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Gemeinderat, 31. Sitzung vom 29.02.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 64 von 95

 

Palette, und es ist dies sicher ein anderer Zugang als jener der ÖVP. Ich ersuche Sie auch zu diesem Antrag um Zustimmung. Wir werden ja sehen, wie ernst Sie die Situationen jener Menschen nehmen, die insbesondere unsere Hilfe, die Hilfe der Politik benötigen. - Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Dipl-Ing Margulies. Ich erteile es ihm.

 

GR Dipl-Ing Martin Margulies (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Da sich jetzt wirklich eine spannende Debatte über steuerpolitische und budgetpolitische Maßnahmen entspannt, ein kurzer Beitrag und das Aufräumen mit einer großen Mär, nämlich der Mär, eine Steuerreform wäre nicht leistbar. Eine Steuer- und Abgabenreform ist immer leistbar, sofern man damit nicht in Summe automatisch ein Senken der Steuer- und Abgabenquote verbindet! (GR Mag Wolfgang Gerstl: Das heißt Umverteilung!) Das heißt, eine Steuerreform an sich ist keine Frage der Staatsverschuldung (GR Mag Wolfgang Gerstl: Aber wir wollen ja nicht umverteilen ...!), sondern es geht darum: Will man tatsächlich Armut bekämpfen? Will man tatsächlich umsteuern? Will man tatsächlich Menschen helfen?

 

Jetzt sagen Sie tatsächlich und können Sie gerne herausrufen, das stimmt nicht, aber in den letzten Jahrzehnten wurden zweifelsfrei die Reichen reicher und die Armen ärmer. Ich hoffe, zumindest das ist etwas, was in diesem Haus - auch wenn man es nicht will - als Feststellung akkordiert ist, und das wird nicht in Frage gestellt.

 

Die nächste Frage, die sich aufdrängt, ist: Leisten die Reichen tatsächlich so viel mehr als diejenigen Menschen, die 40 Stunden in der Woche arbeiten und vielleicht ein Bruttoeinkommen von 1 500 EUR haben? Nämlich in dem Maße, wie die Reichen reicher und die Armen ärmer geworden sind. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich glaube das nicht! (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Das wird ja steuerlich ...!)

 

Nächster Punkt: Die Realeinkommen - das ist auch, glaube ich, zweifelsfrei festgestellt - stagnieren in den letzten 15 Jahren. Da aber die oberen Einkommen gestiegen sind, bedeutet das, dass die unteren Einkommen, die unteren Realeinkommen gesunken sind.

 

Jetzt kann man sich Folgendes überlegen: Erachtet man diese Entwicklung für wünschenswert, oder will man gegensteuern? Ich sage Ihnen, wir GRÜNE wollen da gegensteuern! Wir wollen, dass in Österreich, genauso wie in Wien, die Armut am besten ganz verschwindet, aber zumindest bestmöglich reduziert wird, und dass eine Politik betrieben wird, die Armut verhindert. Dann muss man sich überlegen: Welche Maßnahmen sind dazu sinnvoll und notwendig angesichts des insgesamt vorhandenen Verteilungskuchens? Da sage ich selbstverständlich Ja zu einer Steuer- und Abgabenreform und versuche, nur ganz kurz auch zu skizzieren, in welche Richtung sie sich entwickeln könnte.

 

Wenn man wirklich der Meinung ist, dass die Menschen, die wenig verdienen - und zwar real sogar noch weniger als vor 15 Jahren -, eigentlich sehr viel für unsere Gesellschaft leisten, dann ist vollkommen klar, dass eine Steuer- und Abgabenreform genau diesen Menschen zugute kommen muss. Und wenn man der Meinung ist, man will die Staatsausgaben beziehungsweise die Staatsverschuldung in Summe nicht erhöhen, dann braucht man eben höhere Steuereinnahmen von jenen Menschen, denen das Schicksal sehr gut mitgespielt hat, deren Managergehälter in Höhen sind, die mittlerweile europaweit als absurd erkannt werden, und die über Einkommen und Vermögen verfügen, die mittlerweile als absurd erkannt werden.

 

Das heißt: Wo können Kernpunkte einer Steuerreform sein? Das wäre selbstverständlich insbesondere für die Menschen, die so wenig verdienen, dass sie nicht einmal Lohnsteuer zahlen, auch eine Reform der Sozialversicherungsabgaben, weil die Sozialversicherungsabgaben - das wissen wir - bis zur Höchstbeitragsgrundlage einer Flat Tax entsprechen und über der Höchstbeitragsgrundlage sogar degressiv wirken. (GR Dr Wolfgang Aigner: ... wird ja auch nicht öfter krank!) Das bedeutet, dass man sich im Bereich der Krankenversicherung zum Beispiel durchaus überlegen kann, die Krankenversicherung in Summe nicht über Sozialversicherungsbeiträge, sondern über Steuern zu finanzieren. Das würde eine ganz starke Entlastung genau für Menschen mit einem geringen Einkommen mit sich bringen.

 

Nur, man muss es natürlich irgendwie gegenfinanzieren, und selbstverständlich gehört dann dazu eine Ausweitung und eine Gleichbehandlung von Steuern. Das heißt, es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder senkt man die Krankenversicherungsbeiträge und sagt, sämtliche Einkommensarten werden für die Krankenversicherung herangezogen. Denn es ist nicht nachvollziehbar, dass jemand, der 1 000 EUR verdient und 1 000 EUR an Zinseinkommen hat, die Hälfte an Krankenversicherung zahlt von einem Menschen, der 2 000 EUR verdient. Das ist eigentlich nicht nachzuvollziehen; ich hoffe, auch für Sie. Das heißt, man kann entweder die Beitragsgrundlage der Krankenversicherung ausweiten und in dem Sinn den Krankenversicherungsbeitrag senken, oder man steigt überhaupt auf eine Steuerfinanzierung um.

 

Nur muss man sich dann überlegen, was für eine Steuerfinanzierung es ist. Ist es eine Steuerfinanzierung, die wieder nur die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen belastet? Oder ist es eine Steuerfinanzierung, die darauf abstellt, wo eigentlich das Geld daheim ist und wo es ungerechtfertigt niedrig besteuert wird?

 

Erklären Sie mir doch, warum in Österreich Einkommen, für das ich arbeiten muss, höher besteuert wird als Einkommen, das ich aus Kapitalerträgen habe. Erklären Sie mir das! Erklären Sie irgendeinem Menschen draußen, warum für Zinsen weniger Steuern zu zahlen sind als für ein normales Einkommen. (Zwischenruf von GR Dr Wolfgang Aigner.) Nein, die Zinsen sind kein versteuertes Geld, Kollege Aigner. Zinsen sind … (GR Mag Wolfgang Gerstl: Das Kapital war schon besteuert!) Nein, Zinsen sind nicht Kapital. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 

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