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Gemeinderat, 57. Sitzung vom 27.06.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 64 von 136

 

zwischen der Gemeinde Wien und dem Krankenanstaltenverbund von 2006 bis 2009, geht man gemächlich an. Man hat die Kündigung, die jetzt erfolgen müsste, wegen Zeitablaufs ausgesetzt und lässt sich Zeit. Man hat sich den Druck herausgenommen und macht stattdessen offensichtlich weiter Defizit.

 

Die Finanzprobleme, die einen Kurswechsel bedeuten und notwendig machen würden, werden vertagt. Man nimmt es hin und man schreibt es mit entwaffnender Offenheit Gott sei Dank endlich in die Berichte. Der Kostendeckungsgrad in den Ambulanzen liegt unter 20 Prozent. Aus demselben Grund hat man ein richtiges und wichtiges Konzept – die Einführung von tagesklinischen Strukturen - wieder zurücknehmen müssen. Wir wissen, wie es geht, wir probieren es ein bisschen, wir nehmen es zurück. Und es steht lapidar im Bericht: „Die tagesklinischen Strukturen arbeiten nicht kostendeckend.“ Also zur Curettage gehen wir künftig wieder drei Tage hinein, offensichtlich macht das finanziell und auslastungsmäßig mehr Sinn. Die tagesklinischen Strukturen sind auch unterdeckt und daher haben wir sie abgeschafft. Da haben wir dann die Zahlen im ersten Quartalsbericht 2005: Lauter Minus, lauter Rückgang bei den Tagespatienten - minus 66 Prozent, minus 63 Prozent, minus 100 Prozent und so weiter.

 

„Für diese Entwicklung sind weitestgehend Restriktionen in der Kostenübernahme seitens der Sozialhilfeträger verantwortlich", steht hier. Man verhandelt nicht, man lässt es halt wieder auf und lässt es wieder bleiben, wenn man hier richtige Entscheidungen nicht umsetzen kann. Und was in der gesundheitspolitischen Diskussion besonders schwer wiegt, ist der Umstand, dass der Fonds Soziales Wien, der wichtige Gesundheits- und Sozialleistungen von der Stadt übernommen hat, einen Paradigmenwechsel eingeläutet hat, der bedeutet, dass man sich als Stadt Wien, als rote Stadtregierung aus der Verantwortung davonschleicht und so hart muss man es sehen. Wir sehen auch schon die ersten persönlich katastrophalen Folgen, die dieses Davonschleichen hat. Jetzt gibt es Förderverträge für Einzelne, wo es vorher Rechtsansprüche gegeben hat. Jetzt gibt es Bittsteller, wo es vorher Anspruchsberechtigte gab. Man arbeitet mit Bewilligungen statt mit Bescheiden und man nimmt den Antragstellern und Antragstellerinnen, den jetzigen Förderbeziehern und -bezieherinnen ihre verbrieften Rechte auf Rekurs, auf Einspruch. Man macht mit dieser Förderstruktur eine Situation, die aus vergaberechtlichen Fragen unhaltbar ist. Die Gesundheits- und Sozialzentren dürfen künftig nicht steuernd eingreifen, um hier keine Umgehung im Sinne des EU-Wettbewerbsrechts zu riskieren und die Organisationen haben sich im Rahmen des Dachverbandes schon mit alarmierenden Analysen zum Wort gemeldet. Es fehlt ihnen, den Anbieterorganisationen, jede Sicherheit, die die Leistungsverträge bedeutet hätten. Es fehlt weitgehend die Kontrolle. Die Gesundheits- und Sozialzentren sind personell absolut überfordert. Die Anbieterorganisationen sind auf Grund dieses Drucks in erster Linie auf Kostenminimierung angehalten. Der Herr Pflegeombudsmann Vogt hat kein Personal, um hier auch zu kontrollieren und der Fonds Soziales Wien sieht das alles und handelt nicht, weil er einen klaren Auftrag hat. Er hat den Auftrag, das durchzuziehen und der Stadt die Verantwortung abzunehmen und er wird am 30. Juni die Förderrichtlinien beschließen. Er wird sie beschließen, obwohl keine Qualitätsrichtlinien vereinbart sind. Das muss man sich einmal vorstellen! Man verzichtet auf einen Katalog, der Qualitätsrichtlinien braucht, damit man fördern kann, schreibt in entwaffnender Offenheit “noch zu beschließende Qualitätsrichtlinien“ und verabschiedet von heute an in drei Tagen schlicht Richtlinien, die den Karren an die Wand fahren werden. Es gibt keine Planungssicherheit für die Anbieterorganisationen. Die Stadt, wie wir wissen, darf nicht steuern. Die Organisationen sagen, wenn wir keine gesicherten Kontingente haben, werden wir den Preis erhöhen müssen, denn wir müssen unser Risiko abfedern. Es wird einen Wettbewerbsvorteil für die großen Anbieter geben und die kleinen haben berechtigt Sorge, dass es für sie ein Aus bedeutet, weil Caritas und Rotes Kreuz schlicht und einfach mit ihren großen Strukturen am längeren Ast sitzen werden. Und die alten Menschen müssen die Konsequenzen tragen. Sie sind nämlich allein gelassen und es wird die zynische Situation entstehen, dass die Gesundheits- und Sozialzentren sagen: Wir legen eine Liste auf, nehmen Sie sich eine gute Lesebrille und suchen Sie sich Ihren Anbieter. Und wenn Herr Hacker sagt, es wird sich für die Menschen nichts ändern, dann riskiert er, dass er eine Wettbewerbsklage bekommt, denn er darf das nicht tun, wozu die Gesundheits- und Sozialzentren dringend angehalten sind: Alten Menschen in dieser Situation dringend Hilfe zu geben und nicht zu sagen: Wissen Sie was, da gibt es einen Markt und Sie suchen sich schon einmal jemanden, der für Sie etwas bietet.

 

Die Förderung bedeutet, wie ich schon gesagt habe, dass den Menschen die Rechte gestohlen werden. Es werden ihnen die Rechte gestohlen und ich möchte das an einem besonders zynischen Beispiel für Sie deutlich machen. Da gibt es Menschen, die haben nach dem Behindertengesetz einen Anspruch auf eine Leistung. Auf eine Leistung, dass sie eine Betreuung bekommen, dass sie einen Dienst konsumieren und so weiter, eine ambulante Betreuung im konkreten Fall. Da gibt es einen Menschen - und das müssen Sie sich jetzt konkret einfach anhören -, der ist psychisch krank, ein junger Mensch ist psychisch krank und weil er psychisch krank ist, kann er nicht arbeiten, kann nicht für sich selber auf die nötige Weise sorgen und er hat eine Sachwalterin, die sich Gott sei Dank kümmert, das muss man sagen. Andere tun es vielleicht nicht, in diesem Fall kümmert man sich sehr gut darum und da gab es für diesen psychisch kranken, jungen Menschen einen Antrag auf ambulante Betreuung, der beim Fonds Soziales Wien, Referat Behindertenhilfe, eingebracht wurde. Üblicherweise hat man nach dem Behindertengesetz einen Anspruch auf einen Bescheid. Aber da sind wir schon weit weg von diesem Recht. Wir sind ja in der schönen Förderwelt und in der schönen Förderwelt bekommt dann die zuständige

 

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