Gemeinderat,
48. Sitzung vom 22.06.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 15 von 118
sind sogar in der Zwischenzeit sehr, sehr gut, aber
viel zu wenig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Idee ist nicht, dann, wenn
wir diskutieren, wie wir aus der Wirtschaftskrise herauskommen können, was wir
tun können, zu sagen, das gibt es ja alles schon, hier haben wir ein
Pilotprojekt, dort haben wir ein „Förderungerl", dort haben wir uns
irgendwas einfallen lassen. Am Ende geht es darum: Wo wollen wir große Schritte
setzen? Wohin soll die Stadt sich entwickeln? Was haben wir für Visionen? Wo
wollen wir sein in fünf Jahren? Wie schreiten wir voran und wo wollen wir das
Gros der Mittel, die wir jetzt in die Hand nehmen, systematisch investieren,
damit wir in fünf Jahren, in zehn Jahren messbaren Erfolg haben?
Nichts von alledem! Nichts! Mir ist kein einziger
solcher Plan untergekommen in den fünf Jahren und auch jetzt nicht in Ihrer
Rede. Viele, viele wunderschöne Zahlen, kein Plan, nirgendwo der konkrete Plan:
Dort wollen wir Europameister sein. Ich finde es schade, weil am Ende nicht
wenig Geld fließt – egal, ob es jetzt fast 1 Milliarde ist oder
3 Milliarden sind –, nicht wenig Geld investiert wird. Aber was wird aus
diesem Geld, was bleibt am Ende des Abends übrig?
Ein zweiter Bereich, der mir sehr wichtig ist und bei
dem es ebenfalls wirklich Sinn macht, sich nicht nur Mercer-Studien
anzuschauen, sondern täglich kritisch Zeitung zu lesen. Was war noch zu lesen
in den letzten Tagen? Dass für die Unter-Ein-Jährigen in Wien 50 bis 60
städtische Betreuungsplätze da sind. Da kamen zwei Mütter zu Wort, die suchten
und suchten und die nichts finden konnten. Ja, das wäre ein Bereich. (Zwischenruf von GR Karlheinz Hora.)
Charlie empört sich. Nicht ich sage das. Bitte, geh hin, sprich mit diesen zwei
Müttern und erkläre ihnen, dass sie nicht recht haben und dass die Beratung,
die sie bei der Magistratsabteilung 10 bekommen haben, eine falsche war.
Denn die Damen haben genau das zitiert, was man ihnen gesagt hat. Das ist alles
in der Zeitung nachzulesen.
Aber genau deshalb, weil es immer geleugnet wird,
weil es immer heißt, das ist nicht so, genau deshalb sind die Leute in dieser
Stadt so satt und wütend. Das macht sich auch in Wahlergebnissen bemerkbar,
aber dazu später noch einiges.
Also einfach nicht leugnen, sondern hergehen und
sagen, ja, das ist ein Bereich, da haben wir offensichtlich einen Zug verpasst.
Was heißt, einen Zug verpasst, alle Züge verpasst, denn für eine Großstadt im
Herzen Europas ist das ein Trauerspiel. Das ist kein Zeugnis von einer
richtungweisenden Frauenpolitik, Familienpolitik, Kinderbetreuungspolitik.
Das heißt, wenn wir also einen Ausbauplan haben, wenn
es darum geht, Kinderbetreuung kostenlos und flächendeckend anzubieten, dann,
meine Damen und Herren, wäre dies ein Bereich, wo ein Schwerpunkt gelegt werden
soll. Denken Sie an Mütter von sechs Monate alten Babys, die wieder ins
Arbeitsleben einsteigen möchten – und müssen, nebenbei. Nur zur Erinnerung:
Hallo, es ist Wirtschaftskrise! Immer mehr Paare können sich nicht leisten, was
sie zum Leben brauchen, immer mehr Paare sind jetzt damit konfrontiert – wieder
zur Erinnerung –, dass der Mann die Vollzeitarbeitsstelle verliert und die Frau
einen Teilzeitjob bekommt und arbeiten gehen muss. Es wird also immer mehr und
dringender erforderlich werden in den nächsten Jahren, dass junge Frauen so
rasch wie möglich nach der Geburt wieder ins Berufsleben einsteigen, weil man
sich das anders gar nicht leisten kann, erst recht nicht, wenn man einen Kredit
am Hals hat, weil man sich eine Wohnung gekauft hat, beispielsweise.
Das heißt, hier wird es unbedingt erforderlich sein,
in diesen Bereich zu investieren und einen Schwerpunkt zu legen. Auch das
könnten wir mit einem Konjunkturpaket, das den Namen verdient, bewerkstelligen,
denn das heißt nichts anderes, als dass man viel mehr Geld in die Hand nehmen
muss, als das, das ursprünglich vorgesehen war.
Ein dritter Bereich, auf den ich zu sprechen kommen
möchte, ist der Bereich öffentlicher Verkehr. Ich will mich nicht damit
aufhalten, dass die Stadt nach wie vor mit massiven Stauproblemen konfrontiert
ist. Wenn man Wienerinnen und Wiener fragt, was sie glauben, dass die größten
Probleme der Stadt sind, ist das ein Evergreen. Das kommt meistens entweder an
erster oder an zweiter Stelle: die Wiener Verkehrssituation.
Auch hier macht es Sinn zu überlegen, was man tun
kann, um das in den Griff zu kriegen und dabei im Sinne von
konjunkturbelebenden Maßnahmen Arbeitsplätze schaffen. Bingo! Ausbau, massiver
Ausbau! Massiver Ausbau aber vielleicht nicht unbedingt und nur im Sinne der
Verlängerung der U-Bahn bis in die grüne Wiese hinein, sondern im Sinne von
Hochgeschwindigkeitsstraßenbahnen auf gesonderten Trassen, so wie wir es mehrfach
vorgeschlagen haben, weil es nicht nur arbeitsplatzintensiv ist, weil es
gegenüber dem U-Bahn-Bau nicht nur ein Zehntel des Geldes kostet, sondern weil
es auch sehr, sehr viel schneller fertiggestellt werden könnte.
In diesem Zusammenhang noch ein
mutiger Schritt, den die Stadt setzen könnte, gerade jetzt in Zeiten der
Wirtschaftskrise sowohl als soziale Maßnahme als auch als Maßnahme, um noch
viel, viel mehr Wienerinnen und Wiener zu motivieren, das Auto zu Hause zu
lassen und auf die Öffis umzusteigen. Wir haben eine Tarifreform vorgeschlagen.
Wir haben gesagt, ja, es wäre ein drastischer und sehr mutiger Schritt, die
Tarife, anstatt sie zitzerlweise zu erhöhen, zu erhöhen und zu erhöhen, so wie
wir es in den letzten Jahren erlebt haben, massiv günstiger zu machen. Wie wäre
es mit einem Ein-Euro-Fahrschein, mit dem man einen Tag lang fahren kann? Wie
wäre es mit einer Jahreskarte um 100 EUR? Ja, das ist ein sehr, sehr, sehr
großer Unterschied gegenüber dem, was man derzeit in die Hand nehmen muss, um
sich die Tarife der Wiener Linien leisten zu können, doch genau darin läge ja
dann auch das Motiv für viele, das Auto zu Hause zu lassen und auf die Öffis
umzusteigen, weil sich Öffi-Fahren lohnt. Und, ja, es würde bedeuten, dass wir
zu Beginn viel Geld in die Hand nehmen müssen, um diese Tarifreform zu
finanzieren,
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