Gemeinderat,
33. Sitzung vom 08.05.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 89
über grundsätzliche Fragen der Strafrechtspolitik geführt werden, hier noch einmal führen. Wir haben das übrigens gestern im Fernsehen oder auch live ohnedies gesehen. Bei dieser Debatte wurden auch Jugend-Camps beziehungsweise die Verschickung von Jugendlichen nach Sibirien angesprochen, was es bei Straffälligen in Deutschland tatsächlich gibt. Als ich das erste Mal davon gelesen habe, habe ich gedacht, das ist ein Witz oder eine satirische Überspitzung. Aber das gibt es wirklich! Allerdings ist das nach Ansicht aller Fachleute ganz einfach Unsinn!
Wenn der Bundesgeschäftsführer der ÖVP, Kollege
Missethon, sich das anschauen will, dann kann man ihm in Erinnerung rufen, dass
er schon mehrmals von Justizministerin Berger dazu eingeladen wurde, sich die
Justizanstalt Gerasdorf anzuschauen, wo mit jugendlichen Straftätern sehr gut,
kompetent und professionell gearbeitet wird. Dort kann Missethon viel mehr
lernen als in diesen komischen Straf-Camps! Diese sind für uns kein Vorbild! (Beifall
bei der SPÖ.)
Es ist sehr wichtig, dass straffällig gewordene
Jugendliche wieder zurück in die Gesellschaft finden. Bei vielen ist es
möglich, bei einigen wenigen wird es vielleicht nicht möglich sein. Letztere
brauchen professionelle Sozialtherapie und Antigewalttraining. Viele lernen
beispielsweise erst in der Justizanstalt Gerasdorf, wenn sie länger als sechs
Monate dort sind, einen strukturierten Alltag kennen. Dort wechseln Lernen,
Lehre und Sport ab, und die jungen Menschen erfahren dort oft zum ersten Mal in
ihrem Leben so etwas wie Erziehung. Das funktioniert einigermaßen gut in
Gerasdorf, und ich glaube, solche Justizanstalten, die wirklich auf die
Bedürfnisse der Jugendlichen eingehen, bringen auch der Gesellschaft sehr viel,
weil so Rückfälle vermieden werden und es damit künftig weniger Kriminalität
geben wird.
Für sehr wichtig halte ich auch gemeinnützige Arbeit,
die immer mehr forciert wird, und den Täter-Opfer-Ausgleich. Wenn jetzt die
Rede von strengeren Strafen war, dann möchte ich sagen: Es gibt kaum einen
Experten – ich kenne überhaupt keinen –, der der Meinung ist, dass
gerade bei Jugendlichen strengere Strafen sinnvoll sind und irgendetwas bringen
würden.
Außerdem kann man ruhig auch sagen, dass derzeit in
Österreich deutlich mehr Jugendliche als etwa in der Schweiz oder in
Deutschland – unter Anführungszeichen – sitzen. In Österreich waren
im Jahr 2006 340 Jugendliche hinter Gittern, das ist ein Anteil von
3 Prozent der gesamten Häftlinge von 8 600. In der Schweiz „saßen“
53, das sind nur 0,9 Prozent aller Häftlinge, und in Deutschland waren
1 Prozent aller Häftlinge Jugendliche. Die Haftzahl von Unter-18-Jährigen,
gerechnet auf je 100 000 der Altersgruppe 15 bis 18 Jahre, beträgt in
Deutschland 46 Prozent, in England 47 Prozent und Österreich
70 Prozent. Wir sind also eher noch zu weit oben in dieser Relation und
müssten, wie etwa die Schweiz, mehr die gemeinnützige Arbeit forcieren, was die
Leute, wenn es nicht schwere Fälle sind, viel eher wieder zurückbringt, als
wenn sie im Gefängnis sind.
Weiters ist zu sagen, dass natürlich auch alle
anderen alternativen Konzepte wie etwa der außergerichtliche Tatausgleich
gerade bei Jugendlichen sehr erfolgreich sind. Daher unterstützen wir, dass das
weiterhin verfolgt wird.
Kollegen Schock von der FPÖ hat es eigentlich recht
spät in seiner Rede angesprochen, aber natürlich wurden schließlich wieder
Vorurteile gegenüber ausländischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen mit
Migrationshintergrund laut. – Es ist Faktum, dass prozentmäßig relativ
viele in unseren Haftanstalten Einsitzende Nichtösterreicher sind und einen
ausländischen Pass haben. Das sind allerdings sehr häufig Leute, die
ausschließlich aus dem Grund, eine Straftat zu begehen, nach Österreich kommen.
Es handelt sich dabei um die – fast verniedlichend – so genannten
Sozialtouristen, die aus osteuropäischen Ländern oder Republiken der ehemaligen
Sowjetunion kommen, in eine internationale Mafia eingebunden sind und
ausschließlich hierher kommen, um hier Straftaten zu begehen. Das ist natürlich
konsequent mit allen strafrechtlichen und polizeilichen Mitteln und mit
besserer internationaler Zusammenarbeit zu bekämpfen. Diese Leute wollen wir
hier natürlich nicht, und es gibt jetzt auch von der neuen Bundesregierung
Maßnahmen, dass diese Leute ihr Strafmaß letztlich zu Hause absitzen und
Österreich früher verlassen. – Das ist der eine Personenkreis.
Hingegen weist der Personenkreis der hier auf Dauer
arbeitenden und lebenden Bevölkerung mit Migrationshintergrund überhaupt keine
höhere Rate an Kriminalität auf als die einheimische Bevölkerung. Auch das ist
Faktum, und darauf muss man immer wieder hinweisen, weil das immer vermischt
wird: Einerseits handelt es sich um die so genannten Kriminaltouristen, also
die international organisierte Kriminalität, die schärfstens zu bekämpfen ist,
andererseits geht es um die seit vielen Jahren beziehungsweise Jahrzehnten hier
lebende Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Und es ist extrem unfair, beide
in einen Topf zu werfen! Diese Vereinfachung weisen wir konsequent zurück! (Beifall
bei der SPÖ.)
Insgesamt muss man natürlich auch bei den Jugendlich
darauf achten, wer letztlich Straftaten begeht. – Oft sind es Menschen,
die einen schlechten sozialen Status, schlechtere Bildungschancen und
schlechtere Lebenschancen haben. Im Hinblick darauf müssen wir die soziale
Integration forcieren und müssen verhindern, dass Menschen auch trotz fleißigen
Lernens keinen Arbeitsplatz bekommen. Die Stadt Wien tut auf diesem Gebiet sehr
viel, das habe ich schon gesagt, trotzdem gibt es in diesem Bereich noch immer
soziale Härtefälle. Daher müssen wir es wirklich schaffen, die Menschen sozial
zu integrieren. Das ist viel, viel wichtiger, als den Strafrahmen zu erhöhen!
Nun noch zu einem konkreten
Antrag: Kollege Klubobmann Tschirf! Der Antrag betreffend Zwangsehe bringt
nichts! In der Einleitung steht ohnedies schon, dass durch eine
Strafgesetznovelle im Jahr 2006 der Strafrahmen für schwere Nötigung verschärft
wurde. Darauf stehen, glaube ich, bis zu fünf Jahren Haft, und das
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