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Gemeinderat, 59. Sitzung vom 03.10.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 35 von 37

 

mehr vertreten, ich vielleicht auch nicht. Das ist völlig wurscht, aber der Punkt ist… (Zwischenruf von GR Walter Strobl.) Weil ich immer gesagt habe, ich gehe wieder nach Afghanistan. Jeder weiß es, ich möchte wieder nach Afghanistan gehen. Mir ist das ein Anliegen, weil ich mich dort wieder um Kinder kümmern will oder sonst irgendetwas, jeder weiß es.

 

Kollege Strobl! Mir wäre es ein Anliegen gewesen, dass Sie - egal, ob Sie wieder im nächsten Gemeinderat sind oder nicht - darüber nachgedacht hätten, dass wir nicht immer nur Politik für den Augenblick, für das Ereignis oder für irgendwelche Anträge machen sollen. Die ganze Debatte hat sich zu Beginn, nämlich bevor die Sitzung stattgefunden hat, damit beschäftigt, dass es gar keine Debatte sein wird. Dann aber bringt jede Fraktion - nicht nur pflichtgemäß, sondern weil es uns offenbar wirklich ein Anliegen ist - zumindest einen oder mehrere Anträge ein, selbst die SPÖ, deren Bürgermeister gesagt hat, er hält es für niederträchtig. Ich gehe davon aus, dass die Fraktion ihre Meinung geändert hat und nicht der Meinung ist, die der Bürgermeister geäußert hat, nämlich dass es niederträchtig ist. Selbst die SPÖ bringt einen Antrag ein, der durchaus in Ordnung ist und mit dem auch die meisten anderen Fraktionen mitgehen. In der Begründung selbst schreiben Sie, warum das alles so wichtig ist: Schrecklicher Vorfall, Schüler zu Tode gekommen, öffentliche Diskussion.

 

Ja, genau das ist der Punkt! Es gibt eine öffentliche Diskussion, und zwar nicht nur durch die Eltern dieses Kindes oder die Beteiligten, die Betroffenen, die Mitschüler und Mitschülerinnen, die Eltern anderer Kinder. Es gibt eine öffentliche Debatte darüber, die sich mit einer einzigen Frage beschäftigt: Wie kann es passieren? Für mich sind das noch Kinder; das sind vielleicht vom Gesetz her Jugendliche, aber in Wahrheit sind es Kinder, mit 14 Jahren sind es Kinder, die mit ihren Gefühlen und mit dem, was sonst mit ihnen in der Welt passiert, noch nicht vollständig umgehen können. Wie kann es passieren - Kollegin Rudas, was lässt Sie zweifeln? Ich habe Zeit für den Zwischenruf. Okay, er ist nicht mehr notwendig.

 

Wie kann es passieren, dass ein Schutzbefohlener in einer Schule einfach zu Tode kommt, und zwar nicht durch ein Unglück? Das ist kein Seilbahnseil, das reißt, weil es irgendjemand schlecht wartet, das ist kein Autobus, der irgendwo hineinfährt, sondern da gibt es - Kollege Strobl hat vorhin von den drei Formen der Gewalt gesprochen - strukturelle Gewalt, die an den Wiener Schulen ausgelebt wird. Dies ist eben kein Einzelfall. Ich erspare es Ihnen, jetzt alles vorzulesen, was all die Leute uns sagen, die Betroffenen einschließlich der Schulpsychologen, einschließlich der Lehrer. Da trauen sich die Lehrer gar nicht mehr, in die Klassen hineinzugehen. Wenn wir uns den konkreten Fall anschauen - und das ist jetzt kein Vorwurf an diese Lehrerin -, dann sagt sie: Sie war vorher in der Klasse, hat mitbekommen, dass dort drinnen eine Rauferei war, dachte, sie hätte das beruhigt, und hat das Klassenzimmer wieder verlassen. Jetzt kennt sie sich entweder bei Raufereien zwischen 14-jährigen Buben nicht aus; dann sollte man ihr das vielleicht beibringen, das kann nun einmal auch blutig enden. Diese strukturelle Gewalt ist offensichtlich latent vorhanden.

 

Das ist gar kein Versäumnis der SPÖ, ich mache hier keine Schuldzuweisung. Aber es gibt trotzdem auch so etwas wie politische Verantwortung, das heißt, sich darum kümmern zu müssen, nicht nur das eine Mal, weil es jetzt passiert ist, sondern allgemein. Das machen Sie jetzt auch, Sie bringen ja selbst einen Antrag ein, weil es Ihnen wichtig ist. Trotzdem war der Bürgermeister davor der Meinung, es sei niederträchtig.

 

Ich bin dieser Meinung nicht und mir ist es ein Anliegen. Ich halte es für meine Pflicht. Ich halte es auch dann für meine Pflicht, wenn ich glaube, dass die Worte, die ich heute an Sie richte, nicht unbedingt etwas verändern werden, obwohl ich immer noch an die gesprochene Demokratie glaube. Der ganze Zweck unseres Plenums ist es ja, uns gegenseitig zu überzeugen. Dass das nur mehr selten passiert und dann trotzdem der eine dem anderen Antrag zustimmt oder der eine auf den anderen Antrag draufgeht, das mag so sein. Aber das Wesen unserer parlamentarischen Demokratie ist, dass wir versuchen, uns durch Argumente zu überzeugen, und dass wir es für notwendig halten, das zu tun, was auch unsere innere Überzeugung ist.

 

Kollegin Jerusalem! Wenn Sie den Bund kritisiert haben, gebe ich Ihnen in diesem einen Punkt teilweise sogar Recht. Ich halte es auch für nonchalant, über diese Fragen hinwegzugehen, wobei ich der Überzeugung bin, dass man die Klassenschülerzahlen nicht nur dadurch senken könnte, dass man zusätzlich extrem viele Lehrer einstellt, sondern dass man sich einmal überlegt, wie viele Stunden ein Lehrer zumutbarerweise unterrichten darf und wie viel man dann noch an zusätzlichen Klassen herausbringen würde.

 

Einer der Vorschläge, die jetzt auch die SPÖ gemacht hat, geht in diese Richtung. Der geht in die Richtung, dass die Lehrer selbst, weiter begleitend, mehr lernen sollen, um sich mit dem Phänomen auseinander zu setzen, mit dem Phänomen von Gewalt, das nun einmal zwischen 14- und 15-jährigen Buben in einer Schule auftritt. Das ist jetzt auch nicht auf niedrige Gefühle hinuntergehend und nicht auf Instinkte wegen der Zuwanderung bezogen. Das bringt auch Probleme, natürlich kommt das hinzu, weil viele von ihnen aus Kulturkreisen sind, in denen die Gewalt, oder das positive Ausleben von Gewalt, noch einen anderen Stellenwert als bei uns hat. Das muss man zugeben, das ist so. Aber dass Buben in dem Alter raufen, ist nichts Außergewöhnliches. Ich weiß das von mir selbst.

 

Warum schütteln Sie den Kopf, Kollegin Ramskogler? Buben in dem Alter raufen nicht? Ich gebe es zu, ich lege eine Beichte ab: Als ich so alt war - ich bin aber ins Gymnasium im 2. Bezirk gegangen, in dasselbe wie Sonja Wehsely -, haben wir gerauft. Mit 14, ich gebe es ehrlich zu, haben wir gerauft. Ich habe mehrfach den Unterricht verlassen müssen oder in der Pause und auch in den Stunden beim Direktor sitzen müssen, weil ich ein

 

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