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Gemeinderat, 26. Sitzung vom 19.11.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 120

 

ermöglicht, die Durchlässigkeit in der Bildung noch weiter zu erhöhen, die Lehre auf der einen Seite zu prämieren, aber auch Lehre und/oder Matura entsprechend zu unterstützen. Warum warten Sie immer, bis Sie wirklich das Schlusslicht sind? Warum ermöglichen Sie in Wien nicht die Übernahme der Kosten für die Reifeprüfung und Berufsreifeprüfung für jene, die eine Lehre machen oder einen Lehrabschluss haben? (Beifall bei der ÖVP.)

 

Müssen wir uns immer darüber unterhalten, wie es in anderen Bundesländern ist, oder können wir eines Tages auch die Spitzenwerte Wiens noch erleben?

 

Kommen wir aber nun zu den Kindergartenbeiträgen im Vergleich. Auch das ist unangenehm. Nehmen wir eine Familie: Der Vater ist Alleinverdiener, die Mutter Hausfrau, ein dreijähriges Kind, Alleinverdienerabsetzbetrag. Das Einkommen des Vaters brutto: 3 820 EUR, 2 272 EUR netto. Sie zählen zum Einkommen interessanterweise die Familienbeihilfe dazu, eigentlich eine Transferzahlung, aber nehmen wir auch die dazu: 112 EUR – rotes Wien! Das ergibt ein Familiennettoeinkommen von 2 385 EUR. Jetzt vergleichen wir mit diesem Nettoeinkommen, was die Familie in Wien, in Graz und in Linz bezahlt. Ich bin gar nicht nach Bayern gegangen, das ist zu weit für Sie. In Wien sind es 278 EUR pro Monat, in Graz zahlt dieselbe Familie nur 184 EUR und in Linz nur 185 EUR.

 

Das ist das soziale rote Wien, das Sie nennen? Das ist jener Betrag, auf den Sie stolz sind? Sie wundern sich, warum die Betreuungsquote so gering ist in Wien! Auch da nehmen Sie immer die Zahlen von vor fünf Jahren und haben nicht die letzten Zahlen parat, weil Ihnen unangenehm ist zu wissen, dass der österreichweite Durchschnitt bei der Betreuungsquote bei Fünfjährigen 92 Prozent und in Wien nur 83 Prozent und damit an letzter Stelle ist. Bei diesen Gebühren, bei dieser Familienfeindlichkeit darf es einen nicht wundern, wenn ganz einfach in Wien der Nachwuchs letztendlich „schwer" zu bekommen ist, im Sinn davon, Lebensumstände vorzufinden, in denen Familien auch entsprechend gefördert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Sie ermöglichen den Wiener Familien nicht, vom Kindergarten bis zum Ende der Erstausbildung eine durchgängige Betreuung zu haben, außer es kann sich jemand private Kinderbetreuung leisten. Während in Bundesschulen nach wie vor 100 Prozent eine Nachmittagsbetreuung haben – ich hoffe, dass das auch weiter so bleibt, aber die schwarz-blaue Regierung hat das möglich gemacht –, haben Sie in Wien gerade an jeder dritten Schule eine Nachmittagsbetreuung. Genau jene, die die Lernförderung brauchen würden, bekommen sie nicht. Sie verhindern, dass es am Nachmittag Sport, Musik oder Theater beispielsweise am Schulstandort gibt.

 

Jeder zweite Schulstandort in Wien ist am Nachmittag leer und hätte genügend Räumlichkeiten, genügend Nachfrage nach einer Nachmittagsbetreuung, aber es darf nicht angeboten werden, weil 5 km entfernt ein Hort der Kinderfreunde beispielsweise ist, den sie nicht gefährden wollen. So schaut Ihre Bildungspolitik aus, so schaut Ihre Kinder- und Jugendpolitik aus!

 

Sie nehmen vier Campusschulen als Beispiel für 380 Schulen! Vier Campusschulen in Wien haben genau jenes Nachmittagsbetreuungsprojekt, das eigentlich an 380 Standorten stattfinden sollte. Ich frage mich: Wie kommt es dazu, wenn alles unter einem Dach ist und wenn Frau VBgmin Laska für alles zuständig ist, dass es nicht möglich ist, dass die Kinder in Wien am Nachmittag Sport haben, am Nachmittag Musik haben, am Nachmittag Theater spielen können? Warum muss Wien hier Schlusslicht sein, nicht nur bei der Nachmittagsbetreuung, sondern auch bei der Sportförderung und auch bei der Musikschulförderung?

 

Wien ist anders und leider trauriges Schlusslicht, aber ein Umdenken ist immer noch möglich. Sie können mit dem Budget, das Sie vorlegen, immer noch eine Trendwende einleiten. Und ich gehe davon aus, dass ich im nächsten Jahr hoffentlich die Chance bekomme, Sie nicht daran erinnern zu müssen, dass in ganz Österreich kein Bundesland so wenig Musikschulplätze hat wie Wien. Die Musikstadt Wien ist gefährdet, aber ich hoffe, dass ich im nächsten Jahr hier nicht wieder stehen muss und Sie darauf aufmerksam machen muss, denn sonst besteht der Wiener Klang bei den Wiener Philharmonikern bald nicht mehr, weil dieses rote Wien eine Musikschulausbildung verhindert. Deswegen lehnen wir dieses Budget ab. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächster ist Herr GR Wutzlhofer am Wort. Ich erteile es ihm.

 

GR Jürgen Wutzlhofer (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren!

 

Wenn im nächsten Jahr im Zuge der EURO zigtausende Menschen nach Wien kommen, dann werden sie etwas erleben, und zwar das, was die Frau Stadträtin am Schluss erwähnt hat, nämlich dass Wien anders ist (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ. –GR Mag Wolfgang Jung: Allerdings!), es ist nur ein bisschen anders „anders" als Sie das vielleicht gerne sehen. Die Menschen, die nach Wien kommen, werden so wie alle anderen Touristinnen und Touristen, so wie die vielen Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihre Neugründungen in unserer Stadt machen, erleben, dass Wien eine bestens verwaltete Stadt ist, dass in Wien ein eklatant hohes Ausmaß an Lebensqualität vorherrscht, dass in Wien ein Platz ist, an dem es sich gut leben lässt und – und jetzt komme ich zu dem Punkt, den die Frau Stadträtin gerade vorher im Zuge des Ländervergleiches gebracht hat –, dass Wien wirtschaftlich zweifellos gut dasteht.

 

Nehmen wir einmal das Gedankenexperiment auf, nämlich: Was wäre, wenn das einträte, was sich die Frau Stadträtin offensichtlich wünscht, dass nämlich in Österreich Wien irgendwie wegfiele? Was hätte das dann für eine Bedeutung für ganz Österreich? – Na ja, die Wiener Wirtschaft macht zum Beispiel 28 Prozent des Bruttoinlandsproduktes des gesamten Staates aus, das fiele zum Beispiel weg. 50 Prozent des Steuereinkommens der gemeinwirtschaftlichen Bundesabgaben in ganz Österreich fielen zum Beispiel weg. Die höchste Erwerbsquote

 

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