Gemeinderat,
9. Sitzung vom 24.05.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 90 von 108
darf man sich nicht nur um die kleinen Junkies kümmern. Natürlich geht es auch um die, und man kann es nicht so rechtfertigen, dass man sagt: Das ist ein kleiner Junkie, den lassen wir stehen und der soll weiterdealen, wir kümmern uns nur um die Großen. Natürlich muss letztlich auch der kleine Junkie in Angriff genommen werden. Wenn man den kleinen Junkie ausschaltet, dann wird der große Fisch bald keinen mehr haben, der für ihn verteilen geht.
Wenn man aber die heutige Realität in Wien hernimmt,
worüber die Exekutivbeamten mir erzählen, dass sie jemanden festnehmen, der
gedealt hat, und 24 Stunden später ist derjenige wieder auf der Straßen
anzutreffen und zeigt ihnen die lange Nase, später trifft man ihn erneut bei
einer Deal-Aktion an, nimmt ihn noch einmal hops, und nach 48 Stunden ist
er wieder auf der Straße - na, dann kann man verstehen, dass gerade im
Exekutivbereich viele wirklich aufgegeben haben. Aber das kann es nicht sein.
Natürlich muss man auch festhalten, was vor wenigen
Tagen der Vorfall von Graz gezeigt hat. Da sind abermals einige Personen
verhaftet worden, die schwunghaften Handel mit der Ersatzdroge Substitol
betrieben haben; neben anderen Substanzen haben sie 7 500 Stück -
7 500 Stück! - Substitol verkauft, mit einem Gesamtwert in der Höhe von
500 000 EUR. Diese kleine Gruppe ist in Graz festgenommen worden. Das
ist jenes Mittel, an dem in den letzten Wochen und Monaten zahlreiche
Jugendliche in Österreich verstorben sind.
Da darf man jetzt raten - und Sie dürfen raten -, wo
man laut Ermittlungsergebnissen diese Ersatzdroge besorgt hat. Sie haben das
angegeben: Am Karlsplatz in Wien! In Wien hat man diese Substitol-Präparate
besorgt; man hat sie letztlich von Menschen gekauft, die im
Drogenersatzprogramm stecken. Das ist natürlich interessant, weil daran auch
augenscheinlich wird, dass Substitol offensichtlich für viele Menschen, die in
diesem Drogenersatzprogramm stecken, viel zu hoch eingestuft wird. Durch diese
zu hohe Einstufung ist ein Überschuss vorhanden, der zu einem fleißigen Handel
führt beziehungsweise von manchen, die in so einem Drogenersatzprogramm stecken,
wahrscheinlich verkauft wird, um sich wieder eine feine, gute Droge kaufen zu
können.
All das ist etwas, was uns auch wieder als
Alarmsignal dienen sollte. Was können wir unternehmen, um gegen solche
Entwicklungen vorzugehen und diese zu verhindern?
Das Drogenkonzept der Stadt Wien aus dem Jahr 1999
ist eines, das meiner Meinung nach überholt ist. Da müssen wir handeln, und ich
möchte auch eines für mich festmachen. Wir haben in Wien einen
Drogenkoordinator, und da ist allein schon die Begrifflichkeit für mich
schmerzvoll. Ich meine, der Drogenbereich, der Drogenhandel und all das
koordiniert sich ohnehin von selbst. Wenn schon, dann stelle ich mir das anders
vor: Dann stelle ich mir einen Anti-Drogenkoordinator vor! Dann stelle
ich mir jemanden vor, der seine Aufgabe wirklich dahin gehend versteht, die
Drogenbekämpfung zu unterstützen und den Betroffenen zu helfen, aber nicht
herzugehen, Polizeistatistiken als Erfolgsstatistiken darzustellen und den
Drogenkonsum sozusagen herunterzuspielen, ja sogar bei Haschischkonsum
einzufordern, dass das Strafrecht da überhaupt ersatzlos zu streichen ist.
Das ist für mich ein völlig verfehlter Denkansatz!
Und es zeigt dies für mich auch das Versagen der Wiener Drogenpolitik auf
breiter Ebene. Da ruiniert man letztlich auch die Einrichtung des Koordinators,
der Anti-Drogenkoordinator heißen sollte. Ich meine, dass es bei den
Verfehlungen, die es in dem Bereich gibt, wirklich notwendig ist, den Rücktritt
des Drogenkoordinators zu fordern.
Ich sehe, dass ich schon in der letzten Minute meiner
Redezeit bin, und möchte nun, damit man hier nicht weiterhin fahrlässig
handelt, sondern Änderungen in Angriff nimmt, zum Abschluss einen
Beschlussantrag einbringen, aber davor noch etwas aus dem Drogenbericht
vorlesen.
In dem Bericht liest man, dass ein abermaliges
Ansteigen der Täterschaften aus den westafrikanischen Ländern festzustellen
ist. Dort heißt es: „Diese Tatsache betrifft gleichermaßen die offenen Wiener
Suchtmittelszenen als auch den organisierten Suchtmittelhandel. Die offenen
Wiener Suchtmittelszenen wurden und werden eindeutig von Angehörigen
westafrikanischer Staaten dominiert, wobei jedoch auch Angehörige anderer
Nationen - wie ehemaliges Jugoslawien, nordafrikanische Staaten - angetroffen
und festgenommen wurden." Ich zitiere weiter: „Dealer wie Abnehmer sind
aufgrund des guten öffentlichen Verkehrsnetzes sehr mobil, weshalb die noch bis
vor einigen Jahren auf ein paar Örtlichkeiten in Wien konzentrierte
Suchtmittelkriminalität mittlerweile fast im gesamten Stadtgebiet
stattfindet."
Das sind die Realitäten! Und das stammt nicht von
mir, sondern das stammt aus einem offiziellen Bericht des Innenministeriums.
Das kann man nicht wegwischen, das steht hier schwarz auf weiß. Da fragt man sich,
warum unsere Forderungen bis heute von Ihnen einfach negiert und nicht
umgesetzt werden.
Wir werden daher einen Beschlussantrag einbringen.
Wir werden nämlich nicht handlungsunfähig und handlungsunwillig sein, so wie
Sie das sind, so wie die Stadt Wien das im Rahmen Ihrer Verantwortlichkeit
gegenüber der ausufernden Drogenkriminalität lebt, wobei Sie der Entwicklung
tatenlos zusieht.
Wir fordern mittels Beschlussantrags als ersten
Schritt in die richtige Richtung, dass der derzeitige Drogenkoordinator Michael
Dressel abgesetzt wird. Sein Aufgabenbereich soll im Sinne einer
Kompetenzerweiterung verbunden und mit Durchgriffsrechten neu definiert werden.
Im Zuge dieser Neudefinition soll eine Änderung der Bezeichnung in
Anti-Drogenkoordinator erfolgen, woraus auch der Kampf gegen
Suchtmittelmissbrauch ersichtlich ist.
Diesen Antrag bringen wir ein, und
wir hoffen, dass Sie endlich einmal diese dramatische Entwicklung zur Kenntnis
nehmen, nicht schön färben und hier auch bereit sind, Ihre verfehlte Drogenpolitik
zu beenden und eine effiziente in Angriff zu nehmen. Auch Holland hat als
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