Gemeinderat,
28. Sitzung vom 10.12.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 23
Parteien, vor allem die ÖVP und die SPÖ, sich in einem solchen Ausmaß vor der Entscheidung des Volkes fürchten! Wir begegnen dem Phänomen ja schon länger, dass auf verschiedenen Ebenen immer wieder versucht wird, direkte Abstimmungen durch die Bevölkerung zu hintertreiben und Entscheidungen statt dessen durch bloße parlamentarische Bearbeitung, wenn das verfassungsmäßig ausreicht, herbeizuführen. Ich glaube, diese Furcht vor dem Volk ist unberechtigt! Das Volk weiß schon, was es will, und man kann feststellen, dass die Bevölkerung in der heutigen Zeit zu 70 Prozent darüber abstimmen will, was auf europäischer Ebene geschieht. Ich glaube, dass die österreichische Bevölkerung ein Anrecht auf genau diese Art der Entscheidung hat!
Gerade nach den Volksabstimmungen in den Niederlanden
und Frankreich haben die österreichischen Parteien ein Versprechen betreffend
mehr Bürgernähe gegeben. Sie haben versprochen, dass nun ein großes Umdenken
stattfinden wird und dass Europa und die EU den Bürgern näher gebracht werden.
Diese guten Vorsätze haben sich allerdings rasch
verflüchtigt! Wie schaut denn die Wirklichkeit aus, meine Damen und
Herren? – Die Regierungsparteien verweigern eine Volksabstimmung, und eine
Volksabstimmung wird interessanterweise auch von den GRÜNEN abgelehnt, die
sonst immer die Bürgernähe auf den Lippen führen. Das heißt, es wird über den
Willen von 70 Prozent der österreichischen Bevölkerung schlicht und
einfach drübergefahren!
Kommissarin Ferrero-Waldner, aber auch die
österreichische Außenministerin haben unisono festgestellt, dass die Bürger das
ohnedies nicht verstehen und dass Volksabstimmungen unnötig sind. Daher wird
das abgeschmettert, und ich meine, dass diese Geringschätzung des Wahlvolkes
durch die Regierenden eine unglaubliche Haltung ist! Meine Damen und Herren!
Die EU bewegt sich schlicht und einfach von den gewählten Institutionen der
Einzelstaaten, von den Landtagen, von den Parlamenten, vom Nationalrat, von den
anderen Gremien in anderen Mitgliedsstaaten weg und zu einem Europa hin, das
von nicht gewählten, demokratisch nicht legitimierten Institutionen beherrscht
wird.
Einzig und allein das Europäische Parlament kann auf
allgemeine Wahlen zurückblicken. Die Rechte des Parlaments als gewählte
Institution werden zwar ein wenig aufgewertet, aber alles in allem ist die
Macht sicherlich nicht beim Parlament, sondern bei den nicht gewählten und
nicht legitimierten Institutionen. Vor allem hat die Macht der Kommissare in
einem Ausmaß zugenommen, das erschreckend ist. Wir wollen jetzt um Gottes
Willen nicht so bösartig sein und Vergleiche zur Sowjetunion ziehen! Aber ganz
von der Hand zu weisen ist der Vergleich nicht, wenn man schaut, in welchem
Ausmaß Einzelpersonen heute Machtbefugnisse ausüben, die nicht durch das
Wahlvolk und die Zustimmung der Parlamente legitimiert wurden und werden.
Die EU hat den unglaublichen Nachteil, dass
demokratische Zustände zwar in den Einzelstaaten Selbstverständlichkeit sind – in den Staaten verfügen wir über gewählte Parlamente
und Landtage, die natürlich demokratisch legitimiert sind –, dass solche
demokratischen Instrumente jedoch leider auf europäischer Ebene fehlen. In der
EU findet eine unglaubliche Ausweitung von Machtbefugnissen durch Institutionen
und Personen statt, die sich nicht auf den Willen des Volkes berufen können.
Ich glaube, das ist der Hauptgrund, warum eine Volksabstimmung absolut
notwendig wäre und warum wir eine Volksabstimmung verlangen, wohl wissend, dass
wir von einem großen Teil der öffentlichen Meinung, aber ebenso vom Willen der
Bevölkerung getragen werden.
Es wurde schon gesagt: Der EU-Reformvertrag ist
fraglos eine Mogelpackung. Man versucht, durch die Hintertür die alten
Verfassungsinhalte, die durch die Voten in Holland und Frankreich bereits
abgelehnt wurden, zu 95 Prozent wieder einzuführen. Geändert werden nur
einigen Kleinigkeiten beziehungsweise Kinkerlitzchen, die nicht wirklich
wichtig sind: Der Außenminister heißt nicht Außenminister, und Äußerlichkeiten
wie Fahne und Hymne werden halt nicht ganz offiziell eingeführt; trotzdem gibt
es sie natürlich. Dessen ungeachtet bleiben 95 Prozent des
Verfassungswerkes aufrecht. Giscard d’Estaing hat deshalb ja auch von einem
alten Brief im neuen Umschlag gesprochen.
Damit hat er die Sache auf den Punkt getroffen und
gesagt, worum es hier wirklich geht: Die Hoheitsrechte der Republik und der
Länder, und damit auch die Rechte Wiens, wandern nach Brüssel. Die
Selbstbestimmung der Einzelstaaten wird massiv reduziert. Ich meine, es
zeichnen sich da die Konturen eines europäischen Einheitsstaates ab. Es wird
leider ein Weg von den Einzelnstaaten und vom Staatenbund zum Bundesstaat
beschritten, und das, wie ich meine, gegen den Willen der Mehrheit zumindest
der österreichischen Bevölkerung.
Ich meine, in der alten beziehungsweise neuen
EU-Verfassung gibt es zwei massive Sollbruchstellen, die man hervorheben muss.
Beide sind ein Grund dafür, dass das Machtgefüge der nicht gewählten und nicht
legitimen Organisationen und Institutionen in Brüssel massiv verstärkt wird.
Mein Vorredner hat das schon kurz angesprochen.
Meine Damen und Herren! Ein Problem stellt das vereinfachte
Änderungsverfahren im EU-Vertrag dar: Nach Art 33 Abs 6 kann die
Änderung aller Teile oder eines Teiles der Bestimmungen des dritten Teiles des
Vertrages über die Arbeitsweise der Union nach Anhörung des Parlaments und der
Kommission beschlossen werden. „Anhörung“ bedeutet allerdings nicht
„Zustimmung“. Ich möchte an dieser Stelle dezidiert betonen, dass diesfalls
eine bloße Anhörung und sonst nichts vorgesehen ist! Davon sind mit Ausnahme
der Außen- und Sicherheitspolitik alle Bereiche der EU-Politik umfasst. Das
betrifft die Landwirtschaft, die Freizügigkeit, den Kapitalverkehr, die
Sicherheit, Verkehrsfragen ganz generell, den Wettbewerb, die Angleichung von
Rechtsvorschriften, die Wirtschafts- und Währungspolitik und die
Beschäftigungspolitik. Massive Einschnitte kann es vor allem in die
Sozialpolitik geben, und zwar nicht nur in
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