Gemeinderat,
39. Sitzung vom 24.11.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 130
Integrationsstadträtin befasst sind. Wir wollen wieder einmal in den Mittelpunkt rücken, dass wir Wien schöner, sauberer und sicherer machen sollten. Wir haben zwei konkrete Vorschläge dafür; das eine ist ein Stadtverschönerungsgesetz, und das andere ist unsere Stadtwache.
Die Verwahrlosung im öffentlichen Raum hat wirklich
beängstigende Ausmaße angenommen. Ich darf Ihnen hier einige Fotos von leer
stehenden Geschäftslokalen zeigen. (Im
Verlauf der folgenden Ausführungen hält der Redner mehrere Fotografien in die
Höhe.) Es ist nicht so, dass das auf bestimmte Straßen oder auf bestimmte
Viertel beschränkt wäre. Leider Gottes finden wir diese Situation, dass
Geschäftslokale leer stehen, dass sie verplakatiert sind und dass die Auslagen
devastiert sind, im gesamten Stadtgebiet.
Besonders arg ist die Wiener Westeinfahrt. Wenn Sie
sich einmal die Schönbrunner Straße anschauen, dann finden Sie allein auf
dieser Einfahrtsstraße links und rechts an die 200 leer stehenden
Geschäftslokale. Experten rechnen mit mehr als 10 000 in ganz Wien.
Das ist besonders dramatisch, nicht nur, weil es ein
Problem für die Nahversorgung, für die Lebendigkeit und Sicherheit im
öffentlichen Raum ist, sondern weil im Regelfall auch die Verwahrlosung von
Auslagen damit einhergeht. Es spottet wirklich jeder Beschreibung, wie dann das
Stadtbild ausschaut. Die Auslagen sind nicht nur verdreckt; zum Teil versucht
man, es innen abzukleben, aber das fällt dann herunter. Es gibt
Beleuchtungskörper, die herunterhängen, und Plakate, die von außen aufgeklebt
werden.
Dazu kommen noch Graffiti-Schmierereien. Hier gehen
Experten davon aus, dass mehr als 20 000 Objekte in Wien betroffen sind:
Fassaden, Rollbalken, Auslagen selbst bereits, dazu kommen noch die Trafos,
diese Stromkästchen, und viele andere Orte mehr.
Die Broken-Windows-Theorie habe ich schon einige Male
anführen dürfen. Vielleicht ist sie vielen hier im Saal nicht ganz so
sympathisch, weil sie von Bürgermeister Giuliani aufgegriffen wurde und dann in
New York die Konsequenzen daraus gezogen wurden.
Es gibt nun eine neue, modernere Studie, und zwar aus
dem an sich so fortschrittlichen, immer wieder als fortschrittlich bezeichneten
Holland, von der Universität Groningen, die wissenschaftlich belegt hat, dass
das Verhalten der Menschen wirklich negativ beeinflusst wird, wenn
Ordnungswidrigkeiten, wenn Missstände akzeptiert und geduldet werden. Es wurde
herausgefunden, dass ein Regelbruch im öffentlichen Raum mehrere Regelbrüche
nach sich zieht. Ich möchte Ihnen wirklich die drei Beispiele nennen, die die
Universität Groningen vorgestellt hat.
Beispiel 1: Man hat eine Hauswand einmal im
sanierten Zustand und einmal im unsanierten Zustand mit Graffiti-Schmierereien
gehabt. Es wurden dann Werbezettel verteilt, also Papier, das man unter
Umständen wegschmeißt oder in einen Mistkübel wirft. Diese Werbezettel wurden
an Fahrrädern montiert, die vor dieser Wand abgestellt waren. Das Ergebnis ist,
dass die Nutzer dieser Fahrräder, die den Werbefolder in die Hand bekommen
haben, diesen im Regelfall nicht gleich dort auf der Straße weggeworfen haben,
wenn diese Wand saniert und von Graffiti-Schmierereien befreit war. Dort, wo
die Graffiti-Schmierereien vorhanden waren und bereits Regelverstöße zu
verzeichnen waren, haben sich mehrere hinzugesellt, indem man diese Blätter in
doppelt so vielen Fällen wie im anderen Fall einfach auf die Straße geworfen
hat.
Beispiel Nummer 2: Ein Durchgang bei einem
öffentlichen Parkplatz war aus verkehrspolitischen Gründen verboten, man sollte
eine Lücke im Zaun nicht benutzen. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass
Fahrräder nicht an den Zaun angekettet werden sollen. Man hat für diesen Fall
tatsächlich einmal die Fahrräder ganz ordentlich vor dem Zaun aufgestellt, also
so, dass kein Regelverstoß zu beobachten war, und die Menschen haben sich auch
daran gehalten und sind nicht durch dieses Loch im Zaun gegangen. Man hat dann
für diesen Fall einmal die Fahrräder verbotenerweise an den Zaun angekettet,
obwohl dort auf Verbotstafeln alles klar ausgeschildert war, und die Menschen
haben sich gedacht: Na ja, da man hier sowieso gegen gewisse Vorschriften
verstößt, kann ich ja auch diesen Eingang durch den Zaun nutzen. Es waren
wiederum doppelt so viele, die ein Verbot missachtet haben, nachdem schon ein
Verbot missachtet worden war.
Dass von diesen Studien nicht nur Verwaltungsdelikte,
sondern auch gerichtlich strafbare Delikte umfasst sind, zeigt das dritte
Beispiel. Da hat man aus einem Postkasten ein Kuvert mit einem Fünf-Euro-Schein
heraushängen lassen, also so, dass man in Versuchung geführt werden konnte,
sich diesen Fünf-Euro-Schein anzueignen. War der Postkasten mit
Graffiti-Schmierereien versehen, haben doppelt so viele hingelangt und die
Fünf-Euro-Note herausgezogen wie bei einem Briefkasten, der nicht mit Graffitis
beschmiert war.
Wir haben daher einen ganz klaren Zusammenhang zwischen
dem Zustand im öffentlichen Raum, der Sauberkeit im öffentlichen Raum, und
Regelverletzungen. Das geht so weit, dass es nicht nur zu einer stärkeren
Verschmutzung des öffentlichen Raumes kommt, sondern dass sogar die Schwelle
zur Begehung von Diebstählen sinkt.
Wir verlangen ein Auslagengesetz. Wir glauben, dass
man gegen diese unerwünschten Missstände jetzt endlich vorgehen müsste, und
zwar auf der einen Seite durchaus mit Zwangsmaßnahmen. Wer nicht bereit ist,
sich hier sozial konform zu verhalten, der muss eben auch mit
Verwaltungsstrafen oder mit Ersatzmaßnahmen rechnen.
Auf der anderen Seite soll
allerdings auch überall dort gefördert werden, wo es Sinn macht, unsere Stadt
schöner zu gestalten. Möglicherweise kann man das einfach, indem man die
Auslage reinigt, dazu wird es keiner Förderung bedürfen. Es kann aber auch
sein, dass leer stehende Geschäftslokale einfach nicht mehr als solche
gebraucht werden können, und da muss man auch an Rückbauten denken, sei es,
dass man sie
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