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Gemeinderat, 41. Sitzung vom 02.12.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 8 von 26

 

eine erfolgreiche Politik, wenn die Delogierungen steigen, wenn die Kinderarmut steigt, wenn die Zahl der prekär Beschäftigten steigt? Gleichzeitig – ich weiß eh, dass ein paar ein schlechtes Gewissen dabei haben – haben Sie hunderte Millionen zur Verfügung für ganz andere Leute.

 

Es ist offensichtlich ein Leichtes, wenn man die entsprechende Lobby hat – und die haben die Superreichen in diesem Land –, gerettet zu werden, wobei „gerettet" natürlich ein falscher Ausdruck ist. Wenn man eine 50. Million rettet, damit ich nachher 51 habe, dann ist „retten" vielleicht ein falscher Ausdruck. Wenn man 100 000 Kinder hat und von denen zuerst einmal 50 000 retten würde vor der Armut, das wäre doch ein Programm!

 

Wien ist hier säumig. Und ich sage es ganz ehrlich, eigentlich müssten wirklich alle zusammen etwas tun – alle, die in der Politik tätig sind und nichts unternehmen gegen Kinderarmut, sind sowieso am falschen Ort –, denn im Prinzip ist das etwas, was wir eigentlich nur zusammen vorantreiben können. Und jetzt sage ich sogar, inklusive uns, weil wir das offensichtlich auch nicht entsprechend vorantreiben können. Ich weiß zwar nicht genau, was man mit der SPÖ machen muss, damit etwas weitergeht. Vielleicht liegt es an jedem Einzelnen von uns, Kinderarmut entsprechend ernst zu nehmen.

 

Ich habe mir die Anzahl an Aussendungen angeschaut, die während des Jahres passieren. Also dass im Dezember der Anstieg derart hoch ist und über das Jahr das Thema ein bisschen abgleitet, das alleine halte ich für einen schlechten Indikator. Ich möchte Ihnen nicht lauter einzelne Geschichten erzählen – denn man könnte da 16 RednerInnen aufbieten und alle kommen einzeln mit zehn entsprechenden Geschichten, und wir sind noch lange nicht fertig; das könnten wir allen 100 anbieten –, sondern ich hätte gerne, dass alle 100 GemeinderätInnen da sind und alle 100 GemeinderätInnen sagen, was sie von Kinderarmut halten. Dann werden alle sagen, sie sind dagegen. Dann wird die Frau Pinterits wieder sagen, nicht diskutieren, liebe Politik, nicht diskutieren, liebe SPÖ, sondern machen. Sie machen es aber nicht. Sie machen es nicht.

 

Wenn nächstes Jahr die Armutszahlen steigen, wer ist dann dafür mitverantwortlich? Sind Sie da mitverantwortlich oder nicht? Oder wollen Sie mir heute schon sagen, dass es Sie nichts angeht? Sind Sie mitverantwortlich, wenn nächstes Jahr die Zahl der SozialhilfeempfängerInnen steigt – ja oder nein? Sind Sie daran interessiert, das zu ändern – ja oder nein? Möchten Sie mit der Europäischen Union gemeinsam arbeiten und den Bundesländern Steiermark und Oberösterreich beitreten und die Daten erheben – ja oder nein? Das ist fast eine rhetorische Frage. Auch wenn ich in Ihre Gesichter schaue, sehe ich mehr Nein als Ja, sehe ich dieses: Lasst sie ausrinnen, lasst sie reden. Fertig. Wir machen dann eine Aussendung, da steht drinnen, nächstes Jahr wird irgendwas Besonders kommen und außerdem haben wir den Heizkostenzuschuss verdoppelt. Und damit ist es dann getan.

 

Jedes Jahr, seit ich in diesem Haus bin, hat sich die Zahl der Armen in dieser Stadt erhöht. Jedes Jahr! Und wahrscheinlich, wenn ich in die Runde schaue, muss ich noch etwas sagen: Alle, wie Sie hier sitzen, alle 100 plus Regierungsmitglieder, die nicht häufig angetreten sind heute, seit es Sie alle gibt, die in dieser Stadt Politik machen, steigt die Armut. Jedes Jahr! Und was ich nicht möchte, ist, dass ich noch einmal fünf Jahre hier sitze und in fünf Jahren hinausgehe und sage, in den letzten fünf Jahren hat es sich so weiterentwickelt.

 

Irgendjemand wird etwas unternehmen müssen, liebe SPÖ, und es liegt in Ihren Händen. Wir können gute Ideen ausarbeiten als Grüne, wir können Verbündete suchen – die gibt es auch zuhauf, man könnte jetzt wieder aller herunterzitieren; es ist der Armutskonferenz bewusst, dass die Politik der SPÖ in der Stadt versagt, es ist der Caritas bewusst, denn die hat selber kein Geld mehr und muss jetzt hoffen, dass andere einspringen; deswegen der Antrag der Grünen auf 20 Millionen EUR Sonderfonds zur Schnellhilfe –, aber was ich auf jeden Fall nicht möchte, ist, dass die SPÖ sich beteiligt an der Diskussion und sagt, wir sind auch gegen Kinderarmut, denn das leuchtet mir schon, dass Sie das sagen werden, sondern ich möchte wissen, was Sie konkret nächstes Jahr tun, und am liebsten wäre mir eine Zielvorgabe. Sagen Sie mir, wann Sie glauben, dass Sie erfolgreich Politik gemacht haben. Die SPÖ kann sagen: Das sind die Daten momentan. Wir hätten gerne, dass die Datenlage sich verbessert, und wenn sie sich nicht verbessert, sind wir gescheitert. Darauf läuft es nämlich hinaus.

 

Kinderarmut in Wien steigt. Jetzt kann man sich noch überlegen, wegen oder trotz SPÖ, auf jeden Fall ist die SPÖ in dieser Stadt zuständig, und jedes Jahr werden es mehr und mehr und mehr und mehr. Man könnte hinaufzählen 100 000, 100 001, ich weiß nicht, wie lange man zum Zählen braucht und ob man da schneller ist beim Zählen als bei der tatsächlichen Entwicklung.

 

Eine armselige Zusammenfassung der Politik der SPÖ, die ja nicht nur die Grünen teilen: Steigende Zahlen in Bezug auf Armut sind in reichen Ländern inakzeptabel. Über diese Verteilung, wie sie heute besteht, werden dann wahrscheinlich in 100 Jahren Leute Bücher lesen und sagen, das gibt es ja gar nicht, dass die das damals so verteilt haben. Die werden lesen über die Krise und sich wundern, was damals alles passiert ist und was alles nicht geschehen ist. Wenn man heute über Geschichte etwas liest, wenn man irgendetwas liest von Barbaren, über den Umgang mit Sklaven, so hat man oft das Gefühl, das ist unvorstellbar. Kinderarmut wird eines Tages auch etwas Unvorstellbares für ein reiches Land sein. Und die Frage ist, ob Sie jetzt etwas dazu tun wollen oder nicht.

 

Ich schließe mit einem Satz, der zwar auch nicht das ist, was ich am Ende alles haben möchte, ich schließe mit dem Satz von vielen Kindern aus der Umfrage, denn das ist das Minimum, was Sie schaffen sollten und bisher offensichtlich nicht geschafft haben, denn sonst würde Ihnen nicht jedes 20. Kind genau das ausrichten. Das Minimum als erstes Ziel – und dann der zweite Schritt

 

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