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Gemeinderat, 3. Sitzung vom 13.12.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 34 von 80

 

Handlungspotentiale im Bezug auf Konfliktprävention. Aber sie ist ja nicht gewillt, freiwillig Schritte zu tun. Mehrfach wurden Anträge meiner Fraktion bisher abgelehnt. Dass Sie erst auf Druck der EU diesen Schritt tun müssen, zeigt, wie sehr Sie gerade in der Integrationspolitik modernen Standards hinterherhinken. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Aber ich weiß, dass auch innerhalb Ihrer Fraktion die Meinungen geteilt sind. Ein SPÖ-Bezirksrat nahm in der Presse dazu Stellung und sprach sich für die Öffnung der Gemeindewohnungen aus. Ein anderer Funktionär von Ihnen, Herr Swoboda, sprach sich dagegen aus. Es wäre natürlich zu wünschen, dass die EU-Regelung, die meine Kollegin Alev Korun heute schon angesprochen hat, am 23.1.2006 umgesetzt wird.

 

Ich darf vielleicht an dieser Stelle ein paar Fallbeispiele in Bezug auf die Vergabe von Gemeindewohnungen an eingebürgerte Migranten und Migrantinnen nennen. Der Fall Oran F ist ein sehr dramatischer Fall. Herr Oran F hat sich vor zirka zweieinhalb Jahren an uns gewandt und wollte, dass wir intervenieren. Er hatte um eine Gemeindewohnung angesucht und wartete schon seit zwei Jahren auf eine Wohnung, und er sagte: Ich wohne mit drei Kindern in einer sehr kleinen Wohnung, es gibt immer wieder Probleme durch die beengten Wohnverhältnisse. Wir haben interveniert, aber bis heute haben wir nichts erreicht, bis Herr Oran F mich angerufen hat und gesagt hat, dass es Gewalt in der Wohnung gab. Das Problem war eskaliert, Vater und Sohn hatten sich angegriffen, die Polizei war gekommen. Im polizeilichen Protokoll ist heute nachzulesen: Aufgrund beengter Wohnungsverhältnisse kam es zu diesem dramatischen Fall.

 

Ein anderer Fall ist der von einem Herrn, der auch Oran heißt. Er hat ein behindertes Kind. Auch er hat sich an uns gewandt. Er hatte um eine Gemeindewohnung angesucht und hat auch eine in Wien 14 zugewiesen bekommen. Er selber wohnt in Wien 16. Da das Kind behindert ist und ärztliche Betreuung braucht, wäre es wichtig, dass Herr Oran und sein Kind in Wien 16 wohnen könnten. Aber dem wurde nicht stattgegeben. Stattdessen wurde ihm eine Wohnung mit 80 Stufen und ohne Aufzug zugewiesen. - Mit solchen Fällen beschäftige ich mich tagtäglich, meine Damen und Herren!

 

Auch ich werde heute zum Thema Gesundheitsbereich einen Antrag einbringen. Auch ich bin der Meinung, dass im Gesundheitsbereich zu wenige muttersprachliche Berater vorhanden sind und die vorhandenen muttersprachlichen Berater oft besser in Bezug auf die Sprache qualifiziert werden müssen. Denn der Gesundheitsbereich ist ein sehr sensibler Bereich.

 

Da darf ich vielleicht noch ein Fallbeispiel von zwei schwangeren Frauen nennen, die aus der Türkei stammen; Sie haben es sicher letzten Monat in den Zeitungen lesen können. Da sind zwei Frauen, eine ist im sechsten Monat schwanger, die im andere im neunten, eine geht in ein Krankenhaus, um das Baby zu entbinden, die andere zur Untersuchung. Da sich die Frauen aber nicht verständlich machen können, wird die Frau, die eigentlich nur zur Untersuchung im Krankenhaus anwesend ist, entbunden. Ein sehr dramatischer Fall, aber Gott sei Dank sind alle wohlauf!

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wien wird der Rolle, die ich dieser Stadt gönnen würde, nicht gerecht, und daran sind Sie, Herr Bürgermeister, und Ihr Team schuld. Wenn Ihre Stadträtin laut eigener Aussagen noch 20 bis 30 Jahre benötigt, damit ihre Integrationsmaßnahmen greifen, sollte ihr nicht vorhandenes Integrationskonzept schnellstens erstellt werden. Stimmenmaximierung und Machtausbau sind Ihre Ziele, und nicht die nachhaltige Integration von Migranten. Dies wurde im letzten Wahlkampf wieder verdeutlicht.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können diesem Budget nicht zustimmen, weil der Budgetvoranschlag 2006 im Integrationsbereich untransparent, verschleiert und nicht aussagekräftig ist.

 

Im Übrigen meine ich: Wien hungert den Bund aus. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum Wort gemeldet ist Frau GRin Nurten Yilmaz. Ich erteile es ihr.

 

GRin Nurten Yilmaz (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Frau Stadträtin!

 

Zuerst vielleicht eine Klarstellung: Zuwanderung ist nichts Neues in Wien. Migranten haben Wien immer schon gestaltet und verändert, und das tun sie auch heute noch. Vor allem ist das ja auch ein Zeichen dafür, dass sich jetzt hintereinander drei Gemeinderätinnen hier im Hohen Haus zu Wort melden, die woanders als in Wien auf die Welt gekommen sind, aber jetzt alle gemeinsam für Wien, für die Wienerinnen und Wiener arbeiten, gemeinsam arbeiten.

 

Grundsätzlich sind MigrantInnen arbeitsfreudige Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, um in Österreich etwas zu schaffen. Diese Dynamik hat Wiens Wirtschaft viel Positives gebracht. Darüber hinaus bringen MigrantInnen Vielfalt in das Leben und das Stadtbild, der enge Horizont wird dadurch bereichert. Viele Wienerinnen und Wiener schätzen diese Bereicherung als wertvoll für Lebensgefühl, Kultur und Flair. Und das aus gutem Grund: Der Vergleich mit anderen Millionenstädten stellt Wien ein ausgezeichnetes Zeugnis aus. In Wien sind Ghettos genauso unbekannt wie Slums. Das kulturelle Gefüge der Stadt wird von einem dichten Netzwerk an Organisationen mitgetragen. Das soziale System ist ausgebaut und funktioniert.

 

Warum ist das so? - Weil Wien eine bewährte Politik der Anreize und der Freiwilligkeit verfolgt. Das unterscheidet uns von der Politik der ÖVP, der FPÖ und des BZÖ, zum Beispiel bei den Sprachkursen: Meine Damen und Herren, unsere Sprachkurse werden jährlich von rund 3 000 Personen in Anspruch genommen, und heuer haben wir es sogar verdoppelt. Das bedeutet, 6 000 Menschen werden heuer von unserer Sprachoffensive Gebrauch machen. Zum Vergleich die Zahlen des Bundes: Österreichweit haben im Jahr 2004 2 586 ZuwanderInnen an Zwangs-Deutschkursen laut

 

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