Gemeinderat,
9. Sitzung vom 24.05.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 86 von 108
kocht und die nachher mit ihren Eltern brav die Hausübung
machen können; alle anderen sind Ihnen nicht ganz so wichtig.
Das ist nicht unser Zugang. Unser Zugang ist
es, massive Anstrengungen zu machen, die zu einer Chancengleichheit führen, die
allen Kindern in Wien die gleiche Gelegenheit geben sollen zu lernen. Das ist
das Wiener Modell, auf das wir zu Recht stolz sind und das wir uns von Ihnen nicht
kaputt machen lassen. (Beifall bei der
SPÖ.)
Wenn es genug LehrerInnen
für diese Arbeit gibt, die ich gerade erwähnt habe, erspart man sich etwas
anderes: Dann erspart man sich die Forderung, dass man sie mit "Gios"
Schulbus quer durch Wien schickt, weil man das dann an den Schulstandorten
schafft. Noch einmal: Was würde denn das bedeuten? Abgesehen davon, dass Sie
jetzt offensichtlich auch die Verschickung von Lehrstellensuchenden nach Oberösterreich per Schulbus fordern:
Was würde das bedeuten? Es gäbe keine freie Schulwahl, es gäbe einen Zwang,
denn es geht ja auch in eine andere Richtung - das sollten Sie einmal mit Ihren
Kollegen Tiller, Gerstbach et cetera besprechen -, die
Hin-und-her-Verschickungen müssten ja auch in eine andere Richtung gehen.
Aber wie auch immer, unser
Zugang ist einfach der, die Lehrerinnen und Lehrer für Integrationsmaßnahmen,
für Sprachförderung et cetera zur Verfügung zu stellen. Dafür werden wir beim
Bund kämpfen, und das werden wir auch tun, wenn es Ihnen nicht passt.
Die zweite Bemerkung, die
ich zu machen habe: Maria Vassilakou hat ganz am Beginn relativ spaßige
Ausführungen über skurrile Auswüchse dieser Debatte gemacht; es geht um den
Schnitzel-Antrag, den ich gar nicht weiter erwähnen möchte. Jetzt möchte ich
schon klarstellen, ich kann dieser Spaßigkeit der Frage und der Beobachtung
über die Irrelevanz total folgen, sie hat vollkommen Recht.
Nur möchte ich eines schon
sagen, was mir auffällt: Es ist von den GRÜNEN in dieser Debatte kein einziger
Antrag mit eigenen Vorschlägen gekommen! Was wir hier haben, ist eine Anfrage
an den Bürgermeister mit zehn Fragen, und für die Antwort darauf, die mehr als
eine halbe Stunde gedauert hat, wurde dann von Frau Jerusalem eigentlich nur
Verhöhnendes gefunden. Vielleicht kann man das nachprüfen, Frau StRin
Cortolezis hat ja das Protokoll. Ich habe einen Satz in Erinnerung, wie: „Ich
habe in dieser gesamten Rede keinen einzigen Ansatz für Integrationsmaßnahmen
und Sprachförderungen gefunden, der irgendwie dazu führen könnte, dass Wiener
Kinder beim nächsten PISA-Test besser abschneiden können." Ich weiß nicht
- unkonstruktiver, polemischer geht es überhaupt nicht! (Beifall bei der
SPÖ.)
Es geht um genau das, was sich Ihre Kollegin
Vassilakou am Beginn gewünscht hat: Dass man sich doch ernsthaft mit dieser
Sache auseinander setzen soll. Also setzen Sie sich bitte auch mit unseren
Vorschlägen auseinander!
Da ich das jedenfalls tun möchte, möchte ich auf ein
paar Punkte eingehen, die ich von den drei GRÜNEN-Rednerinnen gesammelt habe.
Erstens kommt immer wieder Folgendes vor: Es gibt für den gesamten
Kindergartenbereich zehn muttersprachliche Betreuer, und das ist ein echter
Wahnsinn.
Was Sie meinen, sind die zehn muttersprachlichen
Mitarbeiterinnen des Netzwerks für interkulturelle Kindergarten- und
Hortpädagogik, die alle anderen Pädagoginnen und Pädagogen massiv unterstützen:
Mit eigenem Material, bei Konflikten, bei der Erstellung von Medienkoffern et
cetera. Darüber hinaus gibt es in Wien mehr als 200 - konkret 215 - MitarbeiterInnen
mit verschiedener Muttersprache, also ein bisschen mehr als 10; das könnte man
in den Zahlen vielleicht herausfinden. Es gibt aber darüber hinaus
SprachheilpädagogInnen, die die Kurse für alle Vierjährigen, die es brauchen,
durchführen. Es gibt die Sprachförderung. Der Bildungsplan, Frau
Mag Cortolezis-Schlager, ist in Umsetzung, er wurde vor zwei Wochen
vorgestellt.
Was es vor allem nicht gibt - und ich finde es
wirklich schade, dass das überhaupt gekommen ist -: Es gibt keine Verhinderung
des Zugangs für Zuwandererkinder in Wiener Kindergärten. Alle Zahlen sprechen
das genaue Gegenteil. Wenn man sich jede Alterskohorte anschaut, sind
prozentuell sogar ein bisschen mehr Kinder mit nichtösterreichischer
Staatsbürgerschaft in den Kindergärten, als wenn man sich die Alterskohorte in
der Gesamtgesellschaft anschaut. Es ist schlicht und einfach falsch, und ich
möchte Sie bitten, das hier zu unterlassen. (Beifall
bei der SPÖ.)
Ebenfalls falsch ist
natürlich die Debatte um die Lehrer; über die Schuldzuweisung an die Lehrer
haben wir schon sehr oft diskutiert. Nur eine kurze Anmerkung für Mandatarinnen
und Mandatare, die auf die Verfassung der österreichischen Republik vereidigt
sind: Der Bund ist nach Bundes-Verfassungsgesetz zuständig.
Würden wir davon abgehen -
das kann man natürlich politisch diskutieren -, hieße das, dass sich reichere
Gemeinden ein bisschen mehr leisten könnten. Bundeseinheitliche Bildungszugänge
gäbe es dann nicht mehr. Wir sind dagegen! Und dass wir nach fünf Jahren, in
denen unser Bgm Häupl insgesamt mehr als 900 Lehrerinnen und Lehrer
zusätzlich herausverhandelt hat, noch immer diskutieren und sagen: Er ist
schuld, und wir sollen es uns selber zahlen, das zeigt, dass es eigentlich
nicht um die Sache geht, sondern nur darum, dass Sie uns in dieser Sache eine
Schuld umhängen wollen, die wir nicht haben. (Beifall bei der SPÖ.)
Somit bleibt übrig - und das
finde ich schade -, dass Sie mit dieser Dringlichen Anfrage sozusagen einen
Tagesordnungspunkt, eine Plattform geboten haben für die Parolen der
FPÖ-Redner, denen wir mehr oder weniger lauschen mussten, die geprägt sind von
einer Angst, von einem Abgrenzungsdrang, von einer Sichtweise des Besser/Schlechter,
Oben/Unten: Wer kommt, muss sich unterordnen!, einer Sichtweise, die in
Integration keine gemeinsame Anstrengung sieht, sondern schlicht und einfach
einen Zwang, sich einer fiktiven Mehrheits-Leitkultur anzupassen, was auch
immer das konkret ist.
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular