Gemeinderat,
28. Sitzung vom 10.12.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 10 von 23
bei 77 Prozent der Schweiz, so erreichte es 1995
89 Prozent und 2005 rund 95 Prozent.“ – Warum, glauben Sie, ist das so? Nicht weil sich die Schweiz
so positiv entwickelt hat! Vielmehr hat sie in Wirklichkeit eine Stagnation zu
verzeichnen, während es Österreich im Rahmen der Europäischen Union geschafft
hat, mit Hilfe der Entwicklungsmöglichkeiten, die uns gegeben wurden, mit den
Exporten in den Osten und mit den Direktinvestitionen, die andere EU-Staaten in
Österreich vorgenommen haben, so zu erstarken, dass wir diesen Aufholprozess nun
positiv beendet haben und damit in den nächsten Jahren auf der Überholspur zur
Schweiz liegen werden.
Meine Damen und Herren! Der Marktanteil Österreichs
stieg in den Ländern der EU ganz eklatant, während jener der Schweiz von 3,2
auf 2,8 Prozent fiel. – Ich zitiere den Kommentar aus dem Bericht
dazu: „Generell befürchten Schweizer Beobachter und Wirtschaftsanalysten heute
immer mehr eine Isolation der Schweiz und würden eine stärkere Integration der
Schweiz akzeptieren.“
Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen stehen
beziehungsweise standen die Schweiz und Liechtenstein jetzt vor einem der
schwierigsten Momente ihrer Entscheidung, ob sie dem Schengenabkommen beitreten
oder nicht. – Sie haben sich nun entschlossen, dem Schengenabkommen
beizutreten.
Die Schweiz wird im November kommenden Jahres diesen
Schengenbeitritt vollziehen, und damit wird sich die Schweiz auch dem
Sicherheitssystem der Europäischen Union annähern und verpflichten. Warum? – Das liegt klar auf der Hand! Man darf
ja nicht glauben, dass es dem organisierten Verbrechertum im Zeitalter der
Globalisierung heute nicht möglich ist, jede Grenze zu überschreiten! Und Sie
werden das Volk auch kaum glauben machen können, dass Sie für den Fall, dass
wir nicht mehr bei der EU sind, einen großen Zaun rund um Österreich errichten,
also quasi eine neue Berliner Mauer rund um Österreich aufstellen würden, damit
niemand mehr herein kann! Das glaubt Ihnen doch niemand, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Freiheitlichen Partei! (Beifall bei der ÖVP!)
Das Schengener Durchführungsübereinkommen ist seit 1.
September 2007 auch in den neuen Mitgliedsländern der EU in Kraft, und es hat
sich gezeigt, dass die grenzüberschreitende polizeiliche und justizielle
Zusammenarbeit sehr wichtig war und zu wahren Erfolgen geführt hat. In den
letzten drei Monaten wurden rund 35 Personen allein auf Grund dieser
Zusammenarbeit in Österreich festgenommen. Allein auf Grund dieser
Zusammenarbeit wurden nun rund eine Million Ausschreibungen in den
Onlinecomputer der Polizei gestellt. Wir sind nunmehr mit allen relevanten
diesbezüglichen Daten verbunden. Das gäbe es nicht ohne Europäische Union! Das
gäbe es nicht, wenn wir allein wären! Wir wüssten nicht, wenn wir einen
ausländischen Kriminellen anhalten, wo er welche Straftaten begangen hat. Heute
können wir das aber ganz genau nachvollziehen, und wir können auf Grund des
europäischen Haftbefehls Haftbefehle sofort vollziehen. All das war früher
nicht möglich. Früher gab es langwierige Verfahren, die Interpol-Zusammenarbeit
dauerte manchmal Tage oder auch Wochen, bis ein Haftbefehl wirklich zu
vollstrecken war. Es bedurfte mühsamer bilateraler Kleinarbeit, heute ist der
Haftbefehl hingegen sofort vollziehbar.
Meine Damen und Herren Kollegen von der
Freiheitlichen Partei! Wollen Sie das jetzt wieder abschaffen? Wollen Sie den
Österreichern dieses Mehr an Sicherheit wieder nehmen? Das kann es doch wohl
nicht sein, meine Damen und Herren! Streuen Sie also den Österreichern nicht so
viel Sand in die Augen, sondern versuchen Sie, den Bürgern wirklich das zu
geben, was sie brauchen, nämlich mehr Sicherheit für dieses Land! (Beifall bei
der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Im Vertrag von Nizza haben
sich die Staaten Europas, die innerhalb der Europäischen Union bereits
zusammengeschlossen waren, verpflichtet, sich über die Zukunft der Europäischen
Union Gedanken zu machen und festzulegen, wie diese Zukunft aussehen
soll. – Ich möchte das an den Beginn meiner Ausführungen stellen, weil das
so wichtig ist: Der Reformvertrag, über den wir heute diskutieren, ist ja nicht
von heute auf morgen entstanden, sondern er wurde über viele Jahre hinweg
entwickelt. Viele Menschen in der Europäischen Union sowie in den nationalen
Parlamenten und Regierungen haben sich buchstäblich Tag und Nacht die Köpfe zerbrochen,
wie man das Ganze in Zukunft anlegen kann. Natürlich ist dieser Reformvertrag
ein Kompromiss, wie er unter 27 Staaten nur erfolgen kann, ein Kompromiss, den
man eben schließen muss, wenn man zusammengehören will.
Meine Damen und Herren! Was wäre denn die
Alternative? Sollen wir sagen, dass wir mit den Nachbarländern nicht
diskutieren wollen? Sollen wir sagen, dass wir mit den in Europa
vorherrschenden Staaten nicht konkurrieren, aber einander auch nicht
wirtschaftlich austauschen und dadurch enorm viele Arbeitsplätze in Österreich
sichern wollen? Wollen wir all das nicht? –
Selbstverständlich wollen wir das!
Stellen Sie sich doch nur unsere großen österreichischen Banken vor!
Glauben Sie, dass ein Raiffeisenkonzern, die Erste Bank, die HVB et cetera all
die Arbeitsplätze in Österreich halten hätten können, wenn wir nicht bei der
Europäischen Union wären? Glauben Sie, dass wir Arbeitsplätze in Österreich
sichern hätten können, wenn die Unternehmen der Bauindustrie, die VOEST und die
gesamten ehemaligen verstaatlichten Unternehmen nicht die Chance gehabt hätten,
in den nahe gelegenen Mitgliedsländern zu investieren? Glauben Sie, dass wir
als 8 Millionen-Volk uns in Europa leichter täten, wenn wir den Markt von
500 Millionen Menschen nicht
hätten? Glauben Sie nicht, dass es leichter ist, dass wir unseren Markt
entsprechend unterstützen und unseren Konsumenten all jene Produkte anbieten,
die jetzt verfügbar sind, als wieder eine Gebietsbeschränkung vorzunehmen, wie
es sie vor 20 Jahren gegeben hat, als nur eine Molkerei pro Gebiet ihre Milch
in die jeweiligen Auslagen der Geschäfte stellen konnte und als man hier
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