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Gemeinderat, 48. Sitzung vom 22.06.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 118

 

ist entschieden eine Dummheit zu viel und eine Verhöhnung der Opfer, die nicht wieder gutzumachen ist.

 

Ich habe in meiner politischen Laufbahn sehr oft die Gelegenheit gehabt, mit ehemaligen Emigranten zusammenzukommen, die vom Bürgermeister der Stadt Wien zu einer Wiener Jause eingeladen wurden und die seit ihrer Auswanderung diese Stadt das erste Mal wieder besucht und gesehen haben. Sie haben gefunden, dass diese Stadt wunderbar ist und dass es auch ein Zeichen der Versöhnung mit den Opfern des Holocaust ist, sie wieder hierher einzuladen, ihnen dieses andere Wien zu zeigen und ihnen bewusst zu machen, dass die Jugend dieser Stadt für Demokratie steht und dass es viele, viele Versuche gibt, gemeinsam mit den Schulen auch hier die Geschichte aufzuarbeiten.

 

Es bedarf mehr Mut und Überlegung, sich allen Fremden unter Achtung der Regeln des Anstandes und der Menschenwürde zu nähern, als in einer ersten Gemütswallung aggressiv und oft blindwütig zu poltern, möglichst auch in geselliger Runde unter angeblich Gleichgesinnten. Mich hat mein langjähriger Umgang mit den Menschen gelehrt, dass besonders für außenstehende Beobachter Konflikte von Menschen verursacht wurden, die selbst engstirnig und vorurteilsbeladen sind, Menschen, die selbst die größten Schwierigkeiten machen, weil sie nie genug Zuwendung und Aufmerksamkeit bekommen haben und daher aus eigenem Mangel glauben, dass Dreinhauen und die starke Hand helfen.

 

Ich hoffe sehr, dass wir in der politischen Bildung auch bei Jugendlichen erreichen, dass diese Gesinnung nicht mehr Platz greift! (Beifall bei der SPÖ und von GR Dr Matthias Tschirf.) Denn eine gesunde Selbstkritik ist auch eine Grundvoraussetzung für uns alle, für jeden Politiker, der am Wohl der Menschen interessiert ist. Ich hoffe, ich habe das auch für mich immer wieder gepflogen, ein altes Sprichwort sagt auch, dass das Herz oft größer als die Vernunft ist, und da ist es ganz gut, sozusagen auch eine gewisse Selbsteinschätzung zu pflegen.

 

Wer nur mit Verstand und politischem Kalkül, aber ohne Herz Politik betreibt, der ist in Wirklichkeit fehl am Platz. Herz zu haben, ist mit Emotion verbunden, und diese korrespondiert wiederum mit Einfühlungsvermögen in die Situation von Menschen, die unsere Unterstützung brauchen. Ich habe stets versucht, diese beiden Pole in Einklang zu bringen; ob mir das immer voll und ganz gelungen ist, möchte ich der Beurteilung anderer überlassen.

 

Ich habe während meiner Tätigkeit in diesem Hohen Haus viele Städte Europas besucht, und es hat sich während meiner Tätigkeit hier die geopolitische Situation Europas stark verändert. Ich war immer sehr froh, auch in der Europakommission tätig zu sein und mitzuerleben, wie auch unsere schöne Stadt durch Europa beeinflusst wurde. Europa hat sich insgesamt zu einem Kontinent des Friedens entwickelt, und ich glaube, meine Damen und Herren, auch wenn wir jetzt das Wahlergebnis der Europawahl vor Auge haben: Es gibt keine Alternative zu diesem Friedensprojekt Europa! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

 

Gerade in der Vielfalt des Alten Kontinents und der damit verbundenen Kreativität liegt auch seine Chance in der Zukunft. Wer den Menschen immer anderes einzureden versucht, handelt manchmal auch wirklich fahrlässig.

 

Die Stadt Wien wird auch in Zukunft das Gemeinsame vor das Trennende stellen und die Unterstützung für die schwachen Glieder der Gesellschaft stärken. Der Rechnungsabschluss 2008 zeigt, dass dies trotz der schwierigen Rahmenbedingungen eindrucksvoll gelungen ist und somit die Grundlage für das sinnvolle zukünftige politische Handeln in dieser Stadt vorhanden ist.

 

Zum Abschluss meines nunmehr letzten Redebeitrags im Rahmen des Wiener Gemeinderates erlaube ich mir aber auch, eine persönliche Bilanz zu ziehen. In den mittlerweile 26 Jahren als Mandatarin dieses Hauses konnte ich viele erfolgreiche und wichtige Prozesse begleiten und unterstützen. Ich möchte mich in diesem Rahmen für diese Chance und die Unterstützung bedanken.

 

Die vergangenen 26 Jahre wurden durch einen entscheidenden Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik und insbesondere auch in der Politik für Menschen mit Behinderungen geprägt, der zu vielen positiven, nachhaltigen Veränderungen geführt hat. Da stand zu Beginn meiner politischen Tätigkeit noch die reine Versorgung im Mittelpunkt, bald aber wurde der Ruf nach mehr Teilhabe und Normalisierung laut, der in den letzten Jahren zu einer verstärkten Mitbestimmung und Selbstvertretung geführt hat. Große Einrichtungskomplexe wurden von gemeinwesenintegrierten und individuell abgestimmten Modellen abgelöst und haben zu erstaunlichen Erfolgen in puncto Lebensqualität und Selbstbestimmung geführt.

 

Ich erinnere mich noch sehr genau daran, dass ich auch die Gelegenheit hatte, bei der Heimkommission 2000 mitzuarbeiten. Es gibt ja mittlerweile in Wien gar kein Großheim für Kinder und Jugendliche mehr, sondern sehr familiennahe Wohngemeinschaften. Dasselbe ist auch im Behindertenbereich passiert, wo wir viele Wohnplätze geschaffen haben, die nach dem Prinzip der Normalisierung funktionieren.

 

Bedeutende Meilensteine in der Wiener Behindertenpolitik der letzten 26 Jahre waren etwa die Gründung der ARGE Wohnplätze, die Einführung der Frühförderung, die Novellen in der Wiener Bauordnung, die Verankerung der Schulintegration, die Errichtung Sonderpädagogischer Zentren - es ist so vieles! -, die Ausgliederung von Patienten aus psychiatrischen Krankenhäusern, die Leistungsvergabe an die Organisationen durch den Fonds Soziales Wien, die Einführung der Persönlichen Assistenz und der Pflegegeldergänzungsleistung, die wir ja erst vor kurzer Zeit vorgenommen haben. Bauen und Wohnen sowie die behindertengerechte Ausstattung von Wohnungen und öffentlichen Verkehrsmitteln ist Querschnittsmaterie, und ich glaube, sie wird von den Regierungsmitgliedern der Stadt Wien auch in hervorragender Weise wahrgenommen.

 

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