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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 24.06.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 82 von 118

 

Herr Kollege Wagner! Sie haben das schon öfters gehört, weil Sie in der Kommission sitzen! Viele andere hier haben das aber noch nicht gehört. Sie müssen es jedoch hören, weil etwas geschehen soll! Es kann nicht sein, dass man die Situation hinnimmt. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Sohn oder eine Tochter in einer tiefen seelischen Krise, und ihr Kind kommt unter lauter Erwachsene in eine gemischtgeschlechtliche Station. So trifft dort zum Beispiel ein junges Mädchen im Waschraum Männer, die auch in einer psychischen Krise sind.

 

Die Mediziner haben das als Trauma bezeichnet. Prof Friedrich hat das aus seiner Kompetenz als Kinderpsychiater klar abgelehnt. Das sei für Kinder ein Schock und eine anhaltende psychische Belastung, die mit einer posttraumatischen Erlebnisreaktion verbunden sei. – Das sind klare Worte.

 

Es muss unser Ziel sein, diese Zustände abzuschaffen. Bis das Krankenhaus Nord errichtet ist, geht das offensichtlich nicht im nötigen Tempo. Daher ist es notwendig, für diese Übergangszeit im Otto-Wagner-Spital und in den anderen Regionalabteilungen einen abgetrennten Schonraum für Kinder und Jugendliche einzurichten, wo deren Intimsphäre und Schutz gewahrt sind.

 

Ich stelle einen entsprechenden Antrag heute und hier, und es wird sich weisen, ob Sie ernst nehmen, was hier State of the Art ist. Wenn das der Fall ist, dann stimmen Sie zu!

 

Ein weiterer Antrag bezieht sich auf den Psychiatrieplan für Wien, der überfällig ist und den wir einfordern. Es hat sich nämlich in der Untersuchungskommission auch erwiesen, dass man seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Wien nur mehr auf Mangel gesetzt hat, und zwar insbesondere auf Personalmangel. Prof Friedrich hat das vorgerechnet. Er kommt auf 32,4 Personen, die allein in seinem Bereich fehlen, nämlich Erzieher, Diplompädagogen und -pädagoginnen, ErgotherapeutInnen, Psychologen und Psychologinnen und so weiter.

 

Es war durchaus spannend, als uns die Erkenntnisse über die Reformen der Psychiatrie von Chefarzt Dr Rudas vorgestellt wurden. Das war eindrucksvoll, allerdings leider angejahrt. Die großen Erfolge liegen 30 Jahre zurück. Man hat sich auf den Lorbeeren ausgeruht und seither die Erfolge nicht fortgesetzt, sondern abgebaut.

 

Jetzt sind wir nicht vorne, sondern weit hinten, und das Schlimme daran ist, dass manche Akteure und Akteurinnen in Wien das nicht merken. Eine Evaluation des Zielplans von 1979 soll daher vorgenommen und ein Psychiatrieplan unter Einbindung aller wichtiger Akteure oder Akteurinnen, inklusive Angehöriger, erstellt werden.

 

Jetzt komme ich zum PSD. Es ist wirklich ein Ärgernis und ein Akt undemokratischer Mehrheitsentscheidung, dass man den PSD durch einen Trick aus der Untersuchungskommission ausklammert. Die Frau Stadträtin ist Präsidentin, wir sitzen im Vorstand, aber wir dürfen ihn nicht prüfen.

 

Also reden wir hier darüber: Der PSD muss in einer integrierten Psychiatrie seinen Teil leisten. Das Kontrollamt hat festgestellt, dass die Übergangspflege seit vielen Jahren nicht flächendeckend, nicht ausreichend und nicht gut organisiert angeboten wird. Ich frage seit vielen Sitzungen, wann man diesen Zustand endlich zum Thema machen und die Dinge ändern wird, ich werde aber immer wieder vertröstet, und so auch dieses Jahr. Auch im Bericht 2007 kann man lesen, dass man immer noch nicht flächendeckend allen Menschen, die aus der stationären Psychiatrie nach Hause gehen, diesen Dienst ermöglicht, sondern dass man nur zwei Regionen versorgt. – Ich stelle daher den Antrag, man möge die Übergangspflege flächendeckend, bedarfsgerecht und ausreichend zur Verfügung stellen.

 

Die nachgehende Betreuung in der ambulanten Psychiatrie ist auch ein Thema, das den PSD interessieren muss. Der PSD hat es im Gegensatz zu vergleichbaren Diensten in anderen europäischen Städten nicht geschafft, eine umfassende nachgehende Betreuung anzubieten. Wer erwartet, dass psychisch Kranke immer einsichtig in die Ambulatorien kommen, der verkennt, dass ein Teil der Krankheit oft darin besteht, dass man den Weg dorthin eben nicht findet. Daher müssen alle betroffenen Menschen unterstützt werden.

 

Wir wissen, dass es eine Frau gegeben hat, die beim PSD in Behandlung war und die einsam und unterernährt verstorben und monatelang tot in ihrer Wohnung gelegen ist. Niemand hat nachgeschaut. Sie wurde von alarmierten Angehörigen erst nach vielen Monaten gefunden. Ich meine, es geht einfach nicht an, dass die Angehörigen glauben, dass sich der PSD kümmert und tut, was vereinbart war, und dann feststellen müssen, dass nichts geschehen ist. In diesem Fall wusste man nicht, warum die Patienten nicht gekommen ist. Sie ist inzwischen gestorben.

 

Mein letzter Antrag gehört ins selbe Feld und betrifft den sozialpsychiatrischen Notdienst. Mir erzählen Angehörige oft, dass sie sehen, dass jemand zu Hause in eine schlimme Krise gerät und nicht mehr den Weg zu einem Arzt oder zum PSD findet. Dass eine solche Krise zur Katastrophe werden kann, hat sich bewiesen. Eine Frau hat sich das Leben genommen. Der Notdienst hat nämlich ein Fax an das zuständige Ambulatorium geschickt, statt selbst zu kommen.

 

Wenn ich im diesjährigen Bericht lese, was man anbietet, dann könnte man meinen, man lebe in der besten aller Welten. Da steht nämlich, dass, falls die Hilfesuchenden nicht persönlich kommen, ein mobiles Krisenteam kommt und den Patienten und Patientinnen oder den Angehörigen hilft. Es steht allerdings nicht im Bericht, in wie vielen Fällen der Notdienst nicht kommt, weil er unterbesetzt, überarbeitet oder organisatorisch zu schlecht aufgestellt ist, weil auch in den PSD seit Jahrzehnten nicht genügend investiert wurde.

 

Solche Verhältnisse kann man für die Zukunft nicht dulden. Ich stelle daher den Antrag, dass die Versorgung mit ambulanten Diensten an den Wochenenden, Feiertagen und in den Abend- und Nachtstunden zu gewährleisten ist, und zwar für alle Patienten und Patientinnen. Es darf nicht so weitergehen, dass ein Mensch in

 

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