Gemeinderat,
50. Sitzung vom 24.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 71 von 87
gleich dazu benutzt haben, quasi parteipolitisch wieder die Hand darauf zu halten und zu schauen, dass die Ausgliederung gleichzeitig dazu benutzt werden kann, die demokratischen Spielregeln des Hauses außer Kraft zu setzen.
Es hat heute schon eine Abgeordnete von Ihnen, Frau
GRin Polkorab, angemerkt, und ich befürchte, sie hat das ernst gemeint, dass
der Gemeinderat nicht dazu da ist, Kontrolle auszuüben. Das war das erste Mal,
dass ich das in dieser erstaunlichen Offenheit gehört habe. Ich hingegen und
die GRÜNEN überhaupt sind der Meinung, dass der Gemeinderat sehr wohl dazu da
ist zu kontrollieren und dass daher selbstverständlich die Abgeordneten des
Hauses in den beschlussfassenden Gremien sitzen müssen, alle Unterlagen zu
Gesicht bekommen müssen und alle Informationen bekommen sollen, die sie
brauchen, um sich ein Urteil zu bilden, um abstimmen zu können und um die
Entscheidungen dieser Stadt mittragen zu können, selbst dann und gerade dann,
wenn sie in der Opposition sitzen, denn das ist eine der wesentlichen Aufgaben
der Opposition. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich möchte jetzt kurz über das Weißbuch sprechen. Wer
das gelesen hat, hat nicht den geringsten Zweifel daran, dass es der EU darum
geht, auch im Sozialbereich und im Gesundheitsbereich die Marktöffnung zu
erreichen und an den Wettbewerb zu koppeln. Der freie Markt und der Wettbewerb
sind die Kennzeichen der EU. Wie sehr sich diese Spielregeln in Bezug auf den
Bereich Soziales und Gesundheit noch ändern können, der Spielraum ist
jedenfalls sehr klein. Wir wissen, dass erst im Juli des kommenden Jahres die
Konkretisierung zu diesem Weißbuch für den Sozial- und Gesundheitsbereich
vorliegen wird. Einstweilen kennen wir die Konkretisierung nicht. Das heißt,
meiner Meinung nach kann derzeit niemand von uns, niemand, keine Partei und
keine einzelne Person, auf Punkt und Komma genau sagen, wie es sein wird, was
sein wird und was man da in der Zeit tun kann und muss. Der Stand der Dinge ist
ein solcher nicht. Trotzdem, wer die EU und ihre Grundprinzipien kennt, weiß,
worum es geht, nämlich und Markt und Wettbewerb. In diese Richtung wird es sich
jedenfalls bewegen.
Wenn wir uns das jetzt für den Sozialbereich und für
den Gesundheitsbereich anschauen, so haben meiner Meinung nach die Länder, die
Kommunen die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit heißt Markt
und Wettbewerb, die andere Möglichkeit heißt, der Magistrat bietet alle
Dienstleistungen selbst an. Das sind die zwei Pole, zwischen denen wir uns
bewegen.
Die Stadt Wien hat, wohlwissend, dass man sich auf
der Subventionsebene mit Sicherheit nicht mehr bewegen kann, einen Weg gewählt,
der da heißt: „Wir tauchen ein in die Förderwelt. Wir nennen das jetzt alles
'Förderwelt' und gefördert wird sozusagen das Subjekt." Das wird als
Ausweg betrachtet. Wenn wir das wirklich seriös angehen, dann müssen wir die
Frage stellen: Ist es wahrscheinlich, dass diese Förderwelt mit dem
österreichischen Vergaberecht, aber vor allem mit den Richtlinien der EU
konform geht und dass es möglich ist zu fördern, ohne dass man geklagt wird?
Dazu gibt es verschiedene Untersuchungen, gibt es Studien, gibt es
Rechtsgutachten. Ich gebe zu, die einen meinen, das wird mit der Förderwelt
gehen, und die anderen sagen, das wird mit der Förderwelt nicht gehen.
Ich wage jetzt eine Prognose: Ich glaube, länger als
zwei, drei oder vier Jahre wird dieses Konstrukt nicht halten, dann müssen wir
uns etwas Neues überlegen. Dann muss man entweder sagen, der Magistrat
übernimmt diese ganzen Dienstleistungen wieder, das hat er noch nie gemacht,
seit er existiert, das war im Grunde genommen immer an gemeinnützige Vereine
vergeben, die diese Arbeit erledigt haben, aber der Magistrat könnte natürlich
sagen, er wird jetzt Dienstleiter auf diesem Gebiet, oder man muss sagen, man
bereitet sich darauf vor, dass man all diese Dienstleistungen ausschreiben
muss. Auf beide Möglichkeiten muss man sich vorbereiten. Jetzt kann man nicht
warten, bis die ersten Klagen ins Haus trudeln und man dann plötzlich damit
konfrontiert ist. Nein, so geht es nicht, weil dann entsteht nämlich wieder
dasselbe Chaos, das schon bei der Gründung des Fonds entstanden ist.
Deswegen möchte ich ein paar Dinge und paar
Befürchtungen ein bisschen näher untersuchen. Wir wissen, wenn Dinge
ausgeschrieben werden, dann kann man das sehr ins Detail, kleinräumig machen.
Ich denke, man kann schon so formulieren, dass man schlussendlich das bekommt,
was man gerne bekommen möchte. Die Gefahren sind riesig. Wir kennen das zum
Beispiel bei der Ausschreibung für Traiskirchen, wo ein privater
gewinnorientierter Verein sein Unwesen treibt, wo die Qualitätsstandards, die
wir uns vorstellen, bei weitem nicht erreicht werden. Genau da setzt wieder die
Sorge ein, nämlich die Sorge, dass die Qualität nicht gehalten werden kann,
dass selbstverständlich Lohndumping einsetzt, dass diese
35 000 Menschen, die in dem Bereich arbeiten, sehr schlechten
Arbeitsbedingungen unterworfen werden und dass zusätzlich, das kommt noch dazu,
die Klientinnen und Klienten Leistungsdefizite zu verzeichnen haben werden.
Bleiben wir ganz kurz bei diesen KlientInnen: Die KlientInnen
werden dann diejenigen sein müssen, die diese Leistungsdefizite selbst geltend
machen müssen. Jeder wird dann sein eigener Anwalt sein müssen, jeder wird sich
den Verein selbst aussuchen müssen und so weiter. Wir haben darüber im Fonds
geredet und waren eigentlich einer Meinung, dass das zwangsweise zu großen
Schwierigkeiten führen muss, denn es handelt sich um behinderte Menschen, es
handelt sich teilweise um alte Menschen, es handelt teilweise um demente
Menschen, es handelt sich um Menschen, die Drogen konsumieren und so weiter und
so fort. Es ist nicht davon auszugehen, dass die KlientInnen dem gewachsen sein
können, gewachsen sein werden und alles erledigen werden können.
Zweiter Punkt - der
gewinnorientierte Anbieter: Wir haben es schon gesehen, eine Konkurrenz
zwischen einer am Gewinn orientierten Firma und den in Wien
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