Gemeinderat,
26. Sitzung vom 19.11.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 91 von 120
ein breites Spektrum an unterschiedlichen Angeboten. Durch die Bewusstseinsänderung der Betroffenen hat folgender Paradigmenwechsel stattgefunden: Betroffene sind nicht weiter BittstellerInnen, sondern sind KundInnen von Dienstleistungen, die diese Stadt zur Verfügung stellt.
Weiters werden von Betroffenen die bestehenden
Angebote und Strukturen im Hinblick auf die Bedürfnisgerechtigkeit hinterfragt.
Das bedarf zukunftsweisender Projekte im Wohnen für behinderte Menschen, die -
nochmals - in keiner Weise in dem Voranschlag zu finden sind. Aus dem
Budgetvoranschlag geht hervor, dass weniger Mittel für den Ausbau des Wohnens
für behinderte Menschen zur Verfügung stehen und dass damit überhaupt kein Geld
für neue, innovative und zukunftsträchtige Projekte zur Verfügung steht.
Die BetreiberInnen der aktuellen Angebote der
Wohngemeinschaften betreiben diese mit großem Engagement. Fest steht aber, dass
ein Ausbau von Wohnplätzen erforderlich ist, dass behinderte Menschen künftig
frei wählen können müssen, welches Angebot der Stadt, der Träger sie nutzen
wollen. Das Angebot muss flexibler, vielfältiger, durchlässiger,
bedürfnisorientierter und zukunftsweisender sein. (Beifall bei der ÖVP.) Die
vorhandenen Strukturschwächen sind allein mit dem quantitativen Ausbau des
Wohnangebots nicht zu lösen, dazu braucht es längerfristige Perspektiven und
Zielvorstellungen.
Nun zu einem weiteren sehr wichtigen Thema, das auch
meine Kollegin Stubenvoll schon angesprochen hat, der Persönlichen Assistenz.
Behinderte Menschen haben ein Recht auf selbstbestimmtes Leben. Die Lösung dazu
heißt Persönliche Assistenz, die für alle Lebensbereiche ausgeweitet werden
muss. Frau Kollegin, Sie haben schon einige Aspekte von Persönlicher Assistenz
angesprochen, die ich auch eins zu eins unterschreiben kann, aber darüber
hinaus möchte ich noch einige Anmerkungen machen, wo wir uns nicht unbedingt
wiederfinden.
Wichtig ist, dass behinderte Menschen die Hilfe
überall dort bekommen, wo sie diese dringend benötigen. Durch die Persönliche
Assistenz können behinderte Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen und
selbst gestalten. Außerdem ist die Persönliche Assistenz eindeutig die
effizienteste Hilfe mit den besten volkswirtschaftlichen und humanitären
Auswirkungen.
Was heißt „volkswirtschaftliche Auswirkungen"? -
Behinderte Menschen werden zu ArbeitgeberInnen: Sie beschäftigen
AssistentInnen. Sie können einer Erwerbstätigkeit nachgehen und werden somit zu
SteuerzahlerInnen, und Familienangehörige werden entlastet und können ebenfalls
einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Dieses innovative Modell garantiert bereits
in vielen Ländern ein selbstbestimmtes Leben von behinderten Menschen.
Behinderte Menschen fordern heute selbstbewusst ihre
Rechte ein, und das vollkommen zu Recht. Gleichstellung statt Mitleid und
Almosen darf kein Lippenbekenntnis sein. Chancengleichheit ist keine lästige
Pflicht gegenüber Benachteiligten, sondern eine Chance für unsere Gesellschaft.
Wir alle profitieren von einem Leben in Vielfalt, das die gleichberechtigte
Teilhabe behinderter Menschen als Bereicherung begreift. Nicht alle Menschen
sind gleich, doch alle Menschen haben die gleichen Rechte. Dies zu ermöglichen
und die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, dafür ist die Politik zuständig.
Meine Kollegin Claudia Smolik und ich wollen in
diesem Zusammenhang - betreffend die Gleichstellung behinderter Menschen und
die Chancengleichheit behinderter Menschen - einen Beschluss- und
Resolutionsantrag einbringen, betreffend die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur
Erarbeitung eines Wiener Behindertengleichstellungsgesetzes unter Einbindung
von selbst betroffenen ExpertInnen:
„Der Gemeinderat spricht sich dafür aus, zur
Vorbereitung eines Wiener Behindertengleichstellungsgesetzes eine Arbeitsgruppe
unter Beteiligung von ExpertInnen der Wiener Behindertenbewegung einzusetzen.
Diese Arbeitsgruppe soll einen derartigen Entwurf möglichst rasch erarbeiten,
sodass dieser spätestens im ersten Quartal des Jahres 2008 im Wiener
Landtag zur Beschlussfassung vorgelegt werden kann.
In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung
des Antrags beantragt." (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Noch einmal kurz zurück zur
Persönlichen Assistenz: Persönliche Assistenz ist eine Organisationsform zur
Hilfe für Menschen mit Behinderung, welche die Fremdbestimmung reduziert und
Selbstbestimmung und Selbstverantwortung ermöglicht. Und: Persönliche Assistenz
ist ein Instrument, das Chancengleichheit ermöglicht und Diskriminierung
abbaut. Das Angebot von Persönlicher Assistenz entspricht dem Anspruch
innovativer Behindertenpolitik. Es darf nicht länger so sein, dass behinderte
Menschen im Wien des 21. Jahrhunderts noch immer als Almosenempfänger oder
in Einrichtungen leben müssen. Der Alltag im gewohnten Umfeld mit optimaler
Hilfestellung muss für sie möglich sein.
Persönliche Assistenz ist eine Grundvoraussetzung dafür,
dass behinderte Menschen in Wien ein selbstbestimmtes Leben führen können - und
hier, Frau Kollegin Stubenvoll, unterscheiden wir uns. Wir fordern, die
Leistung von Persönlicher Assistenz muss einkommens- und vermögensunabhängig
sein, jedem behinderten Menschen, der sie braucht und will, zugänglich sein,
bedarfsgerecht gewährleistet sein - das bedeutet: Keine Pauschalfinanzierung
mit Deckelung -, und die Wahlfreiheit der Organisationsform muss durch die
Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel gewährleistet sein.
Wir bringen hier, Frau Kollegin Claudia Smolik und
ich, gemeinsam einen Antrag betreffend Persönliche Assistenz nach
März 2008 ein:
„Die zuständige Stadträtin für
Gesundheit und Soziales wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, dass nach Ablauf
des Modellprojekts Persönliche Assistenz im Jahr 2008 eine ausreichende
finanzielle Deckelung und eine Leistung mit Rechtsanspruch allen Menschen mit
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular