Gemeinderat,
3. Sitzung vom 12.12.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 105 von 105
Haus
diskutiert, da waren Sie aber noch nicht hier -, dann muss man sich fragen: Was
ist der Unterschied zwischen Gesellschaftspolitik und Parteipolitik?
Der
Fehlschluss, den Sie offensichtlich aus den Reden des Herrn GR Strobl
übernommen haben, ist immer die Vermischung derselben. Haben Sie Scheu, in
einer Schule darüber zu diskutieren, was die einzelnen Parteien, und Sie als
Vertreter der ÖVP als Partei, auch für Linien vorgeben? Welche Schulpolitik sie
vertreten? Für welche Inhalte sie stehen? Und auch auf die Fragen einzugehen,
warum Sie dann zum Beispiel weniger Lehrer einsetzen, warum die Gymnasien mit
der Infrastruktur an Computern nicht so gut ausgestattet sind wie zum Beispiel
die Wiener Pflichtschulen, und Ähnliches? Sind das politische Diskussionen,
denen Sie ausweichen würden? - Ich glaube: Nein! Ich halte es für wichtig, dass
solche Diskussionen geführt werden, auch mit Schülerinnen und Schülern.
Sie
liegen falsch, wenn Sie glauben, dass die jungen Menschen nicht daran
interessiert sind. Gerade die letzte Wahl und die Wahlaltersenkung, die hohe
Wahlbeteiligung - die bei den Erstwählerinnen und Erstwählern genauso hoch war
wie die durchschnittliche Wahlbeteiligung der älteren und länger wählenden
Wiener Bevölkerung - hat bewiesen, dass wir gut daran tun, mit diesen jungen
Menschen wirklich in eine ernsthafte Auseinandersetzung zu gehen. Wie ist das
Alter, in dem Sie beginnen würden? Die jetzt Elfjährigen werden bei der
nächsten Wahl in Wien wählen. Wann sollen sie auf ein demokratisches Recht
vorbereitet werden? Wann sollen sie darauf vorbereitet werden, was es heißt, in
einer demokratischen Gesellschaft auf der einen Seite Pflichten, auf der
anderen Seite Rechte zu haben, auf der einen Seite Entscheidungen treffen zu
können, mitgestalten zu können, wenn man Partizipation ernst nimmt? - Sie
können als Pädagoge gar keine andere Antwort geben als: Früh genug!
Daher
sage ich, es ist nicht klug, aus welchen Gründen auch immer - ich weiß nicht,
was Ihre Motivation war - wehleidig darauf zu reagieren, weil man unter
Umständen das Gefühl hat, bei der einen oder anderen Diskussion vielleicht
nicht so ausgestiegen zu sein, wie man sich das gewünscht hätte. Wichtiger ist,
dass man den jungen Menschen signalisiert, dass wir sie ernst nehmen. Das tun
wir, und das wollen wir auch in weiterer Zukunft tun. Das befindet sich auch im
Budget, weil wir darauf großen Wert legen. (Beifall
bei der SPÖ.)
Lassen Sie mich noch einen letzten, dritten und
nicht minder wesentlichen Punkt aufgreifen, den wir in den nächsten fünf Jahren
diskutieren werden, ganz wesentlich diskutieren werden, der vielleicht auf den
ersten Blick nicht die großen Themen wie Bildung, Ausbildung, Weiterbildung und
letztendlich Arbeit betrifft, und auf der anderen Seite das, was ich jetzt mit
demokratischem Bewusstsein, mit Ausbildung im Bereich von Gesellschaftspolitik,
mit Offenheit, mit Toleranz und Erziehung zum Gemeinsamen gemeint habe.
Es
ist dies der ganze Bereich dessen, was mit Gesundheit, mit sportlicher Bewegung
und letztendlich auch mit Lebensgefühl zu tun hat. Ich bin der Meinung, dass
wir uns noch viele, viele Stunden damit beschäftigen sollten, nicht nur entlang
des schnöden Budgets im sportlichen Bereich. Dieses Thema ist ein Grundprinzip,
das sich eigentlich durch alle Bereiche dieser Stadtpolitik durchzieht. Es hat
auf der einen Seite viel mit Stadtplanung zu tun, es hat viel mit
Bewegungsräumen und Umwelt zu tun, und es hat letztendlich auch damit zu tun,
wie wir den Menschen die Möglichkeit geben, in ihrer Freizeit genügend Bewegung
und Sport zu betreiben.
Es
wird unsere Aufgabenstellung sein, jene 60 Prozent der Wienerinnen und
Wiener, die derzeit überhaupt keinen Sport betreiben, davon zu überzeugen, dass
es gut ist, sich zu bewegen. Es wird an uns liegen, sie davon zu überzeugen,
was sie sich selbst, aber auch der Gesellschaft insgesamt Gutes tun, wenn sie
mehr Sport betreiben, Bewegung machen und auch mehr auf das hören, was ihr
Körper ihnen signalisiert - rechtzeitig hören, weil es da letztendlich auch
volkswirtschaftlich gesehen einen großen Zusammenhang mit dem gesamten
Gesundheitsbereich gibt.
In
diesem Sinne denke ich mir, dass die großen politischen Themen vollkommen klar
auf der Hand liegen und für meine Bereiche auch klar definiert sind. Ich hoffe,
dass wir alle gemeinsam ein Interesse haben, diese Diskussion sehr offen, auch
mit sehr, sehr klaren Trennlinien zu formulieren.
Um
eines ersuche ich Sie wirklich; Herr Strache ist jetzt nicht da, ich wollte ihn
persönlich darum bitten. (GRin Inge Zankl: Er ist den ganzen Tag nicht da!)
Ich wollte ihn persönlich bitten, was immer er tun kann, dazu beizutragen, dass
ich Äußerungen - und es tut mir Leid, dass ich das zum Abschluss sagen muss,
aber nach 22 Jahren in diesem Haus ist es das erste Mal, dass ich eine
solche Betroffenheit gefühlt habe -, dass ich Sätze wie "Und wenn Sie auch
wollen, die Österreicherinnen" in diesem Haus nie wieder hören muss. -
Danke. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ
und Beifall bei den GRÜNEN. - GR Mag Wolfgang Jung: Man kann auch bewusst
missverstehen!)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Sehr
geehrte Damen und Herren!
Zur Geschäftsgruppe Bildung, Jugend, Information und
Sport liegt mir keine Wortmeldung mehr vor.
Ich unterbreche die Sitzung. Sie wird morgen um
9 Uhr mit der Beratung der Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung
fortgesetzt.
Ich wünsche einen schönen Abend.
(Unterbrechung der Sitzung um 20.40 Uhr.)
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