Gemeinderat,
6. Sitzung vom 28.02.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 74 von 82
Was dabei herauskommt, meine Damen und Herren - ich glaube, Sie sehen es ja sowieso quer durch Europa, dass das langsam auf uns zukommt. Die Zustände in den Pariser Vorstädten sind ein mahnendes Zeichen, und die Demonstrationen in Sachen Karikaturen in ganz Europa zeigen auch Protestpotentiale sondergleichen auf.
Man kann natürlich nie etwas einfach vergleichen, das
ist keine Frage, jeder Vergleich hinkt. Aber Österreich ist mit Gewissheit
keine Insel der Seligen, und ich stelle immer wieder die Frage - und wir können
sie alle nicht beantworten -, ob wir nur fünf oder zehn Jahre hinter den
Entwicklungen woanders - sagen wir in Frankreich, sagen wir in Deutschland,
sagen wir sonst wo - zurück sind oder nicht, und, wenn dem so wäre, was wir
wirklich dagegen machen können, um solche Entwicklungen zu verhindern. Das ist
ja wohl die Frage.
In Wien, meine Damen und Herren, läuft gerade der
Film "Tal der Wölfe". Antiamerikanismus, Antichristentum,
Antisemitismus sind dort sicherlich massiv enthalten. Es gibt in Wien über
dieses Thema keine öffentliche Diskussion, wenn ich von einer Zeitungsmeldung
von Herrn Al-Rawi absehe; da habe ich etwas gelesen. Aber sonst wird weder in
den Zeitungen noch in der sonstigen Öffentlichkeit das Thema diskutiert - und
auch nicht das dahinter stehende Thema, nämlich dass der Film einer der höchst
erfolgreichen der letzten Zeit ist, obwohl er nur auf Türkisch mit deutschen
Untertiteln erscheint, und dass die einhellige Zustimmung der türkischen
Besucher dieses Kinofilms natürlich nicht anders ist als in Deutschland. In
Deutschland läuft eine massive, große und interessante Diskussion, aufgehängt
am Thema "Tal der Wölfe", über die Möglichkeit des Zusammenlebens und
Zusammenseins der verschiedenen Nationalitäten in diesen Ländern, in diesem
Fall eben in der Bundesrepublik. (GR Dipl Ing Omar Al-Rawi: Aber in
Hollywood...! Da regen Sie sich auch auf!) - In Hollywood? - Weiß ich
nicht, ich war nicht in Hollywood, aber ich war zum Beispiel in Berlin. Und
dort wohnt die Soziologin Necla Kelek, die Sie sicher kennen; sie hat diverse
Bücher geschrieben. Sie schreibt als Türkin, als ehemalige Türkin mit deutscher
Staatsbürgerschaft über manche Verhältnisse, die zu zitieren nicht
uninteressant sind. Laut einem Artikel in der "FAZ" vom
24. Februar 2006 sagt sie - ich lese nicht alles vor, aber ein paar Sätze
-:
„Der kulturelle Hintergrund, die Religion, ist
inzwischen viel entscheidender geworden... Der Islam spielt heute eine größere
politische Rolle, als viele wahrhaben wollen, und er regelt auch den Alltag:
Wie gelebt, was gedacht und was abgelehnt wird - Unreine zum Beispiel, zu denen
für viele Türken die Deutschen gehören, die sie verachten." Das ist
bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Einwanderung vor 30 Jahren oder wann auch
immer.
Ein anderes Zitat: „Nur ganz zu Beginn, als meine
Familie neu in Deutschland war, hatten wir noch Kontakte zu Deutschen, spielte
das Kopftuch keine Rolle, war nur die Erziehung sehr traditionell. Aber das hat
sich rasend schnell geändert." Und sie sagt dann: „Man kann hier
30 Jahre mitten in einer deutschen Großstadt leben, ohne sein anatolisches
Dorf im Geiste auch nur einen Tag verlassen zu haben.“
Sie sagt: „Ich habe in meinen Interviews mit
muslimischen Jugendlichen gefragt: Habt ihr deutsche Freunde? Nein, war die
häufigste Antwort, die haben keinen Stolz, keine Ehre."
Also eine ganz interessante Antwort, die natürlich in
Wien nicht eins zu eins umgelegt werden kann auf die Verhältnisse in Berlin -
das weiß ich schon. Aber dessen ungeachtet gibt es diese Grundstimmung und die
Grundhaltung bei uns sicherlich genauso.
Es gibt in der SPÖ auch andere Stimmen als jene, die
die Diversität in den Mittelpunkt der politischen Interessen stellen wollen.
Ich darf darauf hinweisen, dass sich Swoboda, der Europa-Abgeordnete, zu dieser
Thematik klar geäußert hat. Er warnt vor einer blinden Anwendung, die zu einer
Ghettobildung in den Gemeindebauten führen würde, und er würde sich mit
entsprechender Sensibilität für Quoten einsetzen. Und: Er befürchtet bei
Durchführung ohne Wenn und Aber Ähnliches wie beim Universitätszugang, und die
Regierung muss bei der EU-Kommission rechtzeitig argumentieren, warum die
Richtlinie nicht nach dem Buchstaben, sondern dem Sinn nach umgesetzt werden
kann. Er kommt zur Schlussfolgerung: Notfalls gegen die Richtlinie verstoßen!,
und fordert eine ausgewogene Mischung in den Häusern. Und: Für die SPÖ - für
diesen Parlamentarier zumindest - wäre eine Ausländer- und Inländerquote und
auch die Frage der Altersstruktur eine Debatte wert.
Auch Bgm Häupl hat in einem Interview in
"NEWS" gesagt: Wir wollen keine Ausländerghettos. - Das war
allerdings in dem Sinn eine bloße Forderung.
Das sind Worte, die natürlich wichtig wären, wenn sie
auch umzusetzen wären. Ich habe nicht den Eindruck, dass Swoboda wesentlichen
Widerhall in der Sozialistischen Partei gefunden hat; ich glaube nicht, dass
das passiert ist.
Ich glaube, es gibt eine Reihe von rechtlichen
Maßnahmen, die man durchaus ergreifen kann. Durch solche Maßnahmen können
Regelungen gefunden werden, die schon jetzt unter Umsetzung der Richtlinien
Einschränkungen europarechtskonform und verfassungskonform möglich machen. Sie
betreffen Fremdenpolizei, Niederlassung und Aufenthaltsgesetz und beziehen sich
auf - ich werde das jetzt nicht stundenlang vorlesen, sondern nur Folgendes
sagen -:
Maßnahmen zum Wohnungszuzug wie auch zum Bezug der
Sozialhilfe sind einmal in erster Linie auf die Frage der Niederlassungsdauer
zu prüfen. Keine Inanspruchnahme von Sozialleistungen des Landes ohne Nachweis
echter Einkünfte und ohne Krankenversicherung! Das kann man, neben anderen
Dingen, auch für die Sozialversicherung anwenden. Es besteht also hier die
Möglichkeit, dass die Gleichbehandlungsverpflichtung in solchen gesetzlichen
Regeln wirksam wird.
Ein Vorschlag der FPÖ, wie wir
hier zu Überlegungen kommen könnten, um die Gestaltung der Situation dem
Problem anzupassen: Ein Zusammentreten einer Expertenrunde, und zwar nicht nur
aus Juristen, sondern auch
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