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Gemeinderat, 49. Sitzung vom 23.11.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 75 von 88

 

eindeutig ist, geht die Tendenz - und das wird hier auch offen geschrieben - in die Richtung, Argumente und Gründe für den Beitritt der Türkei in die Europäische Union zu finden.

 

Das ist die Intention, so wird hier argumentiert. Es wird hier analysiert und dann werden Meinungen vertreten. Die kann man teilen oder nicht.

 

Aber das wirklich Interessante an dieser Publikation ist, dass hier auch auf die Probleme, die es in dem Zusammenhang gibt, sehr klar und eindeutig Bezug genommen wird. Die Autoren schreiben: "In den meisten europäischen Ländern wird die Integrationsfähigkeit der türkischen Gemeinschaft nicht nach den vielen Einwanderern beurteilt, die erfolgreich sind, sondern nach jenen, die scheitern. Sie sind es, die Unbehagen und Furcht auslösen, wobei" – und das gilt Ihnen, Frau Stadträtin – "die Beschwerden von mangelhafter schulischer Leistung, hoher Arbeitslosigkeit und einem Abseitsstehen, von der allgemeinen Gesellschaft bis zur Isolierung von Frauen, dem Tragen des Kopftuches, erzwungenen Ehen und Ehrenworten reichen. Ein Großteil dieses Verhaltens wird dem Islam und religiösen Traditionen zugeschrieben."

 

Das auf der einen Seite, analysiert.

 

Dann noch eine zweite Passage, der wir uns, glaube ich, auch in der aktuellen Diskussion, natürlich zu stellen haben, in der sich, glaube ich, alle Fraktionen befinden, in der Frage der Positionierung, wie man es mit dem Beitritt der EU, Verzeihung, der Türkei zur EU hält. Das sollte kein Freud'scher Versprecher sein. Die öffentliche Meinung wird hier zitiert: "Besonders stark scheint die Skepsis in jenen Ländern zu sein, die über eine bedeutende türkische Minderheit verfügen, vor allem in Deutschland, Frankreich, Österreich, den Niederlanden und Belgien. Dies deutet darauf hin, dass die Türkei durch das Prisma der Erfahrungen mit türkischen Einwanderern betrachtet wird, die es oft schwer finden, sich in die Gesellschaft der Gastländer zu integrieren. Die hauptsächlichen Faktoren für eine negative Einstellung zur türkischen EU-Mitgliedschaft sind die kulturellen Unterschiede, einschließlich der religiösen Dimension, die Größe der Bevölkerung des Landes und die Angst vor einer Flut neuer Einwanderer. Oder auf einer mehr prosaischen Ebene besteht geringe Neigung, zusätzliche finanzielle Lasten auf sich zu nehmen, um die türkische Wirtschaft auf europäischen Standard zu bringen." – So weit hier die Analyse.

 

Ich frage mich nach ungefähr zehn Jahren relativ unveränderter Integrationspolitik in dieser Stadt, wäre diese Integrationspolitik erfolgreich verlaufen, dann hätte es eigentlich durch die Autoren diese Meinungsfeststellung nicht mehr geben dürfen. Dann hätten die Autoren eigentlich nicht mehr zu Recht sagen können, dass in das, was hier aufgezählt wurde, Österreich mitzunehmen ist. Gäbe es eine erfolgreiche Integrationspolitik, dann gäbe es diese öffentliche, hier wiedergegebene Meinung nicht. Noch einmal, das ist eine öffentliche Meinung, die ich hier wiedergegeben habe. (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Zur Sache!)

 

Von wem war der Zwischenruf? (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Von mir!) Kollege Stürzenbecher, von Ihnen war der Zwischenruf? Sie waren derjenige, der gestern für sich selbstverständlich die Freiheit herausgenommen hat, zu allem anderen als zum Wiener Budget zu reden. Dass ausgerechnet Sie über einen längeren Zeitraum einer Gedankenentwicklung nicht folgen können, wundert mich eigentlich. (GR Mag Hilmar Kabas: Mich nicht! Wieso soll er dem folgen können?) Ich werde Ihnen dennoch nicht die Freude machen, weil dieses Thema ein essenzielles ist. Es hat essenziell damit zu tun. Ich kann gern wieder beginnen, es von vorne zu erklären, für den Fall, dass Sie zwischendurch ein bisschen geistig ausgestiegen sind, dass dies mit dem Schulwesen und der Dotation der Schule aufs Innigste verquickt ist.

 

Daher halte ich die Strategie oder auch die Schlussfolgerung für falsch, Herr Kollege Stürzenbecher, die im Strategieplan für Wien enthalten ist. Wir werden das morgen noch eingehender diskutieren, aber wie in diesem Strategieplan für Wien auf Seite 14, sehr weit vorne, zu lesen ist, dass die Wiener Bevölkerung aufgefordert ist, bereit zu sein, als Aufnahmegesellschaft neue Einflüsse und Veränderungen zu akzeptieren und gemeinsam eine weitere Etappe gesellschaftlicher Entwicklung zu beschreiten, stellt sich hier, wenn ich mir die Fragestunde des morgigen Tages anschaue, für mich schon die Frage, ob wir nicht in einen durchaus sehr problematischen Gegensatz hineinlaufen, wenn auf der einen Seite sehr ultimativ gefordert wird, dass die Aufnahmegesellschaft sich quasi an die, die zu uns kommen, an die Zuwanderer, anzupassen hat, und dann wird es an so kleinen Beispielen deutlich. Es wird so deutlich an kleinen Beispielen, vorausgesetzt, dass sie wahr sind.

 

Wenn ich mir die 3. Anfrage der morgigen Fragestunde ansehe, ob das tatsächlich richtig ist, dass man jetzt den Nikolo den Kindern in den Kindergärten vorenthalten will – wir werden das morgen diskutieren und die Frau Stadträtin wird dann darauf Antworten geben, wenn das wirklich so stimmt –, dann wäre das genau eine Entwicklung, die konkret das umsetzt, was in diesem Strategieplan für Wien enthalten ist. Dann wundern Sie sich aber bitte nicht, meine Damen und Herren, wenn das emotionalisiert, wenn das zu Unverständnis bei der Bevölkerung führt. Ich glaube, Sie können mir nicht vorwerfen, hier eine emotionalisierende Diskussion mit Ihnen führen zu wollen. Aber wenn das so geht, wie das hier beschrieben ist, dann ist das eine Provokation. Ich frage Sie, ob Sie sich eigentlich dessen wirklich bewusst sind.

 

Das, was die Kindergärten notwendig haben, ist auch eine Aufgabe, der Sie sich, Frau Stadträtin, zu stellen haben. Es geht ganz einfach um eine gezielte Sprachvermittlung vor dem Schuleintritt. Es ist zuwenig, sich zurückzuziehen und zu sagen: "Das ist eine Angelegenheit der Schule. Ich bin zuständig für die außerschulische Kinder- und Jugendbetreuung und das soll die Schule übernehmen." Nein, ich meine, dass die gezielte Sprachvermittlung vor dem Schuleintritt bereits eine essenzielle kommunale Aufgabe, eine essenzielle

 

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