Gemeinderat,
29. Sitzung vom 14.12.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 89 von 117
to the Stars' verfolgt, auch eingedenk des Umstands, dass das technisch ausgezeichnete PR-Konzept geschickt über die Mängel hinwegtäuscht und das Projekt von einer Vielzahl von Personen unterstützt wird, die damit einen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in Österreich leisten wollen."
Da kommen drei große Kritikpunkte, unter anderem:
„showmäßig organisierte Events", die „Gefühle der Überlebenden
werden" nach Meinung der IKG „kommerzhaft instrumentalisiert", und
die von mir vorher angesprochene Aktion „Rent your Survivor" – „Reservier
dir deinen Überlebenden" wird ebenfalls scharf kritisiert. „Durch
derartige Events mit Kirtagscharakter und Aktionen wie dem Schreiben von
Briefen an Tote erfolgt weder für Überlebende noch für die heutige
österreichische Jugend eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der
NS-Geschichte Österreichs.
IKG und ESRA haben daher erhebliche Bedenken
gegenüber dem Projekt ‚38/08 A Letter to the Stars' und ersuchen die
Organisatoren von ‚A Letter to the Stars', diese uneingeschränkt zu
berücksichtigen."
Nachdem auch die IKG sich in die Reihe der
öffentlichen Kritiker gestellt hat, werden die GRÜNEN heute einen Antrag
einbringen, der genau das möglich macht, was die Kritiker und die Kritikerinnen
gerne hätten, nämlich eine andere Art der Aufarbeitung, einen sinnvolleren
Einsatz dieser 250 000 EUR und der noch folgenden vielen
Hunderttausend Euro. Wir sind natürlich nicht dagegen, dass Überlebende
eingeladen werden. Zu dem komme ich noch, wie diese Position in der Stadt
zirkuliert wird. Wir sind natürlich große Anhänger davon, dass in der Schule
der Unterricht mit ZeitzeugInnen fortgeführt wird. Das Projekt gibt es ja auch
schon seit 1978, lange bevor „A Letter to the Stars" aufgetaucht ist.
Aber zuerst noch: Was sagt die SPÖ dazu? Diese meldet
keinen Redner und keine Rednerin hier im Gemeinderat, was mich etwas überrascht
hat, weil es doch Diskussionen sowohl im Ausschuss wie auch im Stadtsenat
gegeben hat. Im Stadtsenat hat Bgm Häupl, der ja auch Präsident des Jewish
Welcome Service ist, Stellung zu einem Brief genommen, der an ihn gegangen ist
und den ich auch erhalten habe. Der Brief ist unterzeichnet von Brigitte
Bailer-Galanda, von Susanne Trauneck und von drei Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter von ESRA inklusive dem Geschäftsführer Peter Schwarz. In diesem
Brief sind alle diese Kritikpunkte, die ich vorher angeführt habe, aufgelistet,
mit der Bitte um einen Termin und um die Auseinandersetzung. Bgm Häupl
hat, konfrontiert mit diesen Vorwürfen, im Stadtsenat eindeutig erkennen
lassen, dass er diesen Event-Charakter auch nicht wirklich schätzt, dass er die
Zahl von 250 Überlebenden auch für viel zu hoch hält, weil er natürlich
mit dem Jewish Welcome Service und mit den MitarbeiterInnen mittlerweile auch
darüber gesprochen hat. Trotzdem wird heute erstens kein Redner und keine
Rednerin von der SPÖ gemeldet (GR Dr Herbert Madejski: Deswegen, nicht
trotzdem!), um die Position der SPÖ hier klarzustellen. Und zweitens gibt es
trotzdem, obwohl Bgm Häupl angekündigt hat, dass es da Veränderungen geben
soll, zumindest im seinem Sinne Veränderungen notwendig wären, bis jetzt
zumindest kein Erkennen, dass dem Antrag der GRÜNEN zugestimmt wird. Gehört
habe ich bisher etwas anderes, aber es sind ja noch ein paar Minuten Zeit, um
darüber nachzudenken.
Ein paar Zitate aus dem Brief an den Herrn
Bürgermeister möchte ich Ihnen verlesen: „Die Aktion gefährdet das Lebenswerk
von Leon Zelman und die seit Jahren, Jahrzehnten kompetente und auf großer
Erfahrung basierende Arbeit des Jewish Welcome Service.“ – Das schreibt das
Jewish Welcome Service an seinen eigenen Vorsitzenden.
Die GRÜNEN stehen in dieser Frage auf einer Seite mit
der IKG, auf einer Seite mit ESRA, auf einer Seite mit dem
Dokumentationsarchiv, auf einer Seite mit der Frau Bailer-Galanda, mit Anton
Pelinka, mit Peter Huemer, mit Kurt Scholz, mit Eva Blimlinger und, und, und.
Und die Frage ist: Auf welcher Seite steht in dieser Frage die
Sozialdemokratie?
Ich möchte zum Abschluss noch auf eine weitere
OTS-Aussendung von heute eingehen, die vermutlich noch nicht alle kennen. Es
erscheinen Texte, die von Eingeladenen geschrieben wurden, in der APA, mehrere
Texte. Diese wurden von einer Mitarbeiterin, von der Frau Kimberly Harris
aufgefordert, an die Chefredakteurin des „Standard" Briefe zu schreiben
und sich zu beschweren über die Kritik, die im „Standard" geschrieben
wurde. Da schreibt die Frau Harris an die 250 eingeladenen Personen, dass es in
Österreich jetzt quasi eine Kampagne gegen „A Letter to the Stars" gibt
und dass alle Einladungen unterlaufen werden sollen und man dagegen ist, dass
die Menschen eingeladen wurden. Ich würde einmal sagen, das ist schlichtweg falsch,
denn weder wollen die GRÜNEN, dass die Einladungspolitik gestoppt wird, noch
will das Jewish Welcome Service die eigene Einladungspolitik beenden. Im
Gegenteil, diese Briefe sind nach meiner Meinung eine Instrumentalisierung
dieser Überlebenden, denn 85-jährige Personen, die in New York und in Michigan
und in anderen Ländern leben, lesen nicht alle täglich den „Standard", um
dann festzustellen, dass Artikel erscheinen, die ihnen nicht passen. Die sind
dezidiert aufgefordert worden zu schreiben, mit einem Schreiben, das
suggeriert, in Österreich will man gar nicht mit den Überlebenden
zusammenarbeiten.
Diesen Vorwurf – da geht es mir weniger um die GRÜNEN
– dem Jewish Welcome Service oder ESRA oder dem DÖW zu machen, ist wirklich
eine Unverschämtheit und zeigt einen – ich sage das jetzt freundlich – einen
sehr schlechten Stil der Personen, die „A Letter to the Stars" nächstes
Jahr gerne veranstalten möchten.
In der Zusammenfassung: Die GRÜNEN
sind dafür, dass die Einladungspolitik des Jewish Welcome Service fortgeführt
wird. Wir sind auch froh, dass wir im Stadtsenat eine Antwort bekommen haben,
dass weder die Arbeit des DÖW noch die Arbeit von ESRA noch die Arbeit des
Jewish Welcome Service in irgendeiner Art und Weise gefährdet wäre oder weniger
Finanzmittel zur Verfügung bekommen würde. Wir glauben aber, dass wir diese
250 000 EUR, die heute hier beschlossen werden sollen, sehr viel
intelligenter einsetzen könnten, als es
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular