Gemeinderat,
6. Sitzung vom 28.02.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 73 von 82
Bürger auf die Politik; ..." - Bei den in
Rede stehenden Richtlinien ist von diesen Grundsätzen aber nur wenig,
eigentlich gar nichts zu bemerken, und das ist leider eine durchgängige Sache
in der gesamten Europäischen Union.
Aber, meine Damen und Herren, es gibt ja
offensichtlich genügend administrative Möglichkeiten, um den Gegebenheiten in
Wien zu entsprechen und um das zu vermeiden, was schädlich für diese Stadt
wäre. Man kann diese Dinge durch administrative Möglichkeiten einschränken,
sowohl was Gemeindewohnungsbezug wie auch Bezug von Sozialhilfe betrifft. Wien
hat ja eine Sonderstellung: Wien ist sicherlich die einzige Stadt in Europa,
die einzige Großstadt in Europa mit 220 000 Gemeindewohnungen, womit
also auf einmal in Wien, als einziger Stadt in Europa, würde ich meinen, 220 000 Gemeindewohnungen
für eine Richtlinie der Europäischen Union zur Verfügung stehen - sicher
unfreiwillig, zumindest von unserer Warte aus gesehen, und unfreiwillig von den
Wienerinnen und Wienern her gesehen.
Die Öffnung für Drittstaatsangehörige, die auch die
Gemeindebauten betrifft, wäre meiner Meinung nach eine sicherlich große und
sehr schlechte Angelegenheit. Sie wäre langfristig ein sozialer Sprengstoff
erster Ordnung, und ich glaube, dass wir alle hier das wissen. Es ist ja auch
in diesem Sinne der Zwischenrufpegel bisher ein relativ niedriger gewesen, denn
das ist eine Frage, bei der sich, so glaube ich, alle dieser Dinge bewusst
sind. (Lebhafte ironische Heiterkeit der
GRinnen Mag Alev Korun und Dr Monika Vana.) Bis auf die GRÜNEN
natürlich, das ist klar.
Bis jetzt hat sich die SPÖ offiziell nicht zur
generellen Öffnung der Gemeindebauten bekannt. Das praktische Verhalten ist
sicherlich ein anderes gewesen, denn es wurden schon die Notfallswohnungen in
entsprechender Weise vergeben, die von H C Strache schon angesprochen
wurden, auf die ich daher nicht mehr eingehen muss und die auch zahlenmäßig
nicht die ganz große Masse darstellen - keine Frage. Aber: Die Besiedelung der
Gemeindebauten mit Drittstaatsangehörigen ist ja schon längst erfolgt: Über den
Mitzug mit einem österreichischen Staatsbürger, weiters durch vorzeitig
Eingebürgerte, wie wir wissen – die vier-, fünf-, sechsjährig Eingebürgerten
sind sicherlich von der Zahl her etwas weniger geworden, aber es gibt sie nach
wie vor in großer Zahl -, und eben durch Einwandererfamilien, in denen einer
die österreichische Staatsbürgerschaft hat und der Rest in der alten verbleibt
und die munter in den Gemeindebau einziehen.
Die Zustände im Gemeindebau sind in der Zwischenzeit
sicherlich eskaliert. Ich glaube, es ist keine Frage, dass das der Fall ist.
Jeder weiß das, und niemand mehr wird dies wirklich in Abrede stellen. Ich habe
hier einen Artikel aus der "Presse" vom November 2005, wo selbst StR
Werner Faymann dazu Stellung bezogen und festgestellt hat:
„Konflikte häufen sich. Mediatoren rücken aus, um in
Gemeindebauten Gemüter abzukühlen und Streit zu schlichten.
Das Konfliktpotential steigt: Wohnbaustadtrat Werner
Faymann sieht in bestimmten Gemeindebauten die Gefahr der Ghettoisierung. Zudem
verschärft sich auch außerhalb des Gemeindebaus in bestimmten Wiener
Stadtteilen die Tendenz zur Ghettobildung. Dies bestätigen Wissenschaftler wie
der Regionalforscher Heinz Fassmann. In manchen Häuserblöcken," - wissen
wir eh alle – „vor allem beim Gürtel oder im 15. Bezirk, leben heute nur
mehr Migranten; Inländer stellen die Minderheit oder sind abgewandert. Im
Gemeindebau treffen eben vor allem Österreicher und Neo-Österreicher
aufeinander. Und die Stadt Wien muss immer öfter Konflikte zwischen beiden
Gruppen schlichten. Gemeindebau-Betreuer berichten, dass immer häufiger
Kleinigkeiten des täglichen Lebens die Wogen hoch gehen lassen.
Gemeindebau-Bewohner kritisieren 'laute, schreiende und respektlose Kinder' der
Neo-Österreicher, die im Gemeindebau trotz Staatsbürgerschaft weiter als
Ausländer gesehen werden." – So weit der Artikel in der "Presse"
von Herrn StR Faymann höchstpersönlich.
Diese Zustände im Gemeindebau sind heute, glaube ich,
unleugbar, und sie nehmen zu und werden weiter zunehmen. Im Gemeindebau zeigt
sich eben im praktischen Leben - nicht in der grauen Theorie und nicht in der
hohen Theorie - eine Konfrontation der Kulturen, eine Konfrontation der
Kulturen und der Lebensweisen, hinsichtlich derer wir in der hohen Debatte der
Theorie noch immer darüber rätseln, ob es sie gäbe oder nicht. Beispiele gibt
es genug, das wurde schon gesagt: Lärmerregung, das Aufbleiben bis in die
Nacht, Ball Spielen mitten in der Nacht im Gemeindebau und und und. Ich glaube,
jeder, der mit Bewohnern von Gemeindebauten spricht, weiß, wovon ich rede.
Ich habe nun meine Zweifel, ob die Sozialistische
Partei oder zumindest große Teile der Sozialistischen Partei diese Entwicklung
mit den EU-Richtlinien nicht letztlich begrüßen, zumindest klammheimlich - das
glaube ich nämlich schon. Die SPÖ kann ja dann endlich eine Politik machen, die
sie wahrscheinlich letztendlich anstreben will und durchführen will, und
behaupten, sie ist nicht schuld - denn schuld ist dann immer die EU und nicht
die Sozialistische Partei, nicht der Bürgermeister, nicht der Stadtrat, nicht
der Stadtsenat. Das Ganze liegt ja auch auf der Linie einer neuen SPÖ-Politik:
Von Integration hin zur Diversität. Diese Haltung ist ja heute von den GRÜNEN
sehr gelobt worden, und die steht fest. Das heißt also: Nicht die Eingliederung
der Zuwanderer in die sprachliche Gemeinschaft Wiens, nicht die Eingliederung
in die bodenständige Kultur ist mehr das Ziel, sondern ganz einfach die
Postulierung der Gleichrangigkeit und der Ebenbürtigkeit von Kulturen, Sprachen
und Lebensweisen im praktischen Leben, ohne Postulierung einer formgebenden
Mehrheitskultur, vielleicht auch "Leitkultur" genannt.
Ich glaube aber nur eines: Die Bevölkerung spielt
nicht mit. - Sie wissen das ganz genau, aber Sie werden in die Schere kommen
zwischen dem Wunsch, auf der einen Seite Ihre Wähler zu halten und auf der
anderen Seite Ihren ideologischen Zielen nachzukommen.
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