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Gemeinderat, 58. Sitzung vom 30.06.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 52 von 104

 

eigentlich meine wirklich vorbereitete Rede wegschmeißen habe können. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, für das nächste Mal nicht zu kandidieren. Es wäre eh sinnlos gewesen. Ich habe mir vorgenommen, wieder in meinen Beruf zurückzukehren, auf den Golan, Hindukusch oder sonst irgendwo: Dort ist es meistens schöner. Das Problem wäre nur gewesen: Wer hätte mich vertreten sollen? Wer hätte mich als Volk, als Souverän vertreten sollen? Die FPÖ einmal sicher nicht, die SPÖ auch nicht, Grün und Schwarz mit geringsten Wahrscheinlichkeiten. Ich wäre in den Bereich der Nichtwähler abgeglitten und das ist für die Demokratie eigentlich unwürdig. Es bleibt nichts anderes übrig, man muss für all jene, die kein Angebot in dieser Stadt haben, weil alle anderen vier es nicht gewährleisten können, etwas tun. Meine Lebensplanung wäre eine andere gewesen, aber der Verpflichtung stelle ich mich. Man muss für die Nichtwähler etwas zur Verfügung stellen können und um das bemühen wir uns. (Beifall beim BZW.)

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Herr Dr Tschirf hat sich zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 

GR Dr Matthias Tschirf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Wir haben fast drei Stunden Diskussion hinter uns und etwas vermisse ich oder müssen alle vermissen, die diese Diskussion hier miterleben. Der Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, hat entschieden, dass die Wahlen stattfinden sollen. Er hat entschieden, dass die Arbeit eingestellt wird. Das, was ich vermisse, ist etwas, was die Geschäftsordnung der Stadt Wien zuließe: Eine Mitteilung des Bürgermeisters, in der er hier sagt: Deshalb möchte ich haben, dass der Wiener Gemeinderat aufgelöst wird. Das wäre der korrekte Weg gewesen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Natürlich wäre es interessant, am Vorabend des Versuchs von Schröder in Berlin, wenn Schröder sagt „Ich bin gescheitert“ zu hören, warum Michael Häupl mit einer absoluten Mehrheit hier vorzeitig wählen lässt. Das hätten wir uns gerne angehört, ob es da Bemerkungen hinsichtlich der Fragen dieser Stadt gibt, ob das etwa das Thema Arbeitslosigkeit betrifft oder das mangelnde Wirtschaftswachstum. Das wären Themen gewesen, die eine Rolle gespielt hätten. Aber ich finde, es stellt der parlamentarischen Kultur in dieser Stadt kein gutes Zeugnis aus, wenn der Wiener Bürgermeister in einer Frage, die er so will, nicht einmal das Wort ergreift und außer bei den ersten Beiträgen, wo er irgendwo hinten sitzt, nicht einmal an dieser Diskussion teilnimmt. Das ist leider Teil der politischen Kultur oder Unkultur, mit der wir es hier zu tun haben! (Beifall bei der ÖVP. – GR Harry Kopietz: Das beschließt immer noch der Gemeinderat, Herr Kollege!)

 

Die Kultur ist eine von “Brot und Spiele“. Das weiß gerade auch Herr Kopietz ganz genau. Er ist ja in diesem Zusammenhang einer der Dompteure von “Brot und Spiele“. Es ist nicht eine Kultur der Diskussion, des Gesprächs, des Überlegens, was die besseren Ideen für diese Stadt sind und das merken wir dabei. Und dazu gehört auch eine Verfassungssituation, die etwas zulässt, was keiner in dieser Republik glauben kann. Das ist nämlich so: Der Bürgermeister bekommt die Ermächtigung, irgendwann einmal wählen zu lassen.

 

Ich schlage vor, das nächste Mal fassen wir den Beschluss gleich bei der ersten Sitzung des Gemeinderats. Zuerst wählt er den Bürgermeister, dann Antrag der SPÖ auf Auflösung, und fünf Jahre hat der Bürgermeister die Möglichkeit, den Gemeinderat aufzulösen, wann es ihm passt. (Beifall bei der ÖVP. – GR Johannes Prochaska: Das ist gut, das passt! )

 

Ich weiß schon, dass das ganz gut zu anderem auch passt, was wir diese Woche erlebt haben. Beispielsweise, als wir zunächst einmal gefragt haben, ob es einen Akt gibt wegen des Kontrollamtsdirektors, und dann hat man eineinviertel Seiten gefunden, wo nichts davon die Rede war, worum es eigentlich in diesem Akt geht. (GR Christian Oxonitsch: Das kann ich Ihnen genau sagen!) Wir haben uns den Akt genau angeschaut. (GR Christian Oxonitsch: Das stimmt, dass viele in den Akt hineingeschaut haben!) Wir haben uns den Akt ganz genau angesehen, (GR Christian Oxonitsch: Ihr habt nicht hinein geschaut!) aber wahrscheinlich hat die SPÖ noch nie einen Akt gesehen, wie auf Bundesebene beispielsweise ein Verfassungsrichter vom Nationalrat oder vom Bundesrat bestellt wird, wie auf Bundesebene der Rechnungshofpräsident bestellt wird, oder Ähnliches. Da hat die SPÖ noch nie hineingeschaut. Da, in diesem Akt, da oben ist er gelegen, und es war ja interessant nachzuschauen. Es ist da drinnen gestanden, wie das vor sich gegangen ist, wer die Bewerber waren, wie das eigentlich mit dem Hearing war. Oder war das Hearing wirklich auf der Klubklausur der Wiener SPÖ? Möglicherweise ist das so üblich, aber das gehört nicht zu einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Und dazu passt auch das Wahlrecht, und dazu passt auch das, was wir hier erleben. (GR Franz Ekkamp: Schaut in den Hauptverband!) Und damit das besser wird in dieser Stadt, wie hier umgegangen wird hinsichtlich von Wahlterminen... Denn man muss ja eines sagen, das ist ja schlimmer geworden. Das muss man dazu sagen, es ist noch schlimmer geworden. Die Möglichkeit, dass die SPÖ hier irgendeinen Beschluss fasst, mit dem gewählt wird, wenn es die SPÖ will, die ist zugegebenermaßen in der Stadtverfassung vorhanden. Aber wenn Sie sich den Beschluss anschauen, wie die SPÖ nach viereinhalb Jahren einer Koalitionsregierung mit der ÖVP doch gewohnt war, einen gewissen Stil an den Tag zu legen - einen gewissen, nicht mehr -, also einen gewissen Stil an den Tag zu legen, da war es wenigstens so, dass in dem Beschluss drinnen gestanden ist, der 25. März 2001.

 

Jetzt wird das hingelegt, irgendwann einmal wird aufgelöst, vielleicht ist es der Oktober.

 

Daher bringen mein Kollege Wolfgang Ulm und ich einen Beschlussantrag ein und wir begründen das auch im Hinblick auf die Dauer der Amtsführung und die Wahlausschreibung. Der Beschlussantrag lautet:

 

„Der Wiener Gemeinderat spricht sich für die

 

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