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Gemeinderat, 30. Sitzung vom 24.01.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 69 von 95

 

Personalvertretung und Personalvertretung Ärzte, also breit -: „Sehr geehrter Herr Generaldirektor Dr Marhold! Aus aktuellem Anlass sind mehrere Kollegen an den Mittelbau herangetreten. Die Personalsituation des Psychiatrischen Zentrums ist seit Monaten aufs Äußerste angespannt durch lange Krankenstände, längerfristig unbesetzte Arztstellen und allgemeinen Fachärztemangel. Verschärft wird die Situation durch abteilungsübergreifende Oberarztdiensträder: ein Oberarzt für zwei Primariate. Weiters sind derzeit die wenigsten Diensträder mit den vereinbarten sieben Ärzten besetzt."

 

Einschub von mir für die, die sich nicht so sehr mit der Sache vertraut gemacht haben: Ein Dienstrad zeigt sozusagen den Rhythmus, in dem man drankommt und in den Dienst kommt. Wenn ein Dienstrad mit weniger als sieben Personen besetzt ist, kommt man öfter dran, muss man öfter Nachtdienst machen, muss öfter in den Dienst. Der Taktschlag wird erhöht.

 

Weiter heißt es in dem Schreiben: „Oftmals ist es besonders Fachärzten nicht möglich, nach den Nachtdiensten aus dem Dienst zu gehen. Die verbleibenden ärztlichen Kollegen arbeiten mit vermehrten Nachtdiensten und Überstunden, um diesen Mangel zu kompensieren. Diese Überstunden übersteigen bei Weitem das vorgesehene Kontingent, werden großteils nicht ausbezahlt, und der dadurch anfallende Freizeitanspruch kann wiederum nicht konsumiert werden. Der Unmut der Kollegen steigt und hängt sicher nicht mit mangelndem Arbeitseifer oder Arbeitseinsatz zusammen. Es ist nur zu verständlich, dass im Rahmen der Mehrbelastung eine Überlastung eingetreten ist. Bei dieser chronischen Überforderung der Kollegen kommt es nicht zuletzt auch zu einer Gefährdung der Patienten."

 

Ich möchte das wiederholen: „Es kommt nicht zuletzt zu einer Gefährdung der Patienten"!

 

Man schließt höflich: „Im Konsens mit der Personalvertretung und der Hauptgruppe II ersuchen wir höflich um eine umgehende Lösung der oben beschriebenen Problematik." - Das war am 13.12.

 

Herr Dr Marhold hat am 18.12. geantwortet: Er teilt mit, dass eine Vermehrung der Arzt-/Ärztinnendienstposten am OWS im Bereich der Orthopädie und Anästhesie erfolgt ist. Was das der Psychiatrie bringen soll, wurde nicht erläutert. Dann heißt es knapp, ohne weitere Informationen: „Für den Bereich Psychiatrie am Otto-Wagner-Spital ist heute ein Antrag der ärztlichen Direktion eingelangt."

 

Einschub von mir, man möge sich das vorstellen: Da weiß man seit Jahren - seit Jahren! -, wie es ausschaut. Man spricht von Burnout, von gefährlicher Versorgung. Dann folgt am 18. Dezember - da war schon etwas in den Medien - ein Antrag der ärztlichen Direktion. Wir wissen ja, Frau Herbek war schon informiert. Aber: „Heute ist ein Antrag der ärztlichen Direktion eingelangt: Dieser wird geprüft und mit der kollegialen Führung des Otto-Wagner-Spitals unter der Einbeziehung der Personalvertretung zügig bearbeitet." Jetzt, wo es in den Medien steht, gibt es Tempo.

 

Frau Stadträtin! Die Dinge sind so traurig, und sie sind unerträglich. Sie sind unerträglich, weil es um eine Bevölkerungsgruppe geht, mit der man sozusagen nicht brillieren kann. Psychisch kranke Menschen sind bedürftig, psychisch kranke Menschen sind manchmal nicht einfach, psychisch kranke Menschen sind immer wieder auch aggressiv, und man kann mit ihnen sozusagen nicht nach dem Kindchenschema auftreten oder sonstwie für Mitleid sorgen. Es ist leichter, fürs St Anna-Kinderspital Unterstützung zu bekommen, bei der Bevölkerung, offensichtlich auch bei der Politik. Denn psychisch kranke Menschen sind im Schatten der Aufmerksamkeit, und offensichtlich sind es auch die Menschen, die mit ihnen arbeiten.

 

Denn nur so ist es zu verstehen, dass Sie im Ausschuss gesagt haben, Frau Stadträtin, Sie werden dafür in den Medien keine Unterstützung finden. Es geht mir nicht um die Unterstützung in den Medien, es geht mir nur um die Unterstützung des Personals und der Patienten und Patientinnen.

 

Frau Stadträtin! Wir schauen sehr genau, wie Sie jetzt die Fragen beantworten. Und wir sind insofern sehr aufmerksam, ob Sie die Frage, ob jemand in den in Frage stehenden Jahren zu Schaden gekommen ist, ausführlich, eingehend und profund beantworten. (Beifall bei den GRÜNEN und von GRin Ingrid Korosec.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich danke für die Begründung.

 

Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich die Frau amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Gesundheit und Soziales zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 

Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Hoher Gemeinderat! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Dr Pilz!

 

Sie haben etwas ganz Richtiges und Wichtiges gesagt, nämlich, dass die Psychiatrie und damit auch die psychiatrische Versorgung des vor allem psychisch kranken Menschen ganz besonders viel Aufmerksamkeit von uns verdient, dass die Psychiatrie auch in der Öffentlichkeit und in der Gesellschaft nicht jene Aufmerksamkeit, nicht jene Sensibilität und nicht jene Bedeutung hat, die sie eigentlich haben sollte.

 

Wir müssen auch, glaube ich, in aller Offenheit gemeinsam, nämlich als Teil dieser Gesellschaft, eingestehen, dass es uns noch nicht gelungen ist - so ist zumindest meine Einschätzung -, die Stigmatisierung von psychisch kranken Menschen als ein Problem der Vergangenheit zu bezeichnen, sondern meine Wahrnehmung ist immer noch die, dass es zwar erfreulicherweise immer leichter wird, über somatische Erkrankungen zu sprechen, dass aber die Tatsache zu sagen, ja, ich bin psychisch krank, oder: ich kenne jemand, oder: meine Tochter, mein Sohn, mein Bruder, meine Mutter, schon anders diskutiert und anders angeschaut wird.

 

Das ist grundsätzlich für jede und jeden Einzelnen ein Problem. Das ist aber natürlich vor allem ein Problem, wenn wir uns die Dimension dieser psychischen Erkrankungen anschauen, wenn wir davon ausgehen, dass Expertinnen und Experten sagen, dass jeder vierte Mensch einmal in seinem Leben psychisch erkrankt oder

 

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