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Gemeinderat, 49. Sitzung vom 23.11.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 74 von 88

 

darüber referiert - in Wahrheit gescheitert ist. Ich glaube, das kann man schlicht und einfach als Faktum festhalten. Es reden alle, die sich in diesem Bereich mit der Materie beschäftigten, bereits von den sich verfestigenden Parallelgesellschaften. Die Diskussion, die in diesem Bereich läuft, spitzt sich zu, und gar nicht so sehr in Österreich und ich sage Ihnen, ich bin froh, dass es sich nicht in Österreich zuspitzt. Ich bin überhaupt nicht froh, dass es sich an sich zuspitzt, aber es ist schlussendlich mal ein Faktum.

 

Es ist ein Faktum, dass wir in Österreich das Gott sei Dank in dieser Form nicht erleben so wie es andere Länder Europas erleben. Aber es ist auch ein Faktum, dass viele derartige Entwicklungen freilich mit entsprechender zeitlicher Verzögerung und nicht in dieser Radikalität, Gott sei Dank, aber dennoch auch nach Österreich kommen und es ist vielfach ein Phänomen der Großstadt.

 

Es ist ungefähr zwei Jahre her, dass der Innenminister der rot-grünen Regierung der Bundesrepublik, Schily, unverblümt und eigentlich eher ansatzlos ohne dass sich das wirklich aus einer Diskussion heraus entwickelt hätte, gefordert hat: „Zuwanderer haben sich anzupassen.“ Das hat Schily gefordert und zwar sehr klar und eindeutig auch in Richtung, glaube ich, der Zuwanderer aus der Türkei. Damals hat sich eine Woge der Empörung erhoben, was denn das für eine unanständige Forderung sei. Diese Woge der Empörung war beinahe so groß wie die Woge der Empörung, die es gab, als vor ihm der damalige CDU-Generalsekretär März die Diskussion über die deutsche Leitkultur in Bewegung gebracht hat. Er wurde damals auch, weil das offensichtlich auch die CDU sehr überrascht hat, sogar von der CDU wieder zurückgepfiffen. Diese Diskussion über die Leitkultur erfuhr erst dieser Tage wieder durch den Herrn Stoiber, den Ministerpräsidenten aus Bayern, eine Belebung, der sich sehr unverblümt für eine deutsche Leitkultur stark gemacht hat.

 

Wie ist die Position der Sozialdemokratie in der Bundesrepublik? Ich glaube, man kann das sehr gut an einer Aussage des Bundeskanzlers Schröder festmachen. Er ist nicht Parteivorsitzender, aber er ist immerhin der Bundeskanzler der rot-grünen Regierung der Bundesrepublik. Er forderte dieser Tage in Berlin bei einer Tagung des Zentralrats der Juden in Deutschland, dass die Zuwanderer in ihrem eigenen Interesse die Landessprache, also Deutsch, zu lernen haben. Er hat sich dann, das muss man auch dazu sagen, selbstverständlich gegen einen Begriff der deutschen Leitkultur gewandt. Er hat das nicht gesagt.

 

Das Ganze muss natürlich integrativ erfolgen, aber die Voraussetzung für die Integration, die Voraussetzung um Parallelgesellschaften zu vermeiden, ist das Erlernen der Sprache, die Sprache als Basis der Kommunikation, der Verständigung. Ich würde einmal meinen, eine späte Erkenntnis, aber besser eine späte Erkenntnis als gar keine.

 

Jetzt werden Sie fragen: Was hat das mit Wien zu tun? Der Herr StR Rieder beklagte zum Beispiel gestern, dass Lehrlinge aus Niederösterreich Lehrlinge aus Wien auf dem Arbeitsmarkt verdrängen, aber die Verantwortung für die Arbeitslosigkeit hat der Herr Stadtrat in seiner ersten Wortmeldung natürlich, wie konnte es anders sein - der Begriff der Bundesparanoia gefällt mir als politischer Terminus im Übrigen gut -, beim Bund festgemacht.

 

In seiner zweiten Wortmeldung war er dann schon differenzierter, auf die komme ich gleich. Ich sage Ihnen nur eines: Wer besser ausgebildet ist, wird am Arbeitsmarkt bessere Chancen haben und daher muss es auch in unserem Interesse sein, dass die Ausbildungsqualität sichergestellt wird. Ausbildungsqualität sicherstellen kann ich zum einen nur mit Personen, die das auch tun. Das ist ein Teil des notwendigen Bereitstellens von Ressourcen. Aber Ressourcen bereitstellen bedeutet nicht nur Personen, sondern es bedeutet auch sich im Inhaltlichen zu überlegen, ob das, was man bisher getan hat, ausreichend und richtig war.

 

Um den StR Rieder noch einmal zu zitieren, er hat dann in seiner zweiten Wortmeldung, als es um die Arbeitslosigkeit ging, durchaus sehr vernünftig erklärt, dass es bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, vor allem der Jugendarbeitslosigkeit, der Frauenarbeitslosigkeit, ja keinen Sinn macht, sich hier in gegenseitigen Schuldzuweisungen zu ergehen, sondern dass man das nur gemeinsam - gemeint ist die Stadt und das Land - leisten könne. Ich möchte ihn da eigentlich mit einer Publikation bestätigen, die von der Arbeiterkammer Wien veröffentlicht worden ist.

 

Die Arbeiterkammer Wien, die ja der SPÖ wahrlich nicht ferne steht, schreibt hier in der jüngst erschienenen Publikation über Städtestrategien gegen Armut und soziale Ausgrenzung, dass in allen Großstädten der untersuchten Länder seit Beginn der 80er Jahre die Arbeitslosenquote höher als im Landesdurchschnitt ist. Die Stadt Wien unterscheidet sich in einem Punkt von vergleichbaren Großstädten in Europa: Während in allen europäischen Großstädten die Arbeitslosenquote seit den späten 60er Jahren zwei oder drei Spitzen aufwies, befindet sich Wien noch immer im ersten Anstieg der Arbeitslosenquote.

 

Meine Damen und Herren insbesondere der Sozialdemokratie, Sie sehen, es ist die Arbeitslosigkeit primär einmal ein Phänomen der Großstädte. Sie haben hier in der Großstadt Wien die Verantwortung. Daher liegt es bei Ihnen, sich darum zu kümmern und es ist zu wenig, hier dafür nur die Bundesregierung namhaft zu machen, ausschließlich für Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zuständig zu sein. Ich glaube, StR Rieder hatte mit seiner zweiten Wortmeldung Recht, wenn er meinte, es ist eine gemeinsame Aufgabe, die gemeinsam zu bewältigen ist.

 

Was hat das, was ich gesagt habe, mit der Schule zu tun? Was hat das mit Wien zu tun? Ich habe vom September 2004 hier noch eine Publikation gefunden und zwar: Bericht der Unabhängigen Türkeikommission „Die Türkei in Europa“. In dieser Publikation, die von sehr interessanten und auch international renommierten Persönlichkeiten verfasst wurde und deren Tendenz ganz

 

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