Gemeinderat,
54. Sitzung vom 01.04.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 8 von 67
gekommen wäre,
die darauf hindeuten, dass sich eine Veränderung in der Abwicklung der Verträge
ergibt. Wir erfüllen unsere Verträge nach Punkt und Beistrich auch deswegen, um
damit nicht den geringsten Anhaltspunkt zu geben, auf eine Vertragsverletzung
hinzukommen. Aber ich möchte noch einmal unterstreichen, es gibt nicht den
geringsten Hinweis, dass es eine Veränderung in den Vertragsbedingungen oder in
den Vertragsbeziehungen gibt.
Der einzige
Fall, meine sehr geehrten Damen und Herren, wo es in Österreich zu einer
Diskrepanz gekommen ist, ist jener Fall in Tirol, wo es um das Leasing eines
Kraftwerks gegangen ist, wo es aber nicht von amerikanischer Seite zu Problemen
gekommen ist, sondern es zu einem Problem gekommen ist, dass dort ein Gegner
der Kraftwerksbauten angekündigt hat, dass er die vertraulich zu haltenden
Inhalte der Verträge ins Internet stellen wird, was natürlich eine klassische
Vertragsverletzung gewesen wäre. Das hat dort dazu geführt, dass der
Betroffene, nämlich die Tiroler Kraftwerkseinrichtung, den Betreffenden mit
Klage bedrohen musste, um seiner Vertragsbeziehung nachzukommen.
Vorsitzender GR
Günther Reiter: Die 3. Zusatzfrage, Frau Mag Schmalenberg.
GRin Mag Heidrun
Schmalenberg (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr
geehrter Herr Stadtrat!
Wir waren diesen
Cross-Border-Leasing-Transaktionen von Anfang an skeptisch gegenüber
eingestellt. Wir haben das auch begründet. Vor allem in dem Bereich, wo es um
Einrichtungen der Daseinsvorsorge geht, haben wir unsere Zustimmung nicht
gegeben. Wir haben in diesem Zusammenhang auch gefordert, die Einrichtungen,
die für die Daseinsvorsorge notwendig sind, wie die Abwassereinrichtungen der
Gemeinde Wien, genauso unter Verfassungsschutz wie etwa das Wasser zu stellen.
Wären Sie im
Zuge der jetzigen Entwicklungen und Erfahrungen bereit, eventuell eine
gemeinsame Initiative zu setzen, um beispielsweise die Abwassereinrichtungen
der Gemeinde Wien unter Verfassungsschutz zu stellen?
Vorsitzender GR
Günther Reiter: Herr Stadtrat, bitte.
VBgm Dr Sepp Rieder:
Frau Gemeinderätin!
Ich verstehe
schon, dass es möglicherweise eine Veränderung in der Einschätzung gibt. Aber
ich darf doch noch einmal in Erinnerung rufen, dass die Freiheitliche Partei
einer der beiden Leasingtransaktionen hier im Gemeinderat zugestimmt hat.
Davon abgesehen
denke ich, dass das Problem der Absicherung der Einrichtungen der
Daseinsvorsorge unter einem völlig anderen Gesichtspunkt zu sehen ist. Es geht
nicht um die Frage Cross-Border-Leasing, denn dort würde ich mich sogar
wiederum auf den Rechnungshof beziehen, der in seiner Stellungnahme gemeint
hat, das Problem der Cross-Border-Lease-Transaktionen ist, dass sie eine
Privatisierung dieser Einrichtungen verhindern. Also aus Ihrer Sicht müsste man
sagen, Cross-Border-Leasing ist geradezu ein Instrument, um solche
Privatisierungen, die die Daseinsvorsorgeeinrichtungen in Frage stellen, zu
verhindern.
Ich glaube aber,
dass es um etwas anderes geht. Wir müssen uns mit der Frage auseinander setzen,
wie wir die Daseinsvorsorge gegenüber einem allgemeinen Trend absichern, in der
Europäischen Union zu einer Liberalisierung zu kommen. Markantestes Beispiel
ist vor kurzem die Diskussion über die Dienstleistungsliberalisierung gewesen,
wo es ebenfalls um ein Problem gegangen ist, das ähnlich wie das Problem bei der
Frage der Einrichtungen der Daseinsvorsorge einzuschätzen ist. Gerade an diesem
Beispiel sieht man, dass es nicht genügt, dass irgendeine Einrichtung den
erhöhten Rechtsschutz auf eine Verfassungsstufe stellt, sondern dass die
eigentliche Maßnahme, die notwendig ist, auf europäischer Politikebene zu
erfolgen hat. Ich erinnere daran, dass sich unser Bürgermeister in Verbindung
mit vielen anderen Städten massiv dafür eingesetzt hat, dass das Thema
Daseinsvorsorge in der europäischen Bewusstseinslage überhaupt seinen
Niederschlag gefunden hat. Ich denke, dass das um vieles effizienter und
wirksamer ist als möglicherweise Einstufungen in der Verfassungsebene.
Vorsitzender GR
Günther Reiter: Die 4. Zusatzfrage, Herr Dipl Ing Margulies.
GR Dipl Ing
Martin Margulies (Grüner Klub im Rathaus): Herr
Vizebürgermeister!
Kommen wir
zurück zum Cross-Border-Leasing. Schließlich war das in den letzten
10 Jahren die größte internationale Steuerhinterziehung auf Kosten des
amerikanischen Steuerzahlers mit milliardenschweren Scheingeschäften. Sie haben
genau von diesem Steuervorteil gesprochen.
Selbstverständlich ist, wenn
eine Steuerrechtsänderung auf amerikanischer Seite ist, der US-Investor
derjenige, der die Änderung der Steuerlast zu tragen hat. Aber das ist nicht
die Frage. Es ist vollkommen klar, wenn der Investor seinen Steuervorteil
verliert, bedeutet dies für ihn in Summe jedenfalls - bleiben wir beim
Cross-Border-Leasing Kanaltransaktion - einen Verlust von den ausgegebenen
Barwertkosten und den Transaktions- und Arrangerkosten in einer Größenordnung
von ungefähr 30 Millionen Dollar. Andererseits bedeutet dies einen
Entfall eines Gewinns von ungefähr 150 Millionen Dollar, mit dem er
gerechnet hat. In den Verträgen steht allerdings, dass wenn die Stadt Wien eine
Vertragsverletzung begeht, sozusagen bis zu dem Steuerentfall - Sie haben diese
Summe genannt - Schadenersatzpflicht bestehen kann.
Ich bringe es daher auf den Punkt. Für die beiden im
Jahr 2003 abgeschlossenen Geschäfte besteht ein Risiko einer Schadenersatzklage
in der Höhe von 200 Millionen Dollar, ob Sie das wollen oder nicht.
Vielleicht ein letzter Satz, bevor ich dann zur Frage
komme. Sie sagen, es gibt nicht den geringsten Hinweis, dass rückwirkend
überprüft wird. Vor zwei Jahren haben Sie gesagt, es gibt nicht den geringsten
Hinweis, dass die Rechtslage geändert wird. Wir haben Ihnen damals schon
gesagt, sie wird geändert und nun wird sie geändert.
Vorsitzender GR Günther Reiter (unterbrechend):
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