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Gemeinderat, 52. Sitzung vom 27.01.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 65 von 68

 

Herrn Bundespräsidenten zu erhalten.

 

Es geht - und das ist die Frage ganz konkret auch im Zusammenhang mit diesen Akten - darum, ob in gewissen Lebenssituationen die Menschen mit Migrationshintergrund in dieser Stadt gut integriert sind oder nicht. Die Akte zeigen uns, dass es nicht so ist, denn ansonsten müssten wir diese Beschlüsse nicht fassen oder in Erwägung ziehen. Es geht darum, dass besondere Gruppen, die Jugendlichen, die Frauen, die Alten, schwerer Zugang zu den Einrichtungen finden, und es gibt dafür Gründe. Was ich kritisiere, ist dass wir nur die Auswirkungen in den Griff zu bekommen versuchen und nicht die grundsätzlichen Problematiken angehen.

 

Diese grundsätzlichen Problematiken werden ja in den Akten dargestellt. Wenn in dem einen Fall - es geht hier um das "Institut für Frauen- und Männergesundheit/ FEM Süd" im Kaiser-Franz-Josef-Spital - gesagt wird, dass in dieser Gruppe - und jetzt bin ich wieder bei der islamischen, bei den türkischen Frauen - nicht einmal jede zweite der Meinung ist, sie wäre psychisch gesund, dann hat das ja Gründe! Und diese liegen ja nicht darin, dass sie hier bei uns wohnen, sondern die liegen darin, dass sie hier bei uns wohnen, ohne integriert zu sein, weil sie sich nicht integrieren oder weil man nicht zulässt, dass sie sich integrieren - und damit meine ich jetzt nicht euch, die Sozialdemokraten, sondern diese Parallelgesellschaft, in der sie weiter leben, und ich werde die Beispiele dafür noch bringen.

 

Man könnte jetzt sagen, das ist bei anderen Bevölkerungsgruppen anders. Und der Akt zeigt es, er sagt, Frauen mit Hintergründen aus dem engeren alten Jugoslawien betrifft es ebenfalls zu einem Drittel. Man könnte daher meinen: Aha, die Kriegstraumatisierung! - Das kann aber nicht sein, sonst wäre ja hier der Anteil im Ausmaß eines Drittels nicht kleiner als bei den Türkinnen, wo er die Hälfte beträgt. Das ist nicht der Grund.

 

Der Akt verschweigt uns auch den Grund. Er sagt uns nicht, warum diese Frauen massiven Leidensdruck, hohen Medikamentenkonsum und sonstige psychische Probleme haben. Das Warum wird nicht beantwortet. Das Warum wäre aber das Interessante, das wäre das Konzeptive, dem wäre nachzugehen - und nicht nur der Bekämpfung der Phänomene, der Auswirkungen.

 

Oder ein anderes Beispiel: In dem Akt "Centrum für Binationale und Interkulturelle Paare und Familien" wird angesprochen, dass Kinder aus solchen Lebensgemeinschaften mehr als andere Kinder Probleme durch Generationskonflikte, Trennung und Scheidung, Pubertätskrisen, Erziehungsprobleme haben, und es steht darin wortwörtlich:

 

„Die heranwachsenden Jugendlichen aus bikulturellen Familien stellen die Frage nach ihrer kulturellen Identität. Abhängig vom bisherigen Umgang mit und der Wertigkeit beider Kulturen" - und das ist das Problem: Beider Kulturen - „in der Beziehung der Eltern führt dies auch zur Auseinandersetzung mit alten, oft nicht verheilten Wunden und ungelösten interkulturellen Konflikten, die professionelle Hilfe erforderlich machen."

 

Genau das ist der Punkt: Die Gruppe, von der wir glauben, oder der Teil der Gemeinschaft, von dem wir glauben, dass er am ehesten in der Lage ist, soziale Phänomene zu beherrschen, nämlich die Familien, wird hier nicht zum Problemlöser, sondern zum Gegenstand der Auseinandersetzung, des Konfliktes, wo selbst ein Ehepaar nicht in der Lage ist, den kulturellen Unterschied so zu meistern, dass die gemeinsamen Kinder daraus nicht sogar Nachteile ziehen. - Allein an diesem Beispiel muss ich erkennen, dass die bisherigen Konzepte falsch waren und dass sie leider als gescheitert gelten müssen.

 

Dieser Akt spricht auch eine Frage an, die noch viel zu wenig beleuchtet ist, nämlich die des Alterns in der Fremde. Wir wissen das, ich habe vor kurzem an einem wissenschaftlichen Projekt teilgenommen, wo man sich mit der Frage beschäftigt hat: Wie altern denn Migranten in der Stadt? - Da ist empirisch noch wenig erhoben. Was man weiß, ist dass es Phänomene gibt:

 

Frauen aus der Zuwanderungsgeneration der so genannten Gastarbeiter der 70er Jahre: Die Männer kommen zuerst her, arbeiten schwer, meistens körperlich. Die Frau kommt nach, restliche Teile der Familie nicht - warum auch immer. Beide altern, beide treten in den wohlerworbenen Ruhestand - oder in die Witwenschaft, weil der Mann nach schwerer körperlicher Arbeit früher stirbt als sie. Und sie verarmen und vereinsamen in dieser Gesellschaft, weil sie natürlich, angehängt nur an diesen einen Lebenspartner, getrennt von sonstigen kulturellen Beziehungen, nicht in der Lage sind, mit der Restgesellschaft in Kommunikation zu treten, weil sie natürlich auch in dieser Lebenssituation, in der sie leben - die für uns sonst untypisch ist -, den Spracherwerb nicht ausreichend sicherstellen, weil sie, auch wenn der Mann da war, zu Hause waren, allein waren, keinen Anschluss an die sonstige Bevölkerung hatten und durch die mangelnde Sprachkompetenz, den Wegfall des Ehepartners und den auch daraus resultierenden finanziellen Verlusten vereinsamen und verarmen.

 

Diese Problematik wird natürlich hier anzugehen versucht, aber - ich sagte es eben: Die Auswirkung und nicht der Grundsatz.

 

Das Gleiche gilt - ich könnte hier noch einen anderen Akt als Beispiel anführen - insbesondere auch für die Jugendlichen, wo ausdrücklich gesagt wird, dass diese hinabgleiten in Kriminalität, Drogenkonsum und was noch alles. – Das sind nicht Argumente von mir, sondern Argumente aus diesen Akten.

 

Da muss ich fragen: Wo ist denn die Bildungspolitik der letzten Jahrzehnte? - Nicht jene der letzten 5 Jahre, denn Jugendliche, die heute 14 Jahre alt sind, haben schon mehr an Bildungspolitik hinter sich als die der letzten 5 Jahre einer anderen Bundesregierung. - Wo ist die Bildungspolitik, die es geschafft hat, Kinder, die eigentlich eine Schulpflicht haben, so weit zu integrieren, dass sie solche Probleme nicht haben? - Das ist ein Teil unserer Kritik.

 

Ein anderer Teil, Frau Stadträtin, betrifft technische Fragen. Das ist etwa die Frage, warum einer dieser Vereine einen Überschuss, 126 000 EUR, erzeugt. – Du

 

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