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Gemeinderat, 30. Sitzung vom 24.01.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 67 von 95

 

Danke, Herr Vorsitzender! Danke, meine geschätzten Damen und Herren! Frau Stadträtin!

 

Wir haben heute diese Dringliche Anfrage auf die Tagesordnung gesetzt, weil wir in der Sondersitzung des Gesundheitsausschusses im Dezember den Eindruck hatten - und auch in allen nachfolgenden Medienkommentaren, die es zu den Vorwürfen im Otto-Wagner-Spital gibt und gegeben hat -, dass Sie ausschließlich damit beschäftigt sind, alles in Abrede zu stellen, die Vorwürfe zurückzuweisen und im Übrigen zu sagen: Es gibt keinerlei Probleme.

 

Da Sie es sich so leicht machen, Frau Stadträtin, müssen wir heute mit dieser Dringlichen Anfrage erstens von Ihnen Auskunft begehren, was der Fall ist. Was der Fall ist im Otto-Wagner-Spital, was der Fall ist hinsichtlich der Versorgung von Kindern und Jugendlichen, die auch nach wie vor, allen Beteuerungen zum Trotz, weiterhin im Otto-Wagner-Spital untergebracht werden.

 

Und: Sie haben gesagt, es gibt keinerlei Probleme. Wir haben andere Informationen, und zwar im Gegensatz zu Ihrer Behauptung, Frau Stadträtin, das wären alles anonyme Vorwürfe, die von wild gewordenen Journalisten polemisch ins Blatt gesetzt würden, und die Opposition würde, weil sie nichts anderes tun will, als die Psychiatrie schlecht zu machen, diese Dinge auch noch glauben.

 

Weil Sie das alles gesagt haben und trotzdem intern über besseres Wissen verfügen müssten, Sie aber entweder auf Ihr Personal nicht hören wollen oder, was ich vermute, nicht wollen, dass es die Öffentlichkeit erfährt, haben wir mit dieser Dringlichen Anfrage heute die Gelegenheit ergriffen, die Öffentlichkeit zu informieren über Vorgänge, Frau Stadträtin, die Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen seit Jahren wiederholt ausführlich, eindrücklich, im Dienstweg schriftlich einbringen, schriftlich durch Mails, durch Briefe an die ärztliche Direktion, durch Briefe an den Generaldirektor, durch Protokolle.

 

Es sind nicht etwa die üblichen anonymen Beschuldigungen von irgendwelchen Mitarbeitern, die dann im Ausschuss hingestellt werden - was besonders unfassbar war - von der zuständigen ärztlichen Direktorin als „in ihrer Arbeit überfordert"; so war das wortwörtliche Zitat in Bezug auf eine Person, die aus den Reihen des Spitals Kritik übt. Nein, das sind Dokumente von Primarärztesitzungen, das sind interne Studien, das sind Mails von der Personalvertretung.

 

Weil Sie es nicht wissen wollen, Frau Stadträtin, soll es zumindest die Öffentlichkeit wissen. Ich zitiere jetzt aus den wichtigsten Dokumenten, und ich bin auf diese Weise Sprachrohr des Personals, das wünscht, dass die Dinge öffentlich behandelt werden. Denn sie fühlen sich im Stich gelassen. Sie haben eine unglaublich schwere Arbeit zu leisten, weil die Psychiatrie im Schatten der Aufmerksamkeit steht - viele Menschen wollen nicht hinschauen -, und offensichtlich werden sie von Ihnen in ihrer Arbeit ignoriert und nicht ernst genommen, sondern überfordert und allein gelassen.

 

Da gibt es zum Beispiel ein Dokument, das von der ärztlichen Direktion in Auftrag gegeben wurde, von Frau Direktorin Dr Kalousek selbst, über die Personalressourcen, die im Otto-Wagner-Spital notwendig sind. Dieses Dokument ist eine Fundgrube an besorgniserregenden Ergebnissen.

 

Da steht in Bezug auf das Monitoring von sedierten Patienten - für diejenigen, die sich vielleicht nicht so damit beschäftigt haben: da geht es um die sorgsame Beobachtung von Patienten und Patientinnen, die durch Medikamente ruhig gestellt sind und die natürlich in ihren Atemfunktionen, in ihren Körperfunktionen überwacht werden müssen, damit nichts passieren kann -, da sagt dieses Dokument: „Zur Gewährleistung der PatientInnensicherheit werden sedierte PatientInnen als kontinuierlich überwachungspflichtig angesehen." Der Autor, ein Oberarzt aus dem Haus im Auftrag der Spitalsleitung, kommt zu dem Schluss: „Die Einrichtung der Akut- und Überwachungsbetten im Otto-Wagner-Spital erfolgt ohne Ausstattung mit den entsprechenden Personalressourcen."

 

Hören Sie sich das an, und hoffen Sie, dass Sie nie in die Psychiatrie kommen!

 

Dann sagt das Dokument weiter, dass man nun auch die Patienten und Patientinnen aus dem Nordburgenland mitversorgen muss. Auch diese Übernahme der Aufgabe erfolgt ohne Ausstattung mit den entsprechenden Personalressourcen.

 

Dann wird in dem Dokument sehr sorgsam nach einer deutschen Methode der Personalberechnung ausgerechnet, wie viel an ärztlichem Personal man brauchen würde, um die Aufgaben erfüllen zu können. Die Schlüsse, die gezogen werden, sind desaströs! Es sind Fachärzte im Nachtdienst für bis zu 180 Patienten und Patientinnen allein verantwortlich, nur unterstützt von zwei ÄrztInnen in Ausbildung. Der Autor kommt zu dem Schluss: „Die fachärztliche Nachtdienstversorgung" - und wir haben schon in der Verlesung gehört, das ist ab 13 Uhr, mehr oder minder fast den ganzen Tag, von 13 Uhr bis 8 Uhr, also über einen Großteil des Tages – „ist auf Grund der Überfülle an Aufgaben insuffizient."

 

Da behaupten Sie, Frau Stadträtin: Es ist alles super, es ist alles in Ordnung. Wieso nehmen Sie Ihre eigenen Ärzte nicht ernst?

 

Dann sagt das Dokument - man müsste eigentlich alles vorlesen, ich verweise nur auf die negativen, traurigen Highlights -: „Das Psychiatrische Zentrum des Otto-Wagner-Spitals hat sich nach der Psychiatriereform in den 80er Jahren nicht mehr weiterentwickelt."

 

Das Dokument geht auf Behandlungsmethoden ein, die State of the Art in anderen europäischen Städten sind, nämlich die spezielle Versorgung von schwangeren Frauen und stillenden Müttern. Diese gibt es in Wien nicht. Und sie sagen, diese Behandlungsmöglichkeit wird der Wiener Bevölkerung vorenthalten.

 

Die Schlussfolgerungen aus dem Dokument: „Der Krankenanstaltenverbund Wien kann der Wiener Bevölkerung nicht einmal jene Behandlungsqualität bieten, die in der Bundesrepublik Deutschland schon seit 17 Jahren gesetzlich verankert ist." Dieser Missstand ist seit 1998 bekannt. 1998 - immer sozialdemokratische

 

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