie die
unterprivilegiertere Südhalbkugel oder die wesentlichen Teile der Südhalbkugel
ausbeutet. Da bin ich bei den Grünen,
da kann man lange drüber diskutieren, wie man das besser macht. Aber das
Phänomen ist zurzeit ein reales. Es ist vergleichbar mit den Bewegungen des
Protestantismus über mehrere Jahrhunderte verteilt in Mitteleuropa, nur halt
heute viel schneller auf einem viel größeren Teil des Kontinents und
gleichzeitig stattfindend; in Gruppen, von denen wir glauben, dass sie
integriert sind und dass wir sie im Griff haben. – Ich danke dir, Omar Al-Rawi,
dass du da bist.
Ich sage das auch deswegen, weil ich dir glaube, weil
ich glaube, was du sagst, und weil es dein ernsthaftes Bemühen ist, diese
Gruppen in unsere Gesellschaft zu integrieren. Aber ich stelle mir immer die
Frage, und das auch für Österreich, ob wir die wirklich im Griff haben, ob wir
wissen, ob unter euch, unter uns, unter Ihnen nicht trotzdem Einzelne leben –
wir wie es in den letzten Jahren gesehen haben –, Menschen, die den Künstler
van Gogh – der umstritten sein kann, wie auch immer, wo man seiner Meinung sein
kann oder auch nicht – mitten auf Straße rituell ermorden. Und wir sagen als
Antithese: Nein, in Österreich kann das nicht passieren.
Aber welche Garantie haben wir
dafür? – Gar keine. Die einzige Garantie, die wir haben, ist: Wir leben zurzeit
in einer Parallelgesellschaft, in der es noch – noch! – keine Auseinandersetzungen
gibt. Und du weißt das. (GR Dipl Ing Omar
Al-Rawi: Aber das war kein Ritualmord! Das hat mit Ritualmord nichts zu tun!)
Omar Al-Rawi, du weißt das. Verleite mich nicht dazu, das Amtsgeheimnis zu
brechen, denn wenn ich irgendwas nicht gerne tue, dann ist es, das
Amtsgeheimnis zu brechen,
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