Gemeinderat,
26. Sitzung vom 19.11.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 120
zugegeben, dass die Armut steigt. Es ist aber alarmierend, wie die Armut in dieser Stadt steigt. Die Zahlen steigen jahrein, jahraus dramatisch weiter und weiter und weiter und es reicht seitens der Stadt nicht, dass man sozusagen einfach festhält, dass das Selbstverständlichste erreicht worden ist, nämlich, dass zumindest einmal jener Budgetposten, der für soziale Leistungen, also insbesondere für die Sozialhilfe, vorgesehen ist, halt auch etwas besser dotiert worden ist. Wir wissen alle, wir haben keine andere Wahl, als diesen etwas höher zu dotieren, denn wenn wir das nicht tun, erreichen wir ganz einfach ein ganz großes Defizit genau bei diesem Posten, so wie wir es in früheren Jahren hatten, wo wir von hier aus mehrfach diskutiert haben, ob es nun bei der Sozialhilfe ein Finanzierungsloch gibt - ja oder nein - und wie groß es ist.
Also es ist erfreulich, wenn sich kein
Finanzierungsloch einstellen sollte. Das werden wir ja noch sehen, ob es so
kommt. Aber, meine Damen und Herren, es reicht nicht, sich lediglich Gedanken
zu machen, wie ich dementsprechend die Ausgaben für die Sozialhilfe erhöhen
kann. Es ist, und einmal mehr sei es von dieser Stelle aus betont, an der Zeit,
sich über weiterführende Konzepte Gedanken zu machen. Wien braucht eine
Grundsicherung für die Menschen in dieser Stadt, die jahrein, jahraus erleben,
dass sie in einer der reichsten Städte der Welt in bitterer Armut leben. Und
Armut ist nicht irgendwie eine Floskel, Armut bedeutet in Wien an Tagen wie
diesen, sich überlegen zu müssen, kann ich es mir denn leisten, die Heizung
einzuschalten. Armut bedeutet, Lebensmittel einkaufen zu gehen und sich nicht
das, was man zum Essen braucht, das, was man sich zum Essen wünscht, kaufen zu
können, sondern überall in den Regalen zu schauen, was sind die billigsten
Eier, welche Butter hat den günstigsten Preis, kann ich mir denn noch dieses
Brot leisten oder wo gibt es ein noch billigeres paketiertes Brot. Armut
bedeutet auch ein Gesundheitsrisiko. Armut bedeutet im Übrigen auch,
Lebensmittel zu kaufen, die mitunter gerade, weil sie am günstigsten sind,
womöglich auch noch ziemlich oft, sagen wir einmal, Ingredienzien enthalten,
die wir uns alle ganz sicher nicht mehr sozusagen zuführen brauchen, weil wir
in einer völlig anderen Welt, in einer völlig anderen Sphäre leben.
Nun, für diese Menschen, wie gesagt, braucht es
soziale Absicherung. Es braucht eine Zukunftsperspektive. Es braucht die
Grundsicherung, die nicht nur ermöglichen würde, ein Leben in Würde zu
verleben, sondern die zusätzlich auch die Möglichkeit geben würde, dass die
Menschen Aufbaumaßnahmen versuchen können, sich Fortbildungsmaßnahmen leisten
können und im Leben ganz einfach einen Neustart haben können, um aus der
Situation heraus zu kommen. Davon sind wir in dieser Stadt, meine Damen und
Herren, meilenweit entfernt. Und die vollmundigen Ankündigungen des Herrn
Sozialministers sind wahnsinnig schön anzuhören, aber sie haben überhaupt keine
Bewandtnis auf die derzeitige aktuelle Situation in dieser Stadt.
Und ich denke einmal mehr, Wien hätte schon vor
Jahren die Möglichkeit gehabt, genau in diesem Bereich den Schwerpunkt zu
legen, genau in diesem Bereich zu investieren und tatsächlich die
Grundsicherung aus eigenem Antrieb heraus in dieser Stadt zu schaffen. Man tut
es nicht, und es rächt sich. Es rächt sich, wie gesagt, weil die Armut steigt,
es rächt sich aber auch, weil der Mittelstand in dieser Stadt jahrein, jahraus
feststellt, dass er am Ende des Monats immer weniger zum Leben hat.
Und damit komme ich auf einen zweiten Bereich, der
sich immer mehr zu einem sehr großen Problembereich entwickelt, und das ist der
Bereich Wohnen. Also, gerade das Kapitel Wohnen verzeichnete eine drastische
Verteuerung in den letzten Jahren. Und Sie wissen, und wir wissen alle, dass
gerade in diesem Bereich junge Familien mit Kindern massiv betroffen sind. Und
ich bringe Ihnen nur ein Beispiel – Leberberg -, wo die GRÜNEN jetzt vor Kurzem
ein kleines Lokalbüro eröffnet haben, wo auch Bewohnerinnen und Bewohner die
Möglichkeit haben vorbeizukommen und mit uns zu sprechen. Und was hören wir da?
Die Delogierungen sollen dramatisch zugenommen haben, es soll kein Tag vergehen
- sagen die Bewohnerinnen und Bewohner dort - ohne dass jemand ausziehen muss,
weil er sich die Miete, sogar im bereits geförderten Wohnbau, nicht mehr
leisten kann. Also, wenn hier kein Handlungsbedarf vorhanden ist, dann wüsste
ich nicht, wo.
Und wenn wir schon bei einem dritten Bereich sind,
der eben damit zu tun hat, dass sich in dieser Stadt immer mehr Menschen immer
mehr berechtigte Sorgen machen müssen, wie ihre Zukunft finanziell aussieht,
dann möchte ich auf die Umbrüche am Arbeitsmarkt zu sprechen kommen.
Ja, Sie haben es selbst angesprochen, die Zahl der
Ein-Personen-Unternehmen nimmt von Jahr zu Jahr zu, ebenso auch die Anzahl der
Kleinstunternehmen, also solche, in denen sozusagen maximal zwei bis drei
Personen Beschäftigung finden, und genau für diese Gruppe gibt es nach wie vor
keine oder kaum eine soziale Absicherung.
Zwar wird es jetzt mit Anfang 2008 etwas besser,
und das ist zu begrüßen. Es ist zu begrüßen, dass künftig zumindest eine Form
von Arbeitslosenversicherung da sein wird, es ist auch zu begrüßen, dass
künftig zumindest auch eine Form von Abfertigung möglich sein wird, die gerade
für Ein-Personen-Unternehmerinnen und -Unternehmer von existenzieller Bedeutung
sein kann.
Nichtsdestotrotz gibt es gerade für diese Gruppe nach
wie vor kein schlüssiges soziales Netz. Und wir erleben es auch, insbesondere
dann, wenn Krankheit kommt, wenn ein Unfall kommt, wenn man für zwei bis drei
Monate einfach aus dem Arbeitsprozess aussteigen muss, und wenn man dann
feststellt, dass ganz einfach die gesamte Existenz auf Grund dessen schlicht
ruiniert ist, weil es nicht die Möglichkeit gibt, hier einzuspringen, weil es
hier nicht die Möglichkeit gibt, die Infrastruktur aufrechtzuerhalten, weil der
Bezug von Sozialhilfe in diesem Fall ausgeschlossen ist.
Also,
wir haben Tausende von Menschen, die jahrein, jahraus - und es werden immer
mehr - in diesem
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