Gemeinderat,
19. Sitzung vom 29.03.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 69 von 71
vielleicht gesund geworden
oder sonst gestorben. Bezeichnenderweise war es auch die Versorgung von
verwundeten Soldaten, in der die Pflege ursprünglich Bedeutung bekommen hat,
weil das sozusagen auch wirtschaftlich und militärisch notwendig war.
Man hat bei dieser
Veranstaltung „175 Jahre Barmherzige Schwestern" gesehen, dass es
tatsächlich vier Schwestern aus Zams in Tirol - nicht gerade eine Metropole
auch zu dieser Zeit - waren, die auf Einladung und auf besondere Bitte des
Kaisers nach Wien kamen, um hier in der Pflege zu wirken. Sie haben sich auf
einen langen, langen Weg gemacht, sind von Zams in die Gumpendorfer Straße
gekommen, und dort muss es sozusagen ein Kulturschock gewesen sein, aus einem
Tiroler Dorf und mit dieser Ordenstradition zu kommen. Sie haben sich aber
etabliert und haben mittlerweile ja ein bemerkenswertes und nachhaltiges
Projekt der Versorgung mit pflegerischer und medizinischer Kunst in Wien
etabliert.
Wir kommen also von einem dienenden Konzept her, wir
kommen von einem christlich-barmherzigen Konzept her. Wir alle sollten längst
wissen, dass diese Konzepte historisch ihre ganz wichtige Tradition haben, aber
dass wir sie überwinden müssen für eine professionelle, eine selbstbewusste,
eine sachlich und wissenschaftlich abgesicherte Pflege. Darum ist zu kämpfen.
Es ist auch darum zu kämpfen, dass die Pflege im
Vergleich und in der Zusammenarbeit mit der Medizin den gleichrangigen Platz
erhält, der ihr zusteht. Auch wenn seit 1997 im Gesundheits- und
Krankenpflegegesetz die eigenverantwortliche Tätigkeit festgeschrieben ist, gibt
es nichtsdestoweniger immer noch Angehörige der Ärzteschaft, die finden, dass
die Pflege im Wesentlichen eine Hilfswissenschaft oder gar keine Wissenschaft,
sondern ein Hilfsdienst für die Medizin ist.
Der Umstand, dass man kein Geld, keine Energie und
keine Ressource für die Pflegewissenschaft freigeben will, zeigt, dass es
offensichtlich unter den Ärzten, in der Ärzteschaft vielleicht auch irrationale
Angst vor Konkurrenz, vor Gleichrangigkeit gibt. Man muss dazu wissen, dass
noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts in den ärztlichen Ausbildungsbüchern
für die Pflege immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass es nicht zu viel
Wissen und schon gar nicht zu viel medizinische Kompetenz bei den Pflegenden
geben soll. Eigentlich ein unhaltbarer Standpunkt! Aber in dieser Tradition
denken offensichtlich noch die einen oder anderen.
Denn sonst könnte es nicht so sein, dass man an der
Medizinischen Universität mit etwas so Wichtigem wie der Pflegewissenschaft so
umgeht, dass man sagt: Gut, wenn jemand einen Lehrstuhl für drei Jahre stiftet,
dann möge es so sein, aber danach geht uns das Geld aus und auch die Idee, um
das zu etablieren. - Das halten wir für absolut unakzeptabel, und zwar auch
deshalb, weil es in unser aller Interesse sein muss, dass die Pflege
professionell ist.
Vor hundert Jahren ist man vielleicht noch aus dem
Spital gekommen und war entweder gesund - vielleicht hat man gehumpelt -, oder
man war tot und ist hinausgetragen worden. Aber die Tatsache, dass wir jetzt
durch medizinische Kunst vielleicht wieder zusammengeflickt und notdürftig
gesund gemacht werden, jedoch für chronische Erkrankungen oder für das hohe
Alter oder in der Intensivbetreuung oft komplexe und gute pflegerische
Betreuung brauchen, das müsste es uns doch wert sein, dass wir genügend Geld
investieren, damit diese Ausführung auch auf hohem Niveau gesichert ist, dass
es Qualität gibt, dass es Forschung über neue Pflegekonzepte gibt, dass
schlicht und einfach die Pflegepraxis verbessert wird, dass die Pflegepersonen
in der so genannten Apparatemedizin ihren Teil auch auf kompetente Weise
leisten können.
Wer je auf einer Intensivstation geschaut
hat ... (GRin Anica Matzka-Dojder:
Wenn Sie sagen, dass sie inkompetent sind, werden sie das gerne hören!) Sie
sind nicht inkompetent. Frau Kollegin, Sie haben mir nicht zugehört! Ich halte
hier eine Brandrede für die Pflege, und ich weiß nicht, was gerade Sie daran
kränken könnte. Denn die Tatsache, dass die Pflege als Wissenschaft etabliert
ist, muss besonders für die Angehörigen der Pflegeberufe das erste Interesse
sein. (Zwischenruf von GRin Anica
Matzka-Dojder.)
Frau Kollegin Matzka! Wenn Sie mir zuhören würden,
würden Sie diese Schlussfolgerung vielleicht auch nachvollziehen können. Also argumentieren
Sie nicht gegen mich, sondern argumentieren Sie für dieses Anliegen, und ich
werde mich mit Interesse daran erfreuen, dass Sie unserem Antrag zustimmen
werden. Davon gehe ich nämlich aus, denn als Mitglied des Pflegeberufes können
Sie doch gar nicht gegen die Finanzierung der Pflegewissenschaft an der
Universität Wien stimmen. Ich schaue Ihrem Abstimmungsverhalten zuversichtlich
entgegen.
Damit komme ich auch zu meinem Antrag, einem Antrag
auf sofortige Abstimmung. Ich bitte also alle, die - auch in der
Regierungsfraktion - etwas für Pflege übrig haben, sich das auch wirklich und
vielleicht aus ganz persönlichem Interesse zu überlegen. Wir alle brauchen
irgendwann in unserem Leben Unterstützung durch Pflege.
Die Finanzierung der Pflegewissenschaft ist nicht
gesichert. Wir meinen, dass die Gemeinde Wien ihren Beitrag liefern soll; sie
soll die entsprechenden Finanzmittel sicherstellen. (Amtsf StRin Mag Sonja
Wehsely: Natürlich! Wie immer! Das
grüne Modell ist immer dasselbe! Zu wenig Lehrer - Wien soll zahlen!) Wien
soll zahlen, und die Medizinische Universität soll ihren Beitrag geben, Sonja,
genau! (Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Eindeutig eine Aufgabe des Bundes!)
Aber im AKH und an der Medizinischen Universität ist
so unfassbar viel Geld, das sich die Gemeinde Wien endlich abholen sollte. Ich
sage nur Infrastrukturbeitrag, den du auf eine für mich unverständliche Weise
der Medizinischen Universität und den Ärzten schenkst. (Amtsf StRin Mag
Sonja Wehsely: Wir können gern über alles reden! Aber das hat damit gar nichts
zu tun!) Ich finde, jeder soll seinen Beitrag leisten (Amtsf StRin Mag
Sonja Wehsely: Genau!), auch die Gemeinde Wien.
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