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Gemeinderat, 54. Sitzung vom 01.04.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 36 von 67

 

ist jetzt keine Sache, bei der man um verschiedene Glaubenswelten diskutiert, bei der es um eine seriöse Auseinandersetzung geht – das wäre hochinteressant gewesen, dass man jetzt über religiöse Werte, über kulturelle Werte diskutiert –, sondern er sagt, es ist eine Attacke, er nennt es “KanakAttack“, also es ist eine ganz bewusste Aggression.

 

Er nimmt auch ganz bewusst historische Erinnerungen herein. Er sagt ja ganz bewusst: „Wenn der siegreiche Barbar Einzug hält, lässt er das Zeichen seiner Machtvollkommenheit wehen." Oder er sagt: „Der Feind, die Muselmanenrotte, lauert nicht ante portas, sondern ist mittendrin." Und wenn man sich seine Interviews durchliest – und die sind sehr ernsthaft; da geht es jetzt nicht nur um irgendwelche Provokationen –, wenn man sich das anschaut, dann sieht man, dass er, wenn man ihn fragt: „Was wollen Sie denn eigentlich?", antwortet: „Es geht mir darum, Feindschaften aufzudecken, den ganzen Völkerverständigungskitsch zu zertrümmern, einmal die politisch korrekte Art zum Teufel zu jagen und lieber die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen als diesen billigen Humanismus zu fördern".

 

Also es geht hier nicht um Völkerverständigung – ich meine, das ist wohl ganz eindeutig –, es geht um Zertrümmerung, es geht um Attacken, es geht um einen Kulturkampf. Das sind die Ansichten Feridun Zaimoglus.

 

Sie wissen, er ist als Kind aus Anatolien nach Deutschland gekommen, und es gäbe nun verschiedene Möglichkeiten, mit diesem Problem zurechtzukommen. Ich verstehe das irgendwie, es ist vielleicht gar nicht so leicht, seine angestammte Kultur in einem anderen Land zu leben. Ich nehme an, seine Eltern sind gekommen, weil sie vielleicht politisch verfolgt waren – könnte sein, ich weiß es nicht genau –, es könnte aber auch sein, dass sie vielleicht keine Chancen gesehen haben für ihre Zukunft. Es könnte auch sein, dass sie vielleicht soziale Gerechtigkeit gesucht haben. Es könnte aber auch sein, dass sie eine Gesellschaft gesucht haben, in der Mann und Frau gleichwertig sind, in der Demokratie ausgebildet ist, in der es keine Todesstrafe gibt, also lauter Werte, die wir vertreten.

 

Das sind Werte unserer Kultur, und wir haben diese Werte in den letzten Jahrhunderten mühsam erstritten und erkämpft. Das ist nicht selbstverständlich, dass wir das alles haben. Und ich denke mir, dass man das auch achten könnte. Es könnte sein, dass ein Feridun Zaimoglu sagt, ich kann da in Deutschland nicht leben, ich fühle mich da nicht zu Hause. Er kann nach Hause gehen. Er kann sich aber auch, wenn er will, einfügen. Aber das alles will er eben nicht. Er will die Hegemonie erstreiten, und das ist natürlich eine Ansage.

 

Man kann noch immer sagen, gut, das ist seine Ansicht, es ist vielleicht auch unterstützenswert von Privatpersonen, aber das, was wir hier angeprangert haben, und das, was wir hier falsch gefunden haben, war, dass die Stadt Wien einer Person Subventionen gewährt, die ganz bewusst auf das, was uns etwas wert ist, hinhaut. Das geht eigentlich zu weit, finden wir. Ich finde, man kann auch einmal ruhig darüber nachdenken, ob das wirklich sinnvoll ist, dass man eine Person, die ganz bewusst unsere Werte mit Füßen tritt, finanziell belohnt.

 

Wir finden das falsch. Wir sind eben der Meinung, dass Meinungsfreiheit, Gerechtigkeit, Sicherheit wichtig sind. Das sind lauter Dinge, die wir haben. Wir leben in einer relativen sozialen Sicherheit, und wir sollten das auch verteidigen. Ich bin froh, dass totalitäre Tendenzen sowohl in der Politik als auch in der Religion überwunden sind. Ich finde, dass diese Grundwerte ganz einfach verteidigt gehören. Ich finde das nicht richtig, dass man mit der Schulter zuckt und einfach wegschaut. Und vor allem finde ich es falsch, dass man so etwas subventioniert.

 

Deswegen haben wir uns gegen diese "KanakAttack" gewandt, und deswegen habe ich mich zu Wort gemeldet, weil das indirekt mit dem heutigen Tagesordnungspunkt zusammenhängt. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Dr Herbert Madejski: Es liegt mir keine weitere Wortmeldung mehr vor.

 

Der Herr Berichterstatter hat das Schlusswort.

 

Berichterstatter GR Dr Michael LUDWIG: Frau Mag Unterreiner! Wir müssen, glaube ich, bei der Behandlung dieses Aktes jetzt zwei Dinge unterscheiden. Das eine ist der Themenbereich, den Sie jetzt vorgebracht haben, der sich mit der Kunstaktion "KanakAttack" auseinander gesetzt hat, und, wenn man so will, der zweite Teil, der mit dem vorliegenden Akt, der mit der Literaturzeitung "Wespennest" zu tun hat. Beides hat keinen unmittelbaren Zusammenhang.

 

Vielleicht aber nur ganz kurz zur Aktion "KanakAttack" des Künstlers Feridun Zaimoglu, der seit seinem zehnten Lebensjahr schon in Deutschland lebt und einen ähnlichen kulturellen Hintergrund hat wie viele Zehntausende, Hunderttausende andere türkische Jugendliche in Deutschland und in Österreich. Er hat es eigentlich geschafft, mit seiner sehr populären Literatur viele Türkinnen und Türken auch für die deutsche Sprache zu interessieren und sie damit auch in unseren Kulturkreis zu integrieren. Er hat eine ganze Reihe von Auszeichnungen bekommen, und zwar Auszeichnungen, die er nicht für die Literatur in der Türkei bekommen hat, sondern für seine deutschsprachige Literatur.

 

Ich möchte hier nur einige exemplarisch besonders herausstreichen, nämlich den CIVIS Hörfunk- und Fernsehpreis, den Drehbuchpreis des Landes Schleswig-Holstein, den sehr anerkannten Friedrich-Hebbel-Preis beispielsweise. Er war Inselschreiber in Sylt, und er hat – was für uns Österreicher wahrscheinlich besonders interessant ist – auch den Jurypreis beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt bekommen. Das heißt, er ist auf Grund seiner deutschen Literatur sehr anerkannt, und zwar nicht in der Türkei, sondern im deutschsprachigen Raum. Zuletzt hat er den Adalbert-von-Chamisso-Preis bekommen. Wenn man so will, war das eine zusätzliche sehr hohe Anerkennung für seine schriftlichen Werke.

 

Ich möchte damit nur sagen, dass er ein sehr akzeptierter Schriftsteller ist, der sich zusätzlich aber auch als Aktionskünstler versteht, der mit dieser Aktion durchaus auch eine Debatte, eine Diskussion über

 

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