Gemeinderat,
22. Sitzung vom 26.06.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 118
eine
der 15 EU-Staatsbürgerschaften viermal höher als für gebürtige Österreicher
und Österreicherinnen. Das sind Zahlen, die erschreckend sind. Ein viermal
höheres Drop-out-Risiko, aus dem Bildungssystem auszuscheiden, bedeutet eigentlich,
dass dieses Bildungssystem versagt hat, was die Gewährung von Chancengleichheit
und von gleichen Bildungschancen für alle Kinder, die in Wien in die Schule
gehen, betrifft.
Ich möchte einen Punkt noch kurz ansprechen, der mit
dem Bildungssystem und mit gleichen Chancen im Bildungssystem massiv
zusammenhängt: das vielgelobte Sprach-Ticket, das in Wien auch von der
Sozialdemokratie hochgelobt wurde und von dem behauptet wurde, jetzt werden die
Sprachdefizite von Kindern mit schlechten Deutschkenntnissen ausgeglichen, denn
es gibt jetzt dieses Sprach-Ticket. Inzwischen gibt es Untersuchungen dazu, die
eindeutig belegen, das die Sprach-Tickets ein Misserfolg sind.
Ich zitiere aus einem „Kurier"-Artikel vom
6. Juni, wonach eine Studie, die im Auftrag der Arbeiterkammer erstellt
wurde, belegt, dass Sprach-Tickets für angehende Taferlklassler mit Sprachschwierigkeiten
ihr Ziel verfehlt haben. Zitat: „Demnach macht es kaum einen Unterschied, ob
das Ticket, eine Art Gutschein für 120 Stunden Sprachförderung über rund
vier Monate, eingelöst wurde oder nicht."
Das Beispiel zeigt ganz gut, dass es nicht um kosmetische
Maßnahmen gehen darf, mit denen sich die Sozialdemokratie einfach schmückt und
die dann letztendlich nicht wirken. Wenn man die hoffentlich nicht floskelhaft
dahergesagte Chancengerechtigkeit ernst nimmt, dann geht es nicht nur um
irgendwelche nicht wirkenden Sprach-Tickets und dass man sich dafür selbst
lobt, sondern es geht darum, dass man gleiche Erfolge in der Schule erzielt.
Und das hängt wesentlich von der Gewährung von Chancengleichheit ab.
Im Gesundheitswesen – ich kann angesichts der Kürze
der Zeit nicht auf alle Problembereiche und auf die derzeit großteils fehlenden
Lösungen in diesen Problembereichen eingehen –, im Gesundheitswesen – und das
sagen wieder nicht nur wir, sondern Praktiker und Praktikerinnen – schaut es
heute in Wien noch immer so aus, dass es ganze fünf türkischsprachige
DolmetscherInnen in Wiener Spitälern gibt, keine einzige Dolmetscherin, keinen
einzigen Dolmetsch für die Sprachen des ehemaligen Jugoslawien, detto keine
einzige Dolmetscherin für die arabische Sprache und so weiter und so fort. Es
ist gang und gäbe in Wiener Spitälern, dass Patienten und Patientinnen
sozusagen zusammengeschimpft werden – unter Anführungszeichen –, warum sie denn
nicht Deutsch können und dass den angestellten DolmetscherInnen des Krankenanstaltenverbunds
gesagt wird: Sagen Sie der Patientin, sie soll nächstes Mal, wenn sie ins
Spital kommt, selber einen Dolmetsch mitnehmen, denn wir können nicht jedes Mal
Sie rufen. Aber das sind Leute, die eigentlich dafür bezahlt werden, dass sie
übersetzen in Fällen, wo die Deutschkenntnisse nicht ausreichend sind.
Wir sind also weit entfernt von einem
gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsleistungen in Wien. Nachdem uns vor
mehr als eineinhalb Jahren von der damaligen Gesundheitsstadträtin Brauner gesagt
wurde, es wird an einem Diversitätspaket im KAV gearbeitet, das fast schon
fertig sei und das alles besser machen würde, scheint es, dass dieses
Diversitätspaket sich offensichtlich in Luft aufgelöst hat, denn seitdem war
trotz mehrmaliger Nachfrage bei der derzeitigen Gesundheitsstadträtin davon
nichts mehr zu hören.
Daher stellen wir den Antrag, dass dieses
Diversitätspaket des KAV erstens der Öffentlichkeit präsentiert werden soll und
zweitens konkrete Maßnahmen zur interkulturellen Öffnung des Gesundheitswesens
ergriffen werden.
In formeller Hinsicht verlangen wir die sofortige
Abstimmung dieses Antrags.
Die Situation von Asylwerbern und Asylwerberinnen und
anderen AusländerInnen, die unter die Bund-Länder-Grundversorgungsvereinbarung
fallen, ist teilweise eine katastrophale. Die Grundversorgungsvereinbarung hat
zwar Fortschritte mit sich gebracht, dass man sozusagen so etwas wie ein Recht
– sehr großzügig formuliert, sage ich jetzt einmal – hat auf Betreuung. Dieses
Recht greift aber in der Praxis nicht durch. Es gibt etliche Menschen, die
obdachlos sind, obwohl sie eigentlich versorgt werden sollten nach der
Bund-Länder-Grundversorgungsvereinbarung. Fragen Sie zum Beispiel Frau Bock,
die versucht, Hunderte von diesen Menschen mit Spenden, die sie auftreibt oder
aufzutreiben versucht, in privaten Wohnungen, die sie mietet, unterzubringen.
So schaut die Situation aus.
Bei der Grundversorgung vor allem von Gruppen wie zum
Beispiel unbegleiteten Minderjährigen, von psychisch kranken Menschen, die
gefoltert wurden und die traumatische Erlebnisse hatten, hat Wien zwar, was die
Betreuung durch NGOs betrifft, hohe Kriterien festgelegt, die Tagsätze, die
dazu bestimmt wurden, sind aber alles andere als ausreichend, um diese hohen
Standards erfüllen zu können.
Nachdem die Betreuung von diesen Menschen nach einem
Jahr auf den Bund übergeht, was die Kosten betrifft, und die Stadt Wien also
nicht sagen kann, dass sie wahnsinnig viel Geld für die Betreuung dieser
Menschen ausgibt, ganz abgesehen davon, dass die Stadt Wien beziehungsweise die
Wiener SPÖ bis heute ja nicht bekannt gibt, wie viel Geld für die Betreuung von
AsylwerberInnen wirklich ausgegeben wird (GR
Mag Wolfgang Jung: Tausende Euros! Das ist das Problem!), denn das ist
ja im Budget des Fonds Soziales Wien „geparkt", und wenn man als
Oppositionspartei nachfragt, was die genauen Kosten der
15a-Grundversorgungsvereinbarung sind, kriegt man schlicht und ergreifend keine
Antwort.
Tatsache ist, dass Wien hier
gefordert ist, vor allem, was die Bedürfnisse von besonders verletzlichen
Gruppen betrifft wie zum Beispiel unbegleitete Minderjährige, psychisch Kranke,
Schwangere, aber auch andere Gruppen, dass da etwas passieren muss und dass die
Verbesserung der Betreuungs- und Versorgungssituation
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular