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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 23.06.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 101 von 126

 

Fehleinschätzungen gehört, über falsche Vorstellungen und Prioritätensetzungen, das alte Spiel der Vorwürfe der Opposition und der Verteidigungsmuster der regierenden Partei. Viel Weihrauch haben wir heute gespürt, und auch eine gewisse Ignoranz der Opposition gegenüber, wenn sie berechtigte Kritik vorbringt.

 

Wir haben heute auch das Argument über den Aufbau von Potemkinschen Dörfern gehört, nicht nur im Prater, wie es eben unlängst bei der Prater-Neugestaltung verwirklicht wurde. Aber ich glaube, der Fürst Potemkin wäre ein Waisenknabe gegen die Blenderei der SPÖ-Wien, wenn er sehen könnte, was hier heute präsentiert worden ist.

 

Ich möchte einige Aussagen von StRin Brauner zitieren. Sie hat hier gesagt: Dieser Haushalt ist für die Menschen. Oder: Die Finanzpolitik ist für die Bedürfnisse der Menschen. Oder: Wien ist die Millionenstadt mit der höchsten Lebensqualität. - Das ist fernab von jeder Realität, hier wird uns der Himmel auf Erden vorgespielt!

 

Es wurde auch gesagt, der Vergleich macht uns sicher, und es werden internationale Rating-Institute bemüht. Aber es gibt eben auch andere. Es hat hier der Stadtrat der ÖVP gesagt: Das Institut Feri sagt, Wien ist nur auf Platz 35 der Städte mit Zukunftspotenzial, also weitaus nicht so gut, wie andere Institute sagen.

 

Aber es geht in Wirklichkeit um etwas ganz anderes. Es geht nicht um irgendwelche internationalen Vergleiche oder Rating-Institute, es geht hier, bitte, um das Gefühl, das subjektive Gefühl, das subjektive Empfinden des Wiener Bürgers! Die Auffassung der Wiener Bürger ist Ihnen anscheinend vollkommen egal. Darum geht es aber, und die Frage ist eben: Was spürt der Bürger? Was spürt er im Geldbörsel? Was spürt er vielleicht im Gesicht, ein blaues Auge, eine gebrochene Nase? - Mittlerweile immer öfter.

 

Nicht der internationale Vergleich zwischen Städten zählt, sondern eben der Vergleich hier in Wien: Wie war es vor einigen Jahren, und wie schaut es heute aus? Ich glaube, das ist der Vergleich, an dem wir uns hier messen sollten, auch als Politiker und Verantwortliche in der Wiener Landeshauptstadt. Eben dieser Vergleich macht uns sicher, und nicht irgendein internationaler Vergleich zwischen Hauptstädten. Denn das ist zwar alles sehr schön, aber in Wirklichkeit interessiert uns: Hat sich Wien in den letzten Jahren gebessert oder hat es sich verschlechtert? - Das ist genau die Frage, und so sollten Politiker, die sich dem Wähler verpflichtet fühlen, an die Frage und an das Problem herangehen.

 

Wir haben in den letzten Jahren dieses Häupl-Belastungspaket gespürt und gesehen: seit Amtsantritt eine Lawine an Belastungen und Gebührenerhöhungen! Ich brauche gar nicht weit zurückzugehen: Allein im Jahre 2006/2007 wird jeder Durchschnittshaushalt im Monat um 50 EUR mehr belastet. Heute schon mehrmals zitiert wurden die Erhöhungen der Gaspreise, Strompreise, Kanalgebühren und so weiter 2006 und 2007, also eine jährliche Mehrbelastung von 607 EUR für eine durchschnittliche Wiener Familie.

 

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, spürt der Wiener, und nicht irgendein Rating-Ergebnis von Instituten, die ja von der Realität weit entfernt sind! Das spürt der Wiener, und die Rating-Agenturen sind ihm vollkommen egal.

 

Allein durch die heurige Teuerungswelle gerät auch so mancher Durchschnitts-Haushalt an die Armutsgrenze. Aber gleichzeitig erwirtschaftet die Stadt durch das Häupl-Belastungspaket gewaltige Überschüsse. Deswegen fordern wir, dass die Überschüsse an die Haushalte in Wien weitergegeben werden. Das sollte eigentlich eine faire Politik ausmachen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Aber gehen wir ein bisschen weiter, und vergleichen wir das subjektive Gefühl der Wiener in den Fragen Jugendgewalt, Jugendkriminalität, Bildungsverfall oder Jugendarbeitslosigkeit. Da kann man nur sagen, der Eindruck hat sich sicherlich nicht verbessert, sondern er hat sich im Gegenteil verschlechtert. Darauf gehen Sie in Ihren Lobhudeleien aber überhaupt nicht ein. Stattdessen hören wir solche Standardfloskeln wie: Wien ist Bildungs- und Forschungshauptstadt.

 

Aber in Wirklichkeit muss man hier eines feststellen, und das ist sogar objektiv messbar: In Österreich ist Wien Schlusslicht bei den Lehrstellen. Das wurde aber heute geflissentlich verschwiegen. Die Bundeshauptstadt hat sich in den letzten Jahren zum Schlusslicht am Lehrstellenmarkt entwickelt. Andere Bundesländer sind erfolgreich. Zum Beispiel Vorarlberg mit einem Fondsmodell oder Oberösterreich mit den Abschnittslehren konnten allein in den letzten Jahren mehr als 3 000 neue Arbeitsplätze schaffen. Es gibt in Oberösterreich mittlerweile mehr offene Lehrstellen als Lehrstellensuchende. Da könnte sich doch Wien ein Beispiel nehmen! Aber Wien bleibt das Schlusslicht bei den Bundesländern.

 

Ich wiederhole das Zitat: „Wien ist Bildungs- und Forschungshauptstadt." Die PISA- und die PIN-Studie - ich möchte es jetzt nicht zum hundertsten Mal wiederholen, aber wir müssen feststellen: Der Bildungsverfall ist evident, der Bildungsverfall ist messbar und vorhanden! Es gibt Leseprobleme, es gibt Probleme beim Rechtschreiben, und jeder vierte Pflichtschulabgänger hat Probleme bei den Grundfertigkeiten, die man in der Schule eigentlich mitbekommen sollte, natürlich auch Probleme mit der deutschen Sprache und der Integration.

 

Man braucht nicht mehr von Parallelgesellschaften zu sprechen, wir erleben hier immer mehr die Bildung von Gegengesellschaften! Die Pariser Vororte wurden schon sehr oft zitiert. Am Freitag konnten wir mitbekommen, wie es in Wien vor sich geht, auf der Ottakringer Straße, wie hier gefeiert wird - oder wie hier randaliert wird. Zum Kollegen Maresch, der sich ja die Türkei gegen Russland im Europa-Finale wünscht, kann ich nur sagen: Wir alle haben mitbekommen, wie die Türken feiern. (GR Mag Rüdiger Maresch: Ja, ich war dort!)

 

Natürlich, jede Mannschaft feiert! Jede europäische Mannschaft feiert, das steht ihr auch zu. Jeder Mannschaft, die einen sportlichen Erfolg einfährt - so auch den Türken -, steht es zu, zu feiern. Aber man merkt es irgendwie an der Art zu feiern: Die Türken sind keine

 

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