Gemeinderat,
35. Sitzung vom 23.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 65 von 126
Ich
gehe auf die Bereiche Wissenschaft, Archiv, Bibliothek und darstellende Kunst
näher ein: Ein politischer Schwerpunkt quer durch alle Geschäftsgruppen war
2007 die Förderung von Forschung und Innovation. Die Grundlagen dafür wurden
von der Wiener Strategie für Forschung, Technologie und Innovation geschaffen.
Die Weichen sind nun gestellt durch noch mehr Unterstützung für kluge Köpfe,
durch noch gezieltere Förderung von Forschung und Innovation und durch neue
Partnerschaften zwischen Stadt und Forschungseinrichtungen. Das Ziel - es wurde
schon gesagt – ist, Wien bis 2015 zum Zentrum der Forschung im
zentraleuropäischen Raum zu machen.
Das ZIT fördert die Kooperation zwischen Wissenschaft
und Wirtschaft mit vielen Projekten. Ganz wichtig in der heutigen Zeit der
immer knapper werdenden Rohstoffe ist zum Beispiel das Projekt zum Recycling
von Mineralien, Metallen und Pflanzennährstoffen aus Verbrennungsrückständen.
Die Geschäftsgruppe Kultur und Wissenschaft hat in
der Forschungsoffensive einen besonderen Stellenwert, nämlich durch den WWTF. Der
Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds hat sich der Förderung von Forschung
in Wien verschrieben. Die öffentliche Förderung der Creative Industries hat ein
privates Investitionsvolumen von 24 Millionen EUR ausgelöst und
ungefähr 460 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert.
Bis zum vorigen Jahr war der Schwerpunkt der Arbeit
des WWTF eher im technischen Bereich, etwa bei Mathematik oder Physik. In Wien
haben aber auch die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften eine lange
Tradition und sind für die Identität der Stadt genauso wichtig wie die
Naturwissenschaften und die Technik. Daher startete die Stadt auf Initiative
des Herrn StR Dr Mailath-Pokorny ein Förderprogramm der Geistes-, Sozial- und
Kulturwissenschaften, eine Kombination von Projekt- und Personenförderung. Auch
dieses Programm wird vom WWTF abgewickelt, der sich auf einen Beirat aus
internationalen und heimischen Experten stützt. Die erste Ausschreibung ist
gerade im Gang. Dieser Art(s)&Sciences Call richtet sich an Wiener Universitäten
und Forschungseinrichtungen oder an AntragstellerInnen aus Wissenschaft und
Kunst. Der Schwerpunkt der eingereichten Projekte soll auf Schnittstellen
zwischen Wissenschaft und Kunst gelegt werden. Ich bin schon sehr gespannt auf
die Ergebnisse.
Können Sie sich vorstellen, dass es keine Wiener
Vorlesungen gibt? – Keine Reaktion, aber die Wiener und Wienerinnen wissen das
schon: Auch im 21. Jahr ihres Bestehens erfreuen sich die Wiener
Vorlesungen ungetrübter Beliebtheit, weil sie eine positive Atmosphäre zur
Kreativität und Innovation schaffen. Sie machen das Rathaus zu einem Ort der
Diskussion, und die Wiener Vorlesungen, so behaupte ich, haben der derzeitigen
FTI-Strategie den Boden aufbereitet. Seit 1987 fanden über 1 000
Veranstaltungen mit über 3 000 Vortragenden aus der ganzen Welt statt. Und
das Beachtliche daran ist, dass über 500 000 Wienerinnen und Wiener mit
diesen hervorragenden Menschen, diesen Berühmtheiten, diskutiert haben.
Neben dem Kulturbericht, mit dem Frauenbericht, liegt
uns auch wieder ein umfassender Wissenschaftsbericht, diesmal mit einem
Alphabet der Aufklärung, vor. Auch wenn wir die Berichte erst heute bekommen
haben, bedanke ich mich trotzdem bei den Verantwortlichen und den Teams, die
daran mitgearbeitet haben, das zu dokumentieren, sehr herzlich. Vielen Dank! (Beifall bei der SPÖ.)
Im Wissenschaftsbericht erwähnt sind ganz wichtige
Einrichtungen: unser Wiener Stadt- und Landesarchiv und die Wienbibliothek. Man
muss sich vorstellen: Die Bestände des Stadt- und Landesarchivs sind auf
43 000 Regallaufmeter angewachsen! Das ist irgendwie unvorstellbar. 2007
wurde auch das Wiener Archivinformationssystem internettauglich gemacht, das
heißt, dass nunmehr die Daten unseres Archivs weltweit abgerufen werden können.
Das Team des Archivs erarbeitete ein Leitbild unter
dem Motto „Einsicht in Vergangenheit – Aussicht auf Erinnerung". Das
Archiv versteht sich nämlich nicht als rückblickende Einrichtung, sondern
stellt sich die Frage: Was ist für kommende Generationen zu archivieren?
Und jetzt, Kollege Stefan, passen Sie auf: Großes
öffentliches Interesse fanden die aus dem Landesgericht übernommenen
Volksgerichtsakten, wobei zwei beim Gericht separat gelagerte Fotoalben mit
Bildern von Gestapo-Mitgliedern zugeordnet werden konnten. Diese Fotos waren
zuletzt 1947 der Öffentlichkeit zugänglich.
Die MitarbeiterInnen des Archivs vernetzen sich
grundsätzlich mit Partnerinstituten anderer Städte. So war Wien 2007 auch
Gastgeber einer internationalen Konferenz zum Thema Stadt und Nationalsozialismus.
Die Wienbibliothek hat 2007 den Weg der Öffnung zu
breiteren Publikumsschichten weiterverfolgt. Mit der neu gestalteten Homepage,
Ausstellungen, Lesungen, Buchpräsentationen oder Musikveranstaltungen machte
sie auf ihre großartigen Bestände aufmerksam. Zum Beispiel wurde in der
Ausstellung „Heut' muss der Tisch sich völlig biegen" - Wiener Küche und
ihre Kochbücher, die hervorragende Sammlung historischer Kochbücher und die
Entstehung der bürgerlichen Wiener Küche beleuchtet. Zu dieser Ausstellung erschien
auch ein Buch mit demselben Titel, und es wurde im „Falter" darüber
berichtet. Das bitte ich Sie nachzulesen, wenn es Sie interessiert.
Die MitarbeiterInnen der Wienbibliothek wählten aber
auch ungewöhnliche Methoden zur Vermittlung. Über eine Erotik-Telefonnummer mit
historischen und literarischen erotischen Texten, gelesen von der
Burgschauspielerin Anne Bennet, wurde auf den Bestand der renommierten
Erotika-Sammlung unserer Wienbibliothek aufmerksam gemacht.
Und im Rahmen der Ausstellung „Ich mache nur, was ich
liebe" – Marcel Prawy, wurden eine Sonderauktion und ein Flohmarkt mit
Dubletten aus dem Nachlass Prawys durchgeführt, und der Preis für die
Plastiksackerl ging bis 90 EUR. Der Erlös kam einem wissenschaftlichen
Aufarbeitungsprojekt zugute.
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