Gemeinderat,
52. Sitzung vom 27.01.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 68
zurück gepfiffen, so dass wir heute wahrscheinlich auch mit einer Mehrheit der SPÖ rechnen können und ich daher annehme, dass die SPÖ heute geschlossen diesem Akt zustimmen kann.
Aber, meine Damen und Herren, gerade deshalb, weil
die SPÖ in diesem Stadtparlament eine absolute Mandatsmehrheit hat, ist sie gut
beraten, alle politischen Parteien, und ich würde sagen, vor allem alle
politischen Parteien, die guten Sinnes sind und ein geordnetes Verhältnis zur
Vergangenheit haben, insbesondere zum Nationalsozialismus, zusammenzuholen und
das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. Ich bin aber da guten Mutes, zumal
der Wiener SPÖ-Vorsitzende und Bürgermeister Michael Häupl bereits in der
“Wiener Zeitung“ deutlich gesagt hat, wie es sein soll.
Ich darf hier zitieren: „Ich würde es sehr unangenehm
finden, wenn die Feiern zur parteipolitischen Vereinnahmung verkommen würden.“
Das ist ein Zitat aus der “Wiener Zeitung“. Ich gehe davon aus, dass das
generell gilt und dass das natürlich auch große Bedeutung für Wien haben
sollte.
Meine Damen und Herren, Österreich wurde groß, weil
es einen politischen und sozialen Frieden mit viel Wohlstand, nicht zuletzt
durch das Wirtschaftswunder des Raab-Kamitz-Kurses schaffen konnte, und das war
zweifelsohne auch ein Verdienst des Zusammenwirkens aller bedeutenden Parteien
in diesem Land.
Lassen Sie mich unsere Entwicklung an drei
gesellschaftlichen Dimensionen des Gedankenjahres kurz darstellen. Ich möchte
das im Bereich der Menschen, im Bereich der Kultur und an der Stellung Wiens in
Europa kurz skizzieren.
Erstens, die Menschen. 1945 ist die eigentliche
Stunde Null. Nach Monaten schwerer Luftangriffe und 8 Tagen Bodenkampf ist
Wien ein Trümmerfeld. Am 13.4.1945 verlässt der letzte deutsche Soldat das
Stadtgebiet. Das ist der eigentliche Befreiungstag Wiens. Es existiert in Wien
kein öffentlicher Verkehr, es sind keine Menschen auf der Straße. Die Menschen
sind geschockt, leben in bitterer Not und verstecken sich.
1955: Am 15. Mai erfolgt die Unterzeichnung
des Staatsvertrages, wir erleben hier in Österreich und ganz besonders hier in
Wien erstmals wieder Freude, Freude über die Geburtsstunde des neuen
Österreich. Wir sehen jubelnde Massen und die Menschen spüren eine
Aufbruchstimmung.
1995: Nicht nur der 1. Jänner war nach einer
überwältigenden Mehrheit der Österreicher ein so genannter europäischer
Jubeltag und ein neuer Qualitätsschub für Österreich.
Die
Europäische Friedensdimension zeigt auch eine neue Qualität im Umgang mit den
Menschen; und ich möchte als ein herausragendes Beispiel das Hospiz der Caritas
Socialis in Wien 3 nennen, wo Menschen in ihren schlimmsten Situationen,
dem nahenden Tod, in ihrer Würde geachtet und begleitet werden.
Zweitens, die Kultur. 1945, schon wenige Tage nach
Kriegsende erscheinen wieder Zeitungen, und es findet auch Kultur wieder statt,
und zwar spielen die Philharmoniker im Konzerthaus am 27. April, und das
Burgtheater spielt im Ronacher am 30.4. das erste Mal.
1955: Beginn des österreichischen Fernsehens am
1. August, Wiedereröffnung des Burgtheaters am 15.Ok-tober und der
Staatsoper am 5. November.
1995: Die Vielfalt der kulturellen Aktivitäten in
Wien gedeiht, zum Beispiel sei hier genannt die Wiedereröffnung der
Österreichischen Galerie im Unteren Belvedere am 1. Juli.
Drittens, Wien in Europa. 1945, die
Stadt nimmt am 18.4. wieder ihre Arbeit auf, die Gemeindeverwaltung beginnt
ihre Tätigkeit. Am 29. April wird der Wiener Stadtsenat neu konstituiert
und der Bürgermeister Körner gewählt, und am 25. November finden
Nationalratswahlen und Gemeinderatswahlen statt.
Allerdings gibt es hier in Wien eine
drückende Last, nämlich die der Besatzungskosten, es gibt Hunger, es gibt nach
wie vor Not. 1955 ist das eigentliche Jahr unserer echten Unabhängigkeit. Mit
14.10. verlässt der letzte alliierte Soldat Wien. Das ist der eigentliche
Unabhängigkeitstag.
1995: Wien gilt als Brücke und
Partner im neuen Europa, mit dem Beitritt zur EU ab 1. Jänner wird das auch
manifest, und am 12. April beschließen Wien und Budapest eine enge
wirtschaftliche Kooperation. Die Stadtaußenpolitik ist geprägt, vor allem in
Richtung neue Demokratien.
Meine Damen und Herren, heute
beschließen wir mit diesem Akt eine Art äußerer Verpackungen mit Anregungen zur
Gestaltung von insgesamt drei Jubiläen. Erst der Inhalt und die
Veranstaltungswirklichkeit wird uns dann zeigen, was Sie als Mehrheitsfraktion
und wir alle, soweit wir dabei eingebunden sein werden und eingebunden werden,
insgesamt daraus machen. Die Aussage vom Bgm Häupl, sich für eine
Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung mit der Geschichte einzusetzen, für eine
Begegnung und Besinnung und nicht nur für oberflächliche Jubelfeste, ist
erfreulich, und es ist ihr daher vollinhaltlich zuzustimmen.
Wir als Wiener ÖVP werden aber hier
bei diesem Akt in erster Linie deshalb zustimmen, weil wir für diese positive
Entwicklung dieses unseres Österreichs und dieser Stadt historische
Mitverantwortung tragen, weil wir Geschichte als etwas wichtig Nacherlebbares
an die nächste Generation weitergeben wollen. Jeder Missbrauch von derartigen
Feierlichkeiten durch einseitige parteipolitische Vereinnahmung oder
Arrogierung wäre daher ein Schlag in das Gesicht der Männer und Frauen, die
diese Stadt und diese Republik sowohl aus dem politischen als auch aus den
Kriegstrümmern wieder aufgebaut haben. (Beifall
bei der ÖVP.)
Es ist daher eine große Chance,
meine Damen und Herren, den Wienern ein Bewusstsein von gemeinsamer
historischer Anstrengung für eine bessere Zeit zu geben. Seien wir uns dabei
aber auch alle bewusst, dass das nun Erreichte und der hohe Lebensstandard nur erhalten
werden können, wenn man mit den vorhandenen Ressourcen, vor allem auch in
Hinblick auf die Belastungen der nächsten Generationen, sorgsam und sparsam
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