Gemeinderat,
23. Sitzung vom 27.06.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 25 von 99
Mutter besuchen will.
Mit dem grundsätzlichen Weg sind wir einverstanden.
Wir sind allerdings der Meinung, es sollte noch intensiver stattfinden, noch
mehr Einheiten gleichermaßen in allen Bezirken. Wir sind auch der Meinung, dass
die Bevölkerungsentwicklung weitergehen wird. Wenn man einmal soweit ist, dass
man überall seine Geriatrieeinrichtungen hat, sie allerdings dann voll sind,
weil sie zum Beispiel für 10 000 Betten konzipiert sind, man aber
immer mehr alte, pflegebedürftige, hilfsbedürftige Menschen hat, dann sollte
man die vielleicht jetzt schon weitblickender so groß gestalten, dass man dann
2015 nicht wieder alles neu machen muss. Wie gesagt, das, was in diesem
Geriatriekonzept oder in „Pflege und Betreuung in Wien" steht, können wir
durchaus unterstützen und sind der Meinung, dass es weiter intensiviert werden
sollte.
Unsere weiteren Punkte, die wir im Bereich Pflege
anregen würden, wären, dass man unter anderem auch die Tagesbetreuung ausbaut,
die Tagesheimstätten ausbaut. Das ist etwas sehr Sinnvolles. Viele Leute sind
allein im Alter. Das Einzige, was sie brauchen, ist einerseits ein bisschen
Ansprache und in dem Sinn auch eine unauffällige Kontrolle, wie sich ihr
Gesundheitszustand entwickelt.
Dass man beispielsweise die Kurzzeitpflege mehr
fördert, eine Erhöhung des Angebots der Kurzzeitpflege mit einer klaren
Definition, was ausschließlich für eine Kurzzeitpflege zu nützen ist, macht.
Dass man vielleicht auch intensiviert, könnte man
sagen, ein Kompetenzzentrum für Angehörige, dass sie sich informieren können,
welche Möglichkeiten ihnen offen stehen. Wenn jetzt im Bund von der
24-Stunden-Betreuung gesprochen wird, gibt es vielleicht noch andere
Alternativen, aber ich weiß aus eigenem, sitze allerdings Gott sei Dank in
einem Haus, wo ich ganz kompetente Leute fragen kann, es ist nicht leicht
herauszufinden, was man mit seinen Angehörigen macht, dass das möglichst
finanzierbar und vor allen Dingen das Bestmögliche für die Erhaltung des
Gesundheitszustands ist.
Das habe ich schon gesagt, dass man Pflegeplätze nach
demographischer Entwicklung und keine anonymen Massenanstalten schaffen sollte.
Aber da werden Sie mir wahrscheinlich recht geben, weil nicht zuletzt will man
die großen Geriatriezentren verkleinern und durch kleinere ersetzen.
Wenn ich jetzt über Pflege reden soll, tue ich mir
schwer, nur über Wien zu reden, wo das eigentliche Pflegeproblem, der
Pflegenotstand, ein österreichweites ist. Und wenn wir uns anschauen, dass die
Anzahl der Hilfs- und Pflegebedürftigen laut dem Bundesministerium für soziale
Angelegenheiten bei 600 000 in Österreich liegt, wobei derzeit geschätzte
80 Prozent von den Angehörigen gepflegt werden, wird sich das nicht immer
aufrechterhalten lassen, weil wenn die Bevölkerung systematisch altert, werden
die Angehörigen auch nicht mehr alle pflegen können. Wenn ich mir das anschaue,
gibt es 2007 322 000 Pflegegeldempfänger. 1993 waren es noch
230 000. 43 000 legale Pflegekräfte stehen 40 000 illegalen
gegenüber, also ein Status quo von 40 000 Illegalen. Praktisch
50 Prozent der Pflegenden arbeiten illegal. Die Bevölkerung altert, das
habe ich gesagt, bald gibt es keine pflegenden Angehörigen mehr. Das heißt, es
ist unserer Meinung nach ein Problem der ganzen Gesellschaft.
Wenn wir uns rühmen, ein Sozialstaat zu sein, und wir
Freiheitlichen als soziale Heimatpartei bekennen uns dazu, dann fragt man sich,
warum die Solidarität in dem Moment aufhört, wo aus dem Patienten ein Pflegling
wird. Warum trennen wir Krankheit und Pflege? Wir machen Gott sei Dank die Spitzenmedizin
in Wien für jedermann zugänglich, nicht wie in den USA, wo es nur den Reichen
zugute kommt oder wie in England, wo es größtenteils nur den Jüngeren zugute
kommt. Wieso gibt es dann diesen Bruch? Sobald jemand ein Pflegefall wird, gibt
es keine solidarische Lösung mehr.
Wir haben auch unsere Haltung bei der damaligen
Zusammenlegung ausgedrückt. Unserer Meinung nach war das ohnedies immer in der
Patientenanwaltschaft inkludiert, weil für uns grundsätzlich zwischen Pflegling
und Patient kein Unterschied ist. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn beispielsweise ein Drogenkranker als Kranker
behandelt wird und die Gemeinschaft das bezahlt, dann frage ich mich, wieso ein
unverschuldet hilflos Gewordener zum Teil selbst zahlen muss. Warum endet
unsere Solidarität dort, wo es um Hilfsbedürftige und Pfleglinge geht?
Es ist auch erschreckend, dass die
ganze Diskussion durch einen Anlassfall aufgekocht wurde, wo der damalige Herr
Bundeskanzler, der es sich wahrlich leisten könnte, der Anlassfall für dieses
Thema, das jedem bewusst war und wo dann noch geleugnet wurde, dass wir keinen
Pflegenotstand haben, eh alles in Ordnung ist. Ich muss Ihnen diese
grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Fragen vorhalten und muss mich selbst
fragen, weil wenn zum Beispiel die GRÜNEN die Grundsicherung wollen, das
arbeitslose Grundeinkommen, was abgesehen von unserer heutigen Diskussion
meines Erachtens gegen das Leistungsprinzip ist (GR Dipl-Ing Martin
Margulies: Es geht um die Familiensicherung!) - Moment, lassen Sie mich ausreden! -, wo auch die
Selbstbestätigung den jungen Menschen in irgendeiner Weise genommen wird. Alles
schön und gut, man kann über alles diskutieren. Wir sind dagegen, aber
diskutieren tun wir natürlich über alles. Aber sollten wir uns nicht vorher
darum kümmern, dass diese Gruppe unserer Gesellschaft klar geregelten Regeln
zufließt, die auf unsere permanente Hilfe angewiesen ist? Sollten wir uns nicht
darum kümmern, was mit uns allen passiert, wenn wir auf diese permanente Hilfe
angewiesen sind? Weil es wird mit Sicherheit Teile von uns hier nicht
verschonen. Es ist nicht das Problem von irgendeinem, den es betrifft, sondern
das ist unser aller Problem, das wir hier diskutieren. Sollten die Menschen
dann wirklich alles verlieren, was sie im Leben aufgebaut haben, wenn sie das
Unglück haben, hilfsbedürftig zu werden? Sollte da nicht vielmehr die Politik
andere Prioritäten setzen, soziale Prioritäten, ein Netz bilden, das für die
unverschuldet hilflos Gewordenen ein soziales Netz bietet. Ist das nicht
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