Gemeinderat,
55. Sitzung vom 28.04.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 22 von 85
Abbau solcher Bildungsbarrieren ist
eines der wichtigsten Ziele. Die Chancengleichheit ist das Fundament einer
sozialen Bildungspolitik und sollte für alle eine gerechte Ausbildung,
unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft und Einkommen, ermöglichen."
Meine Damen und Herren! Worum geht
es da? Es geht um 380 EUR pro Semester. Wenn Sie das auf Monatskosten
umrechnen, so sind es 63 EUR. Der Kindergartenbeitrag in Wien beträgt
260 EUR pro Monat. Sie können sich damit schon ein Bild davon machen, wie
viel die Wienerinnen und die Wiener für eine mittlerweile als Bildungseinrichtung
unumstrittene Form, nämlich den Kindergarten, im Jahr ausgeben müssen: Es sind
satte 2 860 EUR!
Meine Damen und Herren! Wegen
63 EUR im Monat haben Sie damals, im Jahr 2001, versucht, die Straße zu
mobilisieren. Beim Kindergarten greifen Sie mit monatlich 260 EUR den
Wienerinnen und den Wienern, den Durchschnittsverdienern schamlos und voll in
die Tasche! (Beifall bei der ÖVP.)
Das ist eine wirklich ekelhafte politische Verhöhnung der Wienerinnen und
Wiener auf Kosten der Kleinsten, die Ihnen offenbar kein Anliegen sind.
Meine Damen und Herren! Wie sieht
das durchschnittlich Familieneinkommen in Wien aus? Es sind
18 217 EUR netto, also 1 300 pro Monat. Die Einkommensgrenze für
die Ermäßigung für den Kindergarten beträgt in Wien 1 031 EUR plus
Kinderbetreuungsgeld plus Familienbeihilfe plus Kinderabsetzbetrag. Nur ein
Drittel aller Kinder erhalten daher eine Befreiung, die Masse der
Durchschnittsverdiener zahlt die volle Länge.
Dazu kommt aber noch, dass Sie nur Kinder
von berufstätigen Müttern in erster Linie bevorzugen und dass Kinder, deren
Mutter zu Hause ist, de facto keinen Platz finden. Das ist genau für jene
Gruppe, die eigentlich gezielt eine Möglichkeit bekommen sollte, zum Beispiel
ihre Sprachdefizite besser zu kompensieren, für diese Gruppe der ausländischen
Kinder, jener Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache, keine Chance. Wir haben
zahlreiche derartige Unterlagen, die beweisen, dass diese Kinder keinen Platz
im Wiener Kindergarten bekommen, also jene Kinder, die eigentlich eine
Unterstützung bräuchten!
International - wenn man sich das
anschaut - ist es üblich, in Belgien, in Holland, in den skandinavischen
Ländern, in Frankreich haben sie überall zumindest das letzte Jahr vor dem
Schuleintritt als vorschulische Einrichtung, als Vorbereitung für den
Schuleintritt, zur Verfügung gestellt durch den Staat oder durch die Stadt, je
nach Verantwortung, Zugehörigkeit. Wir haben daher als Wiener ÖVP mit unserer
Aktion, das letzte Kindergartenjahr gratis anzubieten, und mit dem Wunsch nach
einer vorgezogenen Einschreibung bereits ein Jahr vor Schuleintritt diesem
internationalen Trend entsprochen. Aber Sie haben das alles bisher aus
teilweise sehr hanebüchenen Gründen abgelehnt.
Sie haben sich ja nicht einmal der
Überlegung unterzogen, dass Sie eine angesehene Schulpsychologin geradezu
politisch genötigt haben, im Stadtschulrat hiezu eine Aussage abzugeben, die
wohl nicht wirklich und ernsthaft jeder Überlegung standhält, dass nämlich für
eine vorgezogene Einschreibung bei einem fünfjährigen Kind angeblich keine
Prognose möglich ist. Meine Damen und Herren, schauen Sie sich die
internationalen Studien an, schauen Sie sich ein bisschen im Ausland um, und
Sie werden sehen, dass das sehr wohl funktioniert. (GRin Martina LUDWIG: Ja,
schauen Sie sich um!) Sie aber, meine Damen und Herren, ordnen das Wohl
unserer Wiener Kinder Ihren parteipolitisch-ideologischen Überlegungen unter,
und das lehnen wir ab! (Beifall bei der
ÖVP.)
Ich darf Ihnen aber noch ein Zitat bringen:
„Die wichtigsten Forderungen des SPÖ-Bildungsprogramms: Der Kindergarten als
Bildungseinrichtung, in dem jedes Kind seine Bildungschance bekommen
soll." Das stammt vom Vorsitzenden Gusenbauer aus dem Bildungsprogramm
"Startklar" vom November 2004. Da heißt es dann auch noch weiter: Die
Möglichkeit eines Kindergartenbesuchs muss für alle gegeben sein, eine
Voraussetzung sei ein flächendeckendes Angebot. (GRin Martina LUDWIG: Genau!)
Gusenbauer sprach sich auch für eine Schnittstelle zwischen letztem
Kindergartenjahr und Volksschule aus: Das letzte Kindergartenjahr soll bereits
eine starke Vorbereitung zum Volksschuleintritt sein.
Meine Damen und Herren! Ihr großer
Vorsitzender hat erkannt, was wichtig wäre. Sie in Wien lehnen das alles bis
heute aus nicht erklärbaren Überlegungen - außer nach parteipolitischer Taktik
- stur ab.
Indem ich darlege, was wir glauben,
möchte ich auch deutlich machen, wer dafür verantwortlich ist. Nach der
Bundesverfassung ist es das Land und sind es die Gemeinden, die für den
Kindergarten zuständig sind. (GRin Martina LUDWIG: Haben Sie abgeschafft,
die Milliarde!) Also wann immer Sie in Ihrer faktisch schon paranoiden Form
den Bund auffordern, hier etwas zu tun, kann ich darauf nur sagen: Machen Sie
Ihre Hausaufgaben, meine Damen und Herren in Wien! Sie allein sind dafür
verantwortlich, dass es in Wien insgesamt eine Form der Betreuung gibt, die
nicht den internationalen Anforderungen adäquat ist. (Beifall bei der ÖVP. -
GRin Martina LUDWIG: In Wien schon, in Österreich nicht!)
Meine Damen und Herren! Sie schaffen es ja auch
nicht, nach dem Kindergarten ein adäquates und ausreichendes Angebot im
Volksschulbereich sicherzustellen. Wir haben in Wien 448 Pflichtschulen,
davon haben überhaupt nur 135 ein ganztätiges Angebot, so nach dem Motto: „Es
gibt kein Leben nach dem fünften beziehungsweise sechsten Lebensjahr
mehr." (VBgmin Grete Laska:
...freuen sich jedes Mal, dass du das sagst!) Es müssen sich die Eltern
überlegen, wo sie ihre Kinder hingeben, wenn sie aus dem Kindergarten
herauskommen. Und wer, meine Damen und Herren, ist dafür verantwortlich? Auch
die Gemeinde! Der Schulerhalter im Pflichtschulbereich ist die Gemeinde Wien,
Sie sind dafür verantwortlich, und Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass es in
Wien auch ausreichende ganztägige Schulbereiche gibt. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Was also
bleibt, ist ein
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