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Gemeinderat, 31. Sitzung vom 29.02.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 8 von 95

 

schon die Formulierung dieser Frage ist ein ganz deutliches Zeichen dafür, worum es Ihnen eigentlich geht: Nämlich nicht darum, wofür viele in diesem Haus stehen, nämlich für Versorgungssicherheit, für optimale Rahmenbedingungen, für hohe, für höchste medizinische Qualität und pflegerische Qualität, und - und das ist mir ganz besonders wichtig, weil mein Motto in allen Bereichen ist, dass das Bessere der größte Feind des Guten ist - für Verbesserungen in allen Bereichen des medizinischen Systems, egal, ob das die Augenheilkunde, die Orthopädie oder eben auch die Psychiatrie betrifft.

 

Die Formulierung Ihrer Frage zeigt eindeutig, worum es Ihnen geht, und Sie sind diesem Ziel ein Stückchen näher gekommen, insofern, als es nämlich in den letzten Monaten dazu gekommen ist, dass das Fach Psychiatrie - ein ganz wesentliches Fach im medizinischen Fächerkanon - erschüttert wurde. Dahin gehend, dass Menschen Vertrauen verloren haben, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pauschal diffamiert wurden. Und wir müssen dabei auch eines ganz klar sehen: dass es hier um viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht und vor allem - und das ist für mich der Maßstab für die Relevanz – um viele Patientinnen und Patienten. 12 500 – Sie wissen es – sind uns jedes Jahr anvertraut; 80 Prozent davon kommen freiwillig. Und darüber hinaus kommt natürlich noch der breite Bereich der ambulanten Versorgung durch den Psychosozialen Dienst dazu, aber mittlerweile auch durch viele andere Einrichtungen, die vom Fonds Soziales Wien gefördert werden und die in dieser Stadt sehr gute Arbeit leisten.

 

Zu Ihrer Frage halte ich daher fest: Es gibt in der Wiener Psychiatrie keine eklatanten Defizite. Die Realität ist vielmehr, dass die Versorgung der Wienerinnen und Wiener mit ambulanten und mit stationären Angeboten in dieser Stadt funktioniert, aber dass es selbstverständlich - und ich wiederhole mich hier absichtlich - wie in anderen Bereichen der Medizin auch in der Psychiatrie so ist, dass wir hier nicht am Ziel sind, nicht sagen können, alles ist super und es gibt überhaupt keinen Veränderungs- und Verbesserungsbedarf, sondern dass, wie in allen Politikbereichen so auch in der Gesundheitspolitik, immer gilt, dass das Bessere der größte Feind des Guten ist.

 

Meine Sorge, Frau Dr Pilz, ist – das sage ich auch in aller Offenheit und aller Öffentlichkeit -, dass die Art und Weise, wie Sie unter dem Deckmäntelchen, es gehe Ihnen hier um Verbesserungen, die Psychiatrie in dieser Stadt diffamieren, eine Situation schafft, die schädlich für die Patientinnen und Patienten ist.

 

Ich kann Ihnen daher schon auch sagen, dass seit dem Dezember des vergangenen Jahres eklatant ist, dass ich und auch viele Professorinnen und Professoren und Primariae und Ärztinnen und Ärzte, die im psychiatrischen Bereich in dieser Stadt tätig sind, einen massiven Anstieg von Kontakten von verunsicherten Patientinnen und Patienten vermerken und auch die klare Warnung der Ärzteschaft, der Psychiaterinnen und Psychiater, dass das etwas ist, was dem Fach nicht gut tut - und was dem Fach nicht gut tut, tut vor allem den Patientinnen und Patienten nicht gut.

 

Was Sie wissen, ist, dass für mich Transparenz ein ganz, ganz wichtiger Punkt ist. Daher war es selbstverständlich so, dass sofort, nachdem Vorwürfe geäußert worden sind, die Interne Revision eingeschaltet worden ist, die Behörde tätig geworden ist, der KAV eine fliegende Kommission eingesetzt hat, wir das Ende Dezember ausführlich im Gemeinderatsausschuss diskutiert haben und natürlich auch im Gemeinderat im Zuge der Dringlichen Anfrage.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke, Frau Stadträtin. Die 1. Zusatzfrage wird von Frau GRin Dr Pilz gestellt. - Bitte.

 

GRin Dr Sigrid Pilz (Grüner Klub im Rathaus): Schade, Frau Stadträtin, dass Sie sich einmal mehr darauf zurückziehen zu leugnen und die Missstände in Abrede zu stellen. (GRin Marianne Klicka: „Leugnen"?) Denn würden Sie das nicht tun, dann würden die Ärzte und Pflegepersonen insbesondere im Otto-Wagner-Spital nicht das Gefühl haben, allein gelassen zu sein. (Ruf bei der SPÖ: Das haben sie auch nicht!) Wir wissen von einem schweren Brandunfall, wir wissen von Ärzten, die im Zusammenhang mit Netzbetten vor Gericht stehen, und wir wissen, dass seit heute die Kriminalpolizei im Otto-Wagner-Spital Erhebungen durchführt. Sie, Frau Stadträtin, weigern sich zu zeigen, dass es hier Strukturdefizite gibt und stellen damit Ihr Personal an die Front und lassen Ihr Personal im Zusammenhang mit diesen Vorwürfen im Regen stehen. Das hat Ihr Personal nicht verdient.

 

Im Konkreten, Frau Stadträtin, frage ich Sie: Sie haben mit 1. Februar im Otto-Wagner-Spital Ärzte zusätzlich angestellt. Einer davon ist ein Turnusarzt - wie die Mehrzahl der aufgenommenen Ärzte und Ärztinnen -, und er hatte am 10. Februar allein Nachtdienst. Er war zu diesem Zeitpunkt neun Tage im Dienst, im Tagdienst bis dahin, gewesen. Es war sein erster Nachtdienst, und er war allein mit 80 Patienten und Patientinnen, denn die zuständige Fachärztin hat noch ein zweites Primariat mit zusätzlichen 40 Betten zu betreuen gehabt. Er war allein, und es ist ein Patient im Netzbett gestorben. - Sie haben ihn allein in diese Situation geschickt, obwohl es normalerweise nicht üblich ist, dass Turnusärzte, die ja noch kein Recht zur freien Berufsausübung erworben haben, in der ersten Zeit unbetreut tätig sind. Es war sein erster Nachtdienst, und es gab einen Todesfall.

 

Ich frage Sie, Frau Stadträtin: Wie rechtfertigen Sie sich vor diesem Turnusarzt für die eklatanten Strukturdefizite, die Sie verantworten und die dazu führen, dass er in so einer Situation allein für 80 Leute überfordert zuständig sein muss?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich würde darum bitten, dass hier, um der Würde des Hauses gerecht zu werden, mit Unterstellungen, mit Behauptungen wie „Sie verleugnen" wirklich sehr, sehr sorgfältig umgegangen wird. Das ist diesem Haus nicht gerecht, und daher bitte ich auch, bei den künftigen Wortmeldungen auf Derartiges zu verzichten.

 

Bitte, Frau Stadträtin, Sie sind am Wort.

 

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