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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 24.06.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 98 von 118

 

an Sicherheit zu bieten und das Drogenproblem mit einem ausgewogenen integrierten Konzept anzugehen. Die EU ist bestrebt, ein hohes Maß an Gesundheitsschutz, Wohlergehen und sozialem Zusammenhang zu garantieren, indem sie die Maßnahmen der Mitgliedsstaaten zur Vermeidung beziehungsweise Verringerung des Drogenkonsums, der Drogenabhängigkeit sowie der drogenbedingten Gesundheitsschäden und -risken für die Gesellschaft ergänzt.

 

Zusätzlich, meine Damen und Herren, zu den bereits bestehenden Beratungs- und Betreuungsangeboten in Wien gibt es als weitere Möglichkeit Konzepte zur Errichtung eines so genannten Konsumraumes. Für bestimmte und klar definierte Gruppen von Drogenabhängigen könnte auf diese Weise ein niederschwelliger Zugang zu einer medizinischen, sozialarbeiterischen und psychosozialen Betreuung erleichtert werden.

 

Wir haben derzeit in Europa 75 Konsumräume und selbst die Drogenkoordinatorin der EU, Dagmar Hedrich, ist nach einer Evaluierung all dieser Drogenkonsumräume eine Befürworterin. Die Errichtung einer derartigen drogentherapeutischen Anlaufstelle ist eine Möglichkeit zur Erweiterung des Drogenhilfssystems, um schwerst Abhängigen Überlebenshilfe zu geben, schadensbegrenzend zu wirken und ausstiegsfördernd tätig zu werden.

 

Es hat sich in anderen Ländern gezeigt, dass beispielsweise alle Beteiligten den Austausch in regelmäßigen Informationsrunden begrüßen. Die Erfahrungen von Einrichtungen in anderen Ländern zeigen auch, dass die Kooperation mit lokalen Behörden und der Polizei durchwegs positiv ist. So haben in Hannover 98 Prozent der Befragten keine negative Erfahrung mit den AnrainerInnen, 94 Prozent der NutzerInnen zudem gute Erfahrungen mit der Polizei angeführt. Die Konsumräume hätten auch zur gesellschaftlichen Integration der Süchtigen beigetragen.

 

Aus den Evaluationsberichten in anderen Ländern mit derartigen Einrichtungen geht hervor, dass Konsumräume nicht isoliert arbeiten sollten, sondern in eine möglichst umfassende niederschwellige Suchthilfe integriert sein sollten. Im Ganslwirt und Streetwork im Drogenbereich am Karlsplatz werden derzeit Bedürfnisse der Abhängigen rund um das Konsumgeschehen wie Spritzentausch, medizinische drogenkonsumationsbezogene und soziale Beratung abgedeckt. Der Ganslwirt bietet außerdem schon bisher niederschwellige Angebote: Spritzentausch, Ausstiegshilfen, ärztliche Hilfen, Konsumberatungen. Die MitarbeiterInnen haben bereits Erfahrungen mit dieser Zielgruppe, und auch die notwendigen Raumressourcen sind vorhanden.

 

Wie mir MitarbeiterInnen aus Drogeneinrichtungen in Wien berichten, rechnet man in Wien mit 15 000 intravenös konsumierenden PatientInnen. Sie können es sich ja leicht ausrechnen, wenn man einfach nur schaut, wie viele Spritzen täglich getauscht werden. Ich stelle daher den Beschlussantrag:

 

„Der Gemeinderat bekennt sich zur Umsetzung des Konzeptes eines Konsumraumes für eine klar definierte Gruppe von schwerst abhängigen DrogenkonsumentInnen unter folgenden Voraussetzungen:

 

Gewährleistung einer sofort einsatzfähigen medizinischen Notversorgung;

 

medizinische Beratung und Hilfe zum Zweck der Risikominimierung beim Verbrauch der von Abhängigen mitgeführten Betäubungsmittel;

 

Vermittlung von weiterführenden und ausstiegsorientierten Angeboten der Beratung und Therapie;

 

Zusammenarbeit mit den für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständigen örtlichen Behörden, um Straftaten einerseits zu verhindern und andererseits das gegenseitige Problembewusstsein zu verbessern;

 

wissenschaftliche Begleitung des Projektes sowie Vorlage eines Berichtes an den Gemeinderat, in welchem die Arbeit des Konsumraumes nach einer einjährigen Pilotphase dokumentiert und evaluiert wird.

 

In formeller Hinsicht beantrage ich die sofortige Abstimmung dieses Antrages.“

 

Einen Satz konnte ich aus dem Antrag der Grazer SPÖ nicht übernehmen. Der lautet: Es liegt nun ein sehr ambitioniertes Konzept des Drogenkoordinators der Stadt Graz vor, das hier einen weiteren Schritt setzen will.

 

Es tut mir leid, wie sehr würde ich mich freuen, vom Wiener Drogenkoordinator irgendwann einmal ein ambitioniertes Konzept zu sehen. Im letzten Drogenbeirat wurde uns eine Studie vorgestellt, die drei Jahre alt ist. Und wissen Sie, wenn man so wie ich gerade von dem Suchttherapiekongress in Hamburg kommt, wo man sich überzeugen kann, was in Deutschland, in der Schweiz, in anderen europäischen Städten in einem Jahr an Pilotprojekten, wissenschaftlich begleiteten Projekten, an neuen Konzepten erarbeitet wird, dann ist es wirklich ein Trauerspiel, dass in Wien die Sucht- und Drogenpolitik steht.

 

Das Einzige, was man verfolgen kann, ist: Der Herr Drogenkoordinator hat das letzte Jahr damit verbracht, eine Finanzierung für zwei ordnungspolitische Projekte auf die Füße zu stellen. Anscheinend waren die Verhandlungen mit dem REWE-Konzern so anstrengend. Aber in der Zeit, in der ich hier im Gemeinderat bin, habe ich weder ein sozialpolitisches oder drogenpolitisches Projekt noch ein in irgendeiner Weise innovatives Projekt vorgelegt bekommen.

 

Ich habe ja, nachdem die Stadträtin gewechselt hat, ein bisschen die Hoffnung, dass die jetzige Stadträtin, so meine Meinung, ein größeres soziales Gewissen hat, sodass sich da ein bisschen was ändert.

 

Einen zweiten Antrag bringe ich noch ein, der nichts mehr mit Drogen zu tun hat. David Ellensohn, unser Stadtrat, hat schon ausführlich betreffend die Regelung für einen Heizkostenzuschuss gesprochen.

 

Beschlussantrag: „Die amtsführende Stadträtin für Gesundheit und Soziales möge eine Regelung vorlegen, die sozial benachteiligten Personen einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Heizkostenzuschusses gewährt. Dieser Heizkostenzuschuss soll an alle Personen ausbezahlt werden, die, unabhängig von ihrer Erwerbssituation, über ein niedriges Einkommen, zum

 

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