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Gemeinderat, 9. Sitzung vom 24.05.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 70 von 108

 

Zielgruppe sind Eltern mit Migrationshintergund, insbesondere auch die Mütter. Ab Herbst 2006 sollen in den Migrantenvereinen und Schulen strukturierte Infoveranstaltungen beziehungsweise Vortragsreihen zu ausgewählten Themen wie Schullaufbahn, Schulsystem, Erziehung und Migration, Bilingualität, Berufschancen, Gesundheit, soziales Umfeld, Gewalt und so weiter sowie Elterntrainings im Dreieck Eltern – Schule – Kinder angeboten werden.

 

Zu Frage 8: Schon jetzt bestehen in Wien mehr Möglichkeiten als in jedem anderen Bundesland, einen Hauptschulabschluss auch nach Beendigung der Schulzeit nachholen zu können, und zwar in Hauptschulabschlusskursen an Wiener Schulen, in Kursen der Wiener Volksbildung und an vielen weiteren anderen Weiterbildungseinrichtungen in Wien selbst.

 

Zu Frage 9: Auch hier ist bei Ihrer Fragestellung der Ansprechpartner wieder der Bund. Zu Ihrer Information: Dieser hat keine Datenauswertungen von einzelnen Bundesländern. Trotzdem sage ich Ihnen: Die PISA-Studie ist in ihrem Ergebnis selbstverständlich ernst zu nehmen, und gerade wir seitens der Stadt Wien führen diese Diskussion über eine Verbesserung des Bildungs- und Schulsystems mit großer Vehemenz.

 

Die Problematik lässt sich allerdings nicht einfach darauf reduzieren, dass man uns 400 Lehrer mehr weggenommen hat, als wir nun wieder zurückbekommen haben. Diese Frage ist wesentlich inhaltsreicher, und sie ist wesentlich tiefschürfender zu diskutieren. So muss man sich etwa damit auseinander setzen, welche Lehrinhalte in welcher didaktischen Form und in welchen Schulorganisationsformen im 21. Jahrhundert vermittelt werden müssen. Wer heute die Ergebnisse von Pisa mit den Schulorganisationen in den jeweiligen Ländern vergleicht, der wird daraus seine Schlüsse ziehen können, sofern er nicht ideologische Nebelbrillen trägt und überhaupt nicht mehr erkennen kann, was sich da abspielt.

 

Fest steht jedenfalls, und das hat für uns enorme Gültigkeit: Mit der Schulorganisation und den Lehrinhalten des 19. Jahrhunderts werden wir die Bildungsanforderungen des 21. Jahrhunderts nicht bewältigen können! (Beifall bei der SPÖ.)

 

In Anbetracht dessen stellt sich etwa auch die ganz einfache Frage: Was wurde zum Beispiel getan, damit jene 20 Prozent an Schülern mit sehr schwachen Leseleistungen österreichweit gefördert und unterstützt werden können? Die Forderungen der Zukunftskommission, die auf dem Tisch liegen und die Sie alle kennen, die sich zum überwältigenden Teil an die österreichische Bundesregierung richten, wurden bis heute nicht einmal zu 12 Prozent erfüllt! Ich denke, allein das lässt schon erkennen, dass die Vatersuche bei Ihrem Elternpaar für die Bildungsmisere ziemlich einfach ist!

 

Es mag sein, dass es hier Versäumnisse gegeben hat, weil wir zu langsam verhandelt und den einen oder anderen Fehler gemacht haben. Ich möchte nicht a priori bestreiten, dass auch uns das eine oder andere passiert ist. Aber in Anbetracht der realen Verantwortungen, die die Gesetze in Österreich vorschreiben, ist ganz klar, an wen man sich zu wenden hat, wenn man die Bildungspolitik in Österreich kritisiert, aber auch, an wen man sich zu wenden hat, wenn man die Bildungspolitik in Österreich besser machen will! Davon bin ich zutiefst überzeugt. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Ich eröffne die Debatte, wobei ich bemerke, dass die Dauer der Diskussion maximal 180 Minuten beträgt.

 

Zunächst erteile ich Frau GRin Jerusalem das Wort. Sie haben maximal 20 Minuten.

 

GRin Susanne Jerusalem (Grüner Klub im Rathaus): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Bürgermeister! Wir erlauben uns dennoch, uns an Sie zu wenden! Wir Abgeordnete in diesem Haus sind durchaus in der Lage festzustellen, in welchen Punkten die Verantwortung ganz klar und eindeutig beim Bund, also bei Unterrichtsministerin Gehrer, liegt und in welchen anderen Punkten die Verantwortung ganz klar und eindeutig bei Wien liegt, und darauf möchte ich jetzt in meiner Rede eingehen.

 

Eigentlich wollte ich ja etwas anderes tun: Ich wollte mir Ihre Antworten vornehmen und ebenfalls Punkt für Punkt feststellen, ob in diesen Antworten irgendetwas Neues steckt, das so augenscheinlich wirken wird, dass wir GRÜNEN sagen können: Danke! Da steckt wirklich etwas drin!

 

Der nächste Pisa-Test wird eine Wien-Auswertung haben. Sie haben sich also zu früh gefreut, wenn Sie glauben, Sie werden sich wieder hinter Österreich verstecken können! Nächstes Mal gibt es eine Wien-Auswertung, und es hätte uns sehr gefreut, wenn wir irgendeinen Hoffnungsschimmer am Ende dieses Tunnels sehen könnten. Wir sehen ihn jetzt aber nicht!

 

Wir sehen keine Hoffnung bis auf einen Gedankengang, den ich für absolut richtig und unterstützenswert halte, nämlich jenen, dass man sich sehr früh sehr viel stärker und deutlicher an Menschen mit nichtdeutscher Muttersprache in unserer Stadt wendet und sie informiert und berät. Wenn das vermehrt getan wird, dann ist das eine gute Sache, die selbstverständlich von uns unterstützt wird und hoffentlich irgendeine Form von Erfolg zeitigen wird!

 

Ich sage es noch einmal: Ich bin der Meinung, dass das hier der richtige Ort ist, diese Probleme zu diskutieren, und ich denke mir, dass der Vater dieser Misere durchaus bekannt ist! – Der Vater dieser Misere heißt Bgm Häupl! Das halte ich noch einmal zur Sicherheit fest, damit es zwischen uns kein Missverständnis gibt!

 

Ich möchte aber, bevor ich jetzt auf jene Punkte eingehe, von welchen ich der Meinung bin, dass es sich hiebei um eine hausgemachte Misere handelt, ein paar Worte in Richtung ÖVP sagen: Natürlich sitzt die Mutter der Kürzungen in der ÖVP und natürlich ist Unterrichtsministerin Gehrer erstens Ignoranz und zweitens Reformresistenz in einem Ausmaß vorzuwerfen, das beinahe schon unwahrscheinlich ist!

 

Es tut mir jetzt sehr Leid, dass Frau Abg Cortolezis noch nicht da ist. (GR Dr Matthias Tschirf: Sie ist nur kurz draußen!) Sie ist nur kurz hinausgegangen?

 

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